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ASTRO/197: Die ferne Zukunft der Sterne (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 6/12 - Juni 2012

Astrophysik
Die ferne Zukunft der Sterne

Von Donald Goldsmith



Manche meinen, die glorreichen Tage des Universums seien bereits vorbei - doch weit gefehlt! In den kommenden Milliarden und Billionen Jahren werden völlig neue Himmelsphänomene in Erscheinung treten.


AUF EINEN BLICK

Reise ans Ende der Welt

1. Die große Zeit der Galaxien- und Sternentstehung ist zwar vorüber, doch im Universum geht es auch weiterhin lebhaft zu. In der Zukunft wird sich das Erscheinungsbild der Sterne verändern, da ihre chemische Zusammensetzung wechselt. Sterne und Planetensysteme werden vergehen.

2. Jetzt noch seltene Himmelsobjekte werden in immer größerer Zahl auftreten, wie etwa Weiße Zwerge aus Helium. In mancherlei Hinsicht könnte der Kosmos der Zukunft sogar lebensfreundlicher sein als der heutige.

3. Es ist aber nicht nur die Zukunft des Kosmos selbst, die für Wissenschaftler von Interesse ist. Die ferne Zukunft ist darüber hinaus eine intellektuelle Spielwiese, auf der die Forscher die Folgen ihrer Theorien und Beobachtungen erproben können.


Wie sieht die Zukunft des Kosmos aus? Auf den ersten Blick wirken die Aussichten für uns Menschen düster: In fünf Milliarden Jahren bläht sich die Sonne zu einem Roten Riesen auf und verschlingt dabei das innere Sonnensystem - bevor sie selbst langsam verglimmt. Doch dieser Zeitrahmen erfasst nur einen winzigen Teil - genau genommen einen unendlich kleinen Teil - der gesamten, aus heutiger Sicht unendlich langen Zukunft.

Wenn die Astronomen weit in die Zukunft blicken, etwa für »576.000 Millionen Jahre«, wie es Douglas Adams in seiner Sciencefiction-Satire »Das Restaurant am Ende des Universums« macht, dann ist das Weltall kaum noch wiederzuerkennen. In solch fernen Zeiten hat die beschleunigte Expansion des Kosmos bereits alles, was sich außerhalb der Galaxis befindet, außer Sichtweite befördert und so den Nachthimmel zunehmend geleert. Der britische Schriftsteller Lord Byron beschrieb die Vorstellung einer solchen himmlischen Ödnis 1816 in seinem Gedicht »Darkness«: »The bright sun was extinguish'd, and the stars / Did wander darkling in the eternal space.« (etwa: »Die helle Sonne war erloschen, und die Sterne / wanderten dunkler werdend durch ewigen Raum.«)

Doch es gibt auch gute Nachrichten, denn die drohende Dunkelheit stellt nur die halbe Wahrheit dar. Zwar ist die glorreiche Epoche der massenhaften Sternentstehung schon lange vorüber, aber das Universum ist immer noch lebendig. Im Zoo der astronomischen Objekte werden merkwürdige neue Körper auftauchen. Fremdartige Phänomene, die heute noch extrem selten sind, wenn es sie überhaupt gibt, werden irgendwann zum Normalfall. Auch lebensfreundliche Bedingungen werden im künftigen Kosmos häufiger anzutreffen sein als im heutigen.

Die wissenschaftliche Eschatologie (wörtlich: Die Lehre von den letzten Dingen) - vor allem die Untersuchung der fernen Zukunft - hat in Kosmologie und Physik Tradition. Schon für sich allein genommen handelt es sich um ein faszinierendes Forschungsgebiet, aber es hat noch mehr zu bieten: Die ferne Zukunft ist ein Testgelände für neue Theorien und bietet Möglichkeiten, abstrakte Vorstellungen zu konkretisieren. Dazu zählt etwa die Geometrie des Raums. Sie wird greifbarer, wenn Kosmologen schildern, was sie für das Schicksal des Kosmos bedeutet.

