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ASTRO/180: Das Magnetfeldmuster der Milchstraße (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 6. Dezember 2011

ASTROPHYSIK
Das Magnetfeldmuster der Milchstraße

Neue Himmelskarte zeigt die komplexe Struktur mit höchster Präzision


Wie alle Galaxien ist auch unsere Milchstraße von Magnetfeldern durchzogen. Nun haben Forscher erstmals deren komplexe Struktur im Detail vermessen. Mittels eines neuartigen Verfahrens zur Bildrekonstruktion kombinierten sie die Daten von mehr als 41.000 Einzelmessungen. Dabei arbeiteten Theoretiker des Max-Planck-Instituts für Astrophysik mit einem internationalen Team von Radioastronomen zusammen. Die Karte zeigt nicht nur den gesamten Aufbau des galaktischen Magnetfelds auf großen Skalen, sondern auch kleinskalige Strukturen, die Aufschluss über turbulente Strömungen im Gas geben.

Die Himmelskarte des Faradayeffekts der Magnetfelder unserer Milchstraße. - Abbildung: © Max-Planck-Institut für Astrophysik

Die Himmelskarte des Faradayeffekts der Magnetfelder unserer Milchstraße. Rötliche Farben zeigen Himmelsregionen, in denen das Magnetfeld auf den Beobachter zu zeigt, in bläulichen Regionen ist es von ihm weggerichtet. Das Band der Milchstraße (die Ebene der galaktischen Scheibe) erstreckt sich in dieser Panoramaansicht horizontal, das Zentrum liegt in der Bildmitte. Der Himmelsnordpol befindet sich links oben, der Südpol rechts unten.
Abbildung: © Max-Planck-Institut für Astrophysik

Die Magnetfeldlinien in der Milchstraße folgen zum Teil den Bewegungen des galaktischen Gases, können aber auch ihrerseits die Ursache für derartige Bewegungen sein. Trotz intensiver Forschung ist der Ursprung der Magnetfelder noch immer unbekannt. Man nimmt an, dass Dynamoprozesse dahinterstecken, bei denen mechanische in magnetische Energie umgewandelt wird. Ähnliche Prozesse laufen im Innern der Erde, der Sonne und im weitesten Sinn auch in Fahrraddynamos ab. Die neue Karte galaktischer Magnetfelder liefert nun Einblicke in die Maschinerie des galaktischen Dynamos.

Eine Möglichkeit, die kosmischen Magnetfelder zu messen, bietet der seit mehr als 150 Jahren bekannte Faradayeffekt. Dabei spielt die Polarisation eine Rolle - eine Eigenschaft elektromagnetischer Wellen, welche die Orientierung der elektrischen und magnetischen Felder im Raum beschreibt. Der Faradayeffekt dreht die Polarisationsebene von polarisiertem Licht, das durch ein magnetisiertes Medium fällt. Das Ausmaß der Drehung hängt unter anderem von Magnetfeldstärke und -richtung ab; so lassen sich diese Eigenschaften untersuchen.

Um das Magnetfeld unserer eigenen Galaxie zu messen, benutzen Astronomen das polarisierte Licht entfernter Radiogalaxien, das auf seinem Weg zu uns die Milchstraße durchqueren muss. Der dabei auftretende Faradayeffekt lässt sich durch Messungen bei verschiedenen Frequenzen rekonstruieren. Damit können die Astronomen für die Sichtlinien zu den Radiogalaxien die Stärke des Faradayeffekts bestimmen und erhalten Information über das galaktische Magnetfeld.

Um aus den Faradaymessungen ein Bild der Magnetfelder der Milchstraße zu erhalten, müssen an möglichst dicht verteilten Himmelspunkten solche Radiogalaxien hinter der Milchstraße anvisiert werden. Doch wurden insbesondere am südlichen Firmament bisher nur wenige Beobachtungen vorgenommen. Der von den 26 Radioastronomen des Projekts beigesteuerte Datensatz umfasst 41330 Einzelmessungen und somit im Durchschnitt etwa eine Radiogalaxie pro Quadratgrad des Himmels.

Um eine möglichst realistische Karte des gesamten Himmels zu erhalten, muss also zwischen den vorhandenen Messpunkten interpoliert werden. Dabei treten jedoch zwei Schwierigkeiten auf: Die jeweiligen Messgenauigkeiten variieren stark; deshalb sollten genauere Messungen ein größeres Gewicht bekommen. Außerdem wissen die Forscher nicht, wie groß die Himmelsregion ist, über die ein Messpunkt noch zuverlässig Informationen über seine Umgebung liefert. Diese Entfernung muss also direkt aus den Daten selbst erschlossen und korrekt berücksichtigt werden.

Doch damit nicht genug: Aufgrund des höchst komplexen Messvorgangs sind die Unsicherheiten selbst unsicher. So kommt es vor, dass der tatsächliche Messfehler für einen kleinen aber signifikanten Teil der Daten mehr als zehnfach so groß ist, als von den Radioastronomen angegeben. Die vermeintliche Genauigkeit dieser Ausreißer kann die Faradaykarte galaktischer Magnetfelder stark verfälschen, sofern keine entsprechende Korrektur vorgenommen wird.

Originalveröffentlichungen
Niels Oppermann, Georg Robbers, Torsten A. Enßlin
Reconstructing signals from noisy data with unknown signal and noise covariances
Physical Review E 84, 041118, 2011

Ansprechpartner

Dr. Torsten Enßlin
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
E-Mail: tensslin@mpa-garching.mpg.de

Dr. Niels Oppermann
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
E-Mail: noppermann@mpa-garching.mpg.de

Dr. Hannelore Hämmerle
Pressestelle
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
E-Mail: pr@mpa-garching.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 6. Dezember 2011
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2011