Um scheinbar unvereinbare Theorien über Elementarteilchen und fundamentale Naturkräfte miteinander zu versöhnen, prognostizieren Physiker Vorgänge, die erst nach Billionen von Jahren oder noch längeren Zeiträumen auftreten, wie etwa den Zerfall der Protonen oder das Verdampfen Schwarzer Löcher. Im vergangenen Jahrzehnt untersuchten Astrophysiker anhand von Modellen, wie sich Entstehungsprozesse und chemische Zusammensetzung von Sternen und Galaxien seit dem Urknall verändert haben. Dieses Wissen über die Vergangenheit erlaubt ihnen nun, die Trends in eine ferne Zukunft zu extrapolieren.

Gregory Laughlin von der University of California in Santa Cruz ist Experte für die Entstehung von Sternen. Bereits als Doktorand beschäftigte sich der Astrophysiker mit der Entwicklung extrem massearmer Sterne. Er vergaß jedoch, in sein Simulationsprogramm die Bedingung einzubauen, dass es bei Erreichen des gegenwärtigen Weltalters anhält. So lief die Berechnung immer weiter, für Billionen Jahre in die Zukunft. Wie sich später herausstellte, kamen dabei zwar völlig verkehrte Resultate heraus - aber diese weckten dennoch Laughlins Interesse am weiteren Schicksal des Universums.

Sterne werden in interstellaren Wolken aus Gas und Staub geboren, die die hundertausendfache bis mehrmillionenfache Masse der Sonne enthalten. Überall in der Milchstraße haben sich in solchen stellaren Kreißsälen bereits einige hundert Milliarden dieser Objekte gebildet - und es werden noch einige zehn Milliarden hinzukommen. Doch der Vorrat an Rohmaterial für neue Sterne geht allmählich zur Neige. Die massereicheren unter ihnen explodieren zwar als Supernova und geben so einen Teil ihrer Materie an den interstellaren Raum zurück. Zudem strömt Gas aus dem intergalaktischen Raum in Galaxien hinein. Doch das reicht nicht aus, um all die in Sternen gebundene Materie zu ersetzen. Die Gesamtmasse des interstellaren Gases in der Galaxis beträgt derzeit nur noch etwa ein Zehntel der Gesamtmasse der Himmelskörper.

Die gegenwärtig pro Jahr in der Milchstraße entstehenden Sterne kommen insgesamt auf etwa eine Sonnenmasse. Zum Höhepunkt ihrer Produktion, vor acht bis zehn Milliarden Jahren, lag dieser Wert mindestens zehnmal höher. Gregory Laughlin schätzt, dass die Geburtenrate künftig in jedem Zehnfachen der vorherigen Zeitspanne weiter auf jeweils ein Zehntel absinken wird. In 100 Milliarden Jahren wird sie also nur noch ein Zehntel des heutigen Werts betragen, in einer Billion Jahren nur noch ein Hundertstel.

Doch dramatische Veränderungen können den Marsch in die stellare Dunkelheit unterbrechen. Unsere Milchstraße beispielsweise wird schon vergleichsweise bald - in wenigen Milliarden Jahren - mit der Andromeda-Galaxie kollidieren, der uns am nächsten liegenden großen Spiralgalaxie. Die dichten Zentralregionen der beiden Systeme verschmelzen dann entweder miteinander, oder sie beginnen, ihr gemeinsames Massenzentrum zu umkreisen. Interstellares Gas und Staub werden bei der Entstehung von »Milchomeda« kräftig durcheinandergewirbelt, und dadurch flammt die Sternentstehung zeitweise noch einmal auf. Astronomen nennen so etwas einen »Starburst«, die explosionsartige Entstehung neuer Himmelskörper. Sobald sich diese Aktivität abschwächt, ähnelt das verschmolzene System immer mehr einer Elliptischen Galaxie, also einem reifen Sternsystem mit nur noch wenig Rohmaterial für die Bildung neuer Objekte und dementsprechend niedriger Entstehungsrate.


Kosmische Geschichte
Nach der Raserei seiner Geburt entwickelt sich der reife Kosmos nur langsam. Noch rund 100 Milliarden Jahre lang - fast das Zehnfache des heutigen Weltalters - werden weiterhin Sterne entstehen. Damit steht ausreichend Zeit für sich nur langsam herausbildende kosmische Phänomene zur Verfügung.
10-32-32 Sekunden
Ende der kosmischen Inflation
10-6-32 Sekunden
Entstehung der Protonen
100 Sekunden
Deuterium, Helium und Lithium entstehen durch Nukleosynthese.
100 Millionen Jahre
Erste Sterne bilden sich.
500 Millionen Jahre
nach derzeitigem Wissensstand früheste Galaxie
4 Milliarden Jahre
Maximum der Sternentstehung
8 Milliarden Jahre
Die kosmische Expansion beginnt sich zu beschleunigen
9 Milliarden Jahre
Geburt des Sonnensystems
13,7 Milliarden Jahre
heute
15-20 Milliarden Jahre
Innere Planetenbahnen wären instabil, die Sonne schrumpft zu einem Weißen Zwerg, Milchstraße und Andromeda-Galaxie kollidieren.
100 Milliarden - 100 Billionen Jahre
letzte Explosionen massereicher Sterne (Supernovae des Typs Ia, lang andauernde Gammastrahlungsausbrüche)
100 Milliarden Jahre
Galaxien außerhalb der Milchstraße werden durch die Beschleunigung der kosmischen Expansion unsichtbar.
1 Billion Jahre
Lebensdauer der Sterne sinkt durch hohen Anteil an schweren Elementen.
100 Billionen Jahre
Die letzten Sterne erlöschen.
1034 Jahre
Protonen zerfallen (heutige untere Grenze).
10100 Jahre
Galaktische Schwarze Löcher verdampfen.


Bessere Aussichten für das Leben

Es werden sich aber nicht nur weniger Sterne bilden - sie werden einem anderen Typ angehören, weil sich künftig ihr Ausgangssubstrat umwandelt. Im feurigen Urknall wurden nur die leichtesten chemischen Elemente produziert, also Wasserstoff, Helium und Lithium. Alle schwereren Elemente entstehen erst durch Kernfusion in Sternen - und zwar überwiegend am Ende ihres Lebens: in Roten Riesen, die ihre Hüllen abstoßen, oder bei Supernova-Explosionen. Rote Riesen liefern die leichteren und häufigeren unter den schwereren Elementen, vor allem Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff.

Supernovae dagegen produzieren weitere Elemente bis hin zum Uran. Diese vermischen sich mit dem vorhandenen interstellaren Gas - und starten damit die nächste Sternengeneration mit mehr schweren Elementen als die vorherige. Die Sonne, mit fünf Milliarden Jahren vergleichsweise jung, enthält 100-mal so viele schwere Elemente wie die vor zehn Milliarden Jahren entstandenen Sterne. Tatsächlich finden sich in einigen der ältesten fast überhaupt keine dieser Substanzen. Künftige Sterngenerationen werden noch mehr damit angereichert sein, was die internen physikalischen Abläufe wie ihr Erscheinungsbild verändert.

Im Wesentlichen hat das zwei Auswirkungen auf die neugeborenen Sterne:

- Erstens verringert es die Strahlungsdurchlässigkeit ihrer Außenschichten. Wasserstoff und Helium sind fast transparent, doch schon eine kleine Beimischung schwererer Elemente führt zur Absorption von Strahlung und verringert so die Leuchtkraft des Sterns. Da im Inneren eines Sterns ein Kräftegleichgewicht herrschen muss, reduziert sich die Energieerzeugung, weshalb sich der nukleare Brennstoffvorrat langsamer verbraucht. Gäbe es nur diesen Effekt, so würden Sterne umso länger leben, je mehr schwere Elemente sie enthalten.

- Der zweite Effekt wirkt dem ersten entgegen: Schwere Elemente sind für die Energieproduktion nutzlos - sie nehmen an der Kernfusion nicht teil, verringern den verfügbaren Brennstoff und dadurch auch die Lebensdauer eines Sterns.

Diese beiden Aspekte haben zuerst Greg Laughlin und sein Astrophysikkollege Fred Adams von der University of Michigan 1997 untersucht. Demnach dominiert der erste Effekt für die nächsten 1000 Milliarden Jahre. In dieser Zeit verlängern die schweren Elemente durchaus die Lebensdauer der Sterne. Irgendwann machen sie aber einen signifikanten Anteil der Masse aus, und die Wirkung kehrt sich um. Der kritische Zeitpunkt wird etwa beim Vierfachen des heutigen Werts erreicht sein.

Die zusätzlichen Elemente sollten auch bei der Entstehung von Planeten helfen und somit die Aussichten für Leben verbessern. Astronomen haben dazu die Elementhäufigkeiten in den Sternen untersucht, bei denen Planeten entdeckt worden sind. Ihre Analyse zeigt, dass bei einem höheren Anteil schwerer Elemente auch vermehrt Planeten vorkommen.

»Jupiterähnliche Planeten zeigen definitiv eine Korrelation [mit der Häufigkeit schwerer Elemente]«, sagt John Johnson, Experte für Exoplaneten vom California Institute of Technology. »Da das interstellare Medium stetig [mit diesen Substanzen] angereichert wird, wächst möglicherweise auch die Häufigkeit von Planeten.«

Und was ist mit erdähnlichen Planeten? Die Sammlung entsprechender Beobachtungen von Weltraumteleskopen steckt erst in den Anfängen. Aber da sie fast vollständig aus schweren Elementen bestehen, sollte der Effekt bei ihnen sogar noch stärker auftreten - das Universum der Zukunft dürfte mit Planeten angefüllt sein. Obwohl neue Sterne immer seltener entstehen, wird wohl etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Planeten, die jemals existieren, erst noch geboren!

Auf den ersten Blick erscheint diese Zunahme nicht unbedingt als ein Vorteil für die Entstehung von Leben. Denn die meisten Sterne der Zukunft werden deutlich masseärmer und leuchtschwächer sein als unsere Sonne. Doch glücklicherweise können auch solche Himmelskörper lebensfreundliche Bedingungen bieten. Zum Beispiel können Sterne mit nur mit einem Promille der Sonnenleuchtkraft Trabanten auf sehr engen Umlaufbahnen besitzen, deren Temperaturen flüssiges Wasser ermöglichen, vermutlich die Hauptbedingung für die Lebensentstehung.

Planeten treten künftig nicht nur häufiger, sondern sie enthalten auch mehr lebensförderliche chemische Elemente. Denn zumindest die Organismen auf der Erde brauchen nicht nur Wasser, sondern auch Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Im Lauf der Zeit sollte der wachsende Anteil an diesen Elementen die Planeten also lebensfreundicher mal chen. Während einerseits immer weniger Sterne entstehen, sollten diese andererseits immer häufiger auch auf potenziell Leben tragende Planeten herabscheinen. Unabhängig davon, wie viel Leben es im heutigen Universum gibt - in der Zukunft wird es vermutlich mehr und unterschiedlichere Lebensformen geben.

Wie stabil ist das Sonnensystem?
In ferner Zukunft werden Planetensysteme so lange existieren, dass völlig neue Aspekte ins Spiel kommen. Zwar nehmen wir heute die Stabilität unseres Sonnensystems als selbstverständlich hin - wir befürchten also nicht, dass die Bewegung der Erde chaotisch wird und sie vielleicht mit einem Nachbarplaneten kollidiert. Doch diese Zuversicht löst sich auf, wenn wir in Dimensionen von mehreren Milliarden Jahren denken. Im Jahr 2009 führten die Himmelsforscher Jacques Laskar und Mickael Gastineau von der Sternwarte Paris mehrere tausend Computersimulationen der vier inneren Planeten zum Stabilitätsproblem durch. Dabei variierten sie die Anfangsbedingungen der Bahnen um winzige Beträge, zum Teil nur um wenige Meter. Resultat: Im Verlauf von Billionen Jahren werden planetare Kollisionen ziemlich wahrscheinlich. Schon innerhalb von fünf Milliarden Jahren stoßen mit einem Prozent Wahrscheinlichkeit die Nachbarplaneten Merkur und Venus zusammen.

Zudem wird dann die ganze Milchstraße kräftig durcheinandergewirbelt, sobald die Andromeda-Galaxie mit ihr verschmilzt. Das verändert das galaktische Gravitationsfeld und führt möglicherweise zu einer völligen Umstrukturierung des Sonnensystems. Greg Laughlin meint dazu: »Was wir nun noch verstehen müssen, ist, inwieweit die Hand des Chaos, die unser Sonnensystem heute nur leicht berührt, die galaktische Planetenstatistik beeinflusst.«

Ein ähnliches Chaos wie in den Planetensystemen tritt auch auf größeren Skalen in Erscheinung. Sterne in Doppel- und Mehrfachsystemen umkreisen wegen ihrer gegenseitigen Anziehung den gemeinsamen Massenschwerpunkt. Das gilt ebenso für Sternhaufen und Galaxien. In all diesen Gebilden geraten Sterne praktisch nie in direkten Kontakt miteinander - sie sind einfach zu weit voneinander entfernt, selbst als astronomische Nachbarn.

Doch in kosmologisch großen Zeiträumen wird aus »praktisch nie« oft ein »manchmal« und schließlich sogar ein »nahezu immer«. So wird jedes Doppelsternsystem irgendwann durch externe Gravitationskräfte zerrissen, oder es verliert durch die Abstrahlung von Gravitationswellen an Energie, worauf ihre Körper zusammenstoßen. Weite Doppelsterne werden eher auseinanderdriften, enge dagegen kollabieren.

Verschmelzen zwei Sterne miteinander, können sie zeitweilig einen massereicheren, leuchtkräftigeren Stern bilden. Auch ein Planet von Jupiterformat kann, sobald er mit seinem Muttergestirn fusioniert, einen ähnlichen, wenngleich schwächeren Einfluss ausüben. Nehmen wir einen bescheidenen Stern mit einem Zehntel der Sonnenmasse, der von einem jupiterähnlichen Planeten umkreist wird. Hat dieser eine Umlaufzeit von mehr als ein paar Tagen, wird er irgendwann das System verlassen. Bewegt er sich aber auf einer engeren Bahn, kann er in den Stern stürzen und diesem so einen frischen Vorrat an Wasserstoff zuführen. Das würde zu einer kurzzeitigen, aber dramatischen Erhöhung des Energieausstoßes führen, die als supernovaähnlicher Ausbruch sichtbar wird.

In ferner Zukunft wird solches Aufflackern das langsame Verschwinden der Sterne begleiten. Selbst in einer Billion Jahren können Astronomen der Zukunft also noch seltsame Phänomene bei der sich ausdünnenden Sternpopulation ihrer Heimatgalaxien beobachten.

In 10 oder 100 Milliarden Jahren wird trotz sinkender Entstehungsrate immer noch eine immense Anzahl von Sternen leuchten - hauptsächlich Himmelskörper mit niedrigen Massen und damit extrem hoher Lebenserwartung. Denn Sterne mit großer Masse sind so leuchtkräftig, dass sie schnell ausbrennen und schon nach wenigen Millionen Jahren explodieren. Sterne mit deutlich geringerer Masse als unsere Sonne können dagegen viele hundert Milliarden oder gar Billionen Jahre lang leuchten. Sie verbrauchen ihren Brennstoffvorrat so langsam, dass er trotz seiner geringen Menge für immense Zeiträume ausreicht.

Schwerer Stern, kurzes Leben
Je nach Masse variiert auch ihr finales Schicksal. Die Sonne als stellares Mittelgewicht wird sich einst zu einem Roten Riesen aufblähen und ihre Außenschichten ins All abstoßen. Zurückbleiben wird ein Weißer Zwerg: ein dichter, erdgroßer Sternenleichnam, der nahezu vollständig aus Kohlenstoffatomkernen und Elektronen besteht.

In Sternen mit weniger als der Hälfte der Sonnenmasse bleibt die Temperatur im Zentrum zu gering, um jene Kernfusionsreaktionen auszulösen, die einen Roten Riesen entstehen lassen. Stattdessen werden diese Objekte später, so spekulieren die Astronomen, zu Weißen Zwergen, die fast nur aus Helium bestehen. Im heutigen Universum entstehen solche Sterne nur gelegentlich, und zwar wenn sie sich in einem engen Doppelsystem gegenseitig die Hüllen entreißen, bevor ihr Heliumzentrum zünden kann. Einen isoliert entstandenen Weißen Heliumzwerg haben die Astronomen bislang nicht gefunden. Seit dem Urknall ist dafür einfach noch nicht genug Zeit verstrichen. Damit liefert er ein herausragendes Beispiel für jene neuen Phänomene, die unsere Nachfahren eines fernen Tages erstmals beobachten könnten.

Sterne mit größeren Massen sterben einen dramatischeren Tod. Ihr Zentrum kollabiert zu einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch. Dies löst eine Stoßwelle aus, was die Außenschichten des Sterns ins All schleudert, welche dann als Supernova aufleuchten. Wenn die massereichen Sterne vom Himmel verschwunden sind, ist es auch vorbei mit all diesen Explosionen, die derzeit regelmäßig die Galaxien überstrahlen. Doch eine andere Supernova-Art (»Typ Ia«) wird auch weiterhin gelegentlich den Himmel erhellen. Zu solchen Eruptionen kommt es in Doppelsternsystemen, bei denen sich einer der Sterne bereits zu einem Weißen Zwerg entwickelt hat. Bei einigen dieser Paare strömt dabei gemäß Modellrechnungen wasserstoffreiche Materie vom zweiten Stern zum Weißen Zwerg. Das Gas akkumuliert auf dessen Oberfläche, bis Kernfusionsreaktionen einsetzen und der Stern als Supernova explodiert. Solche Ereignisse sind so lange möglich, wie ausreichend massereiche Sterne existieren, also grob geschätzt noch die nächsten 100 Milliarden Jahre.

In einem ähnlichen Supernova-Modell, das gleichfalls auf Doppelsternen beruht, umkreisen sich zwei Weiße Zwerge auf extrem engen Bahnen. Das System sendet Gravitationswellen aus und verliert so Bahnenergie. Dadurch schrumpfen die Umlaufbahnen, und die Sterne bewegen sich spiralförmig aufeinander zu, bis sie in einem kurzen finalen Crash miteinander verschmelzen. Solche Ereignisse könnten sogar noch in Billionen von Jahren auftreten.

Heller als Supernovae sind Gammastrahlungsausbrüche. Es gibt zwei unterschiedliche Arten dieser Megaexplosionen, die offenbar auch auf ganz verschiedene Weise entstehen:

- Lang andauernde Gammaausbrüche, die höchst energiereiche Strahlung mehr als zwei Sekunden lang aussenden, entstehen vermutlich, wenn der Kern eines massereichen Sterns zu einem Neutronenstern wird.

- Kurze Gammaausbrüche von weniger als zwei Sekunden Dauer sind wahrscheinlich die Folge der Verschmelzung zweier Neutronensterne oder eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch.

Die lange Variante wird im Verlauf der Äonen immer seltener, da sich immer weniger massereiche Sterne bilden. Die kurzen Ereignisse können dagegen noch in Billionen von Jahren den Kosmos mit energiereicher Strahlung überschütten.

Wenn wir die kosmische Zeit nicht mehr in Milliarden, sondern in Billionen von Jahren messen, dann gelangen wir in eine Epoche des Universums, in der keine neuen Sterne mehr entstehen. Alle außer denen mit ganz geringer Masse sind längst ausgebrannt, explodiert oder verglimmen als Weiße Zwerge. Abgesehen von der Dunklen Materie, deren Zusammensetzung immer noch ein Geheimnis ist, enthält die Milchstraße - ebenso wie andere Galaxien - in dieser fernen Zukunft in erster Linie Schwarze Löcher, Neutronensterne, Weiße Zwerge und einige rote Sterne. Letztere leuchten jedoch so schwach, dass kein einziger von ihnen ohne Fernrohr zu sehen wäre, selbst wenn sie uns so nahe wären wie heute der nächste Nachbarstern. Doch selbst die allmählich verlöschenden Objekte produzieren von Zeit zu Zeit noch enorme Strahlungsausbrüche - eine Erinnerung an das nukleare Inferno, das einst den Himmel mit Milliarden von Sternen spickte.

Wenn die überlebenden Sterne Planeten auf engen Umlaufbahnen besitzen, dann könnte auf diesen langfristig flüssiges Wasser und damit auch Leben existieren. Dieses überdauert dann womöglich Zeiträume, die jede Vorstellungskraft sprengen, solange sie jedenfalls nicht Opfer einer nahen Supernova oder eines Gammastrahlungsausbruchs werden.

Das führt uns zu einer offenen Frage: Könnte eine hoch entwickelte Zivilisation - sofern sie existiert und fortbesteht - den Verlauf der kosmischen Geschichte beeinflussen? Schon vor über 30 Jahren hat sich Freeman Dyson vom Institute for Advanced Study in Princeton mit dieser Frage auseinandergesetzt. »Ich glaube, es gibt gute wissenschaftliche Gründe dafür«, schrieb der theoretische Physiker, »die Möglichkeit ernst zu nehmen, dass Leben und Intelligenz dieses Universum erfolgreich nach ihren Bedürfnissen formen können.« Heute, gerade mal 14 Milliarden Jahre nach dem Urknall, gibt es allerdings kaum Hinweise darauf, dass Lebensformen den Kosmos in größerem Maßstab beeinflusst haben. Aber der Zug der Zeit hat den Bahnhof erst verlassen. In ferner Zukunft ist Überleben nur möglich, wenn das Leben größere Teile der kosmischen Ressourcen beherrscht.

Da wir nur einen winzigen Ausschnitt der langen Reise direkt beobachten können, werden wir keine absolute Sicherheit darüber erhalten, was künftig geschieht. Doch unser freier Geist kann so weit in die ferne Zukunft schweifen, wie wir wollen. Oder, wie der englisch-amerikanische Schriftsteller Wystan H. Auden 1957 in einem Gedicht schrieb: »Were all stars to disappear or die / I should learn to look at an empty sky / And feel its total darkness sublime / Though this might take me a little time.« - »Würden alle Sterne verschwinden oder sterben / so müsste ich lernen, an einen leeren Himmel zu schauen / und die Erhabenheit seiner völligen Dunkelheit zu spüren / auch wenn ich dafür eine Weile bräuchte.«


Die Zukunft der Sternentwicklung

Betrachtet man nur die reine Leuchtkraft, so liegen die glorreichen Tage des Kosmos bereits hinter uns. Doch auf subtile Art bleibt das Universum noch für Billionen von Jahren interessant. Rote Zwerge, heutzutage der häufigste Sterntyp, stehen gerade erst am Anfang ihres langen Lebens - und sie werden sich schließlich zu einer neuen Art von Himmelskörpern entwickeln. Spätere Generationen von Sternen enthalten die schweren Elemente, die in ihren Vorgängern entstanden sind - und das verändert Erscheinungsbild und Lebensdauer. Über riesige Zeiträume hinweg spielen seltene Prozesse, wie beispielsweise direkte Zusammenstöße zwischen Sternen, eine immer größere Rolle.

Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht:

Langsam und gleichmässig - so gewinnt man das kosmische Rennen
Die Lebensdauer von Sternen folgt einer einfachen Regel: Je mehr Masse, desto kürzer das Leben. Massereiche Sterne besitzen mehr Brennstoff, aber sie verbrauchen diesen auch erheblich schneller - und dann vergehen sie mit einem Knall. Da sie nur für einen kosmischen Augenblick leben, gehört die Zukunft masseärmeren, langlebigeren Sternen.

Superriesen (8 - 20fache Sonnenmasse)
Wenn die massereichsten Sterne nicht mehr genug Energie erzeugen, um ihr eigenes Gewicht auszugleichen, kollabieren sie abrupt - und lösen damit eine Supernova-Explosion oder einen Gammastrahlungsausbruch aus. Zurück bleiben ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch.

Sonnenähnliche Sterne (einfache Sonnenmasse)
Sonnenähnliche Sterne sterben, indem sie ihre äußeren Schichten abstoßen. Diese Materie tritt dann als farbenprächtiger »Nebel« in Erscheinung. Der Kern des Sterns kollabiert währenddessen zu einem Weißen Zwerg. Dieser Zwergstern verglimmt langsam.

Rote Zwerge (0,2fache Sonnenmasse)
Rote Zwerge sind die häufigsten Sterne im heutigen Kosmos. Sie strahlen bis sie auch den letzten Rest Wasserstoff in Helium verwandelt haben. Aus ihnen wird dann eine spezielle Art von Weißem Zwerg.

Braune Zwerge (0,08fache Sonnenmasse)
Unterhalb einer bestimmten Masse werden Sterne niemals heiß genug, um die Proton-Proton-Fusion zu zünden. Braune Zwerge kühlen deshalb einfach ab und verlöschen.


Zukunft:

  • Die Sternentstehungsrate sinkt, wenn das interstellare Gas knapp wird. Das Rohmaterial für die Sterne wird mit schweren Elementen angereichert.
  • Die Anreicherung mit schweren Elementen führt schließlich zu einer Verknappung des Wasserstoffs und verkürzt so die Lebensdauer der Sterne.
  • Der steigende Anteil an schweren Elementen macht das Gas im Sterneninneren weniger durchlässig für Strahlung. Dadurch sinkt die Leuchtkraft, und die Lebensdauer steigt. Außerdem entstehen mehr Planeten.
  • Wenn Rote Zwerge ihren Brennstoffvorrat verbraucht haben, bleibt eine neue Art von Weißen Zwergen zurück, die reich an Helium sind.


DER AUTOR
Donald Goldsmith ist möglicherweise der einzige Astronom, der früher als Anwalt für Steuerrecht gearbeitet hat. Diese Karriere war zwar lukrativ, aber kurzlebig. Er promovierte 1969 an der University of California in Berkeley und war als Berater für die Fernsehserie »Cosmos« von Carl Sagan tätig.


QUELLEN
Adams, F., Laughlin, G.: The Five Ages of the Universe - Inside the Physics of Eternity. Free Press, Washington D. C. 2000

Chiappini, C.: The Formation and Evolution of the Milky Way. In: American Scientist 89, S. 506, November/Dezember 2001

Goldsmith, D.: The Runaway Universe - The Race to find the Future of the Cosmos. Basic Books, New York 2000


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Diesen Artikel sowie weiterführende Informationen finden Sie im Internet: www.spektrum.de/artikel/1149648


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 40-41:
Diese Galaxien kollidieren gerade miteinander - ein Schicksal, das dereinst auch der Milchstraße bevorsteht.

Abb. S. 46:
Die künftige chemische Zusammensetzung der Sterne
Sterne leuchten, weil sie Wasserstoff zu Helium fusionieren und, am Ende ihres Lebens, Helium zu noch schwereren Elementen. Jede Generation von Sternen beginnt mit einem größeren Anteil an schweren Elementen als die vorherige. Dieser Prozess führt zu einer langsamen Veränderung des Erscheinungsbilds und der Lebensdauer der Sterne. Er könnte außerdem zu einer Zunahme der Zahl der Planeten führen, die mit den Sternen zusammen entstehen.

© 2012 Donald Goldsmith, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 6/12 - Juni 2012, Seite 40 - 47
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2012