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FORSCHUNG/1423: Proton-Rekord - Magnetisches Moment mit höchster Genauigkeit gemessen (idw)


Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 23.11.2017

Proton-Rekord: Magnetisches Moment mit höchster Genauigkeit gemessen

Hochpräzise Messung des g-Faktors elf Mal genauer als bisher - Ergebnisse zeigen große Übereinstimmung zwischen Protonen und Antiprotonen


Das magnetische Moment eines einzelnen Protons ist unvorstellbar klein, aber es kann dennoch gemessen werden. Vor über zehn Jahren wurde für diese Messung der Grundstein gelegt, und bis heute arbeiten Physiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK), der GSI Darmstadt und des japanischen Forschungsinstituts RIKEN mit Experimenten daran, diese Kraft an einzelnen Teilchen mit einer möglichst hohen Genauigkeit zu messen. Sie haben die Versuchsanordnungen in den vergangenen Jahren immer weiter verfeinert und können jetzt einen weiteren neuen Rekord vermelden: Das magnetische Moment des Protons wurde auf zehn signifikante Stellen genau bestimmt - die genauste Angabe, die es derzeit gibt. Die Mainzer Messungen der BASE-Kollaboration bestätigen das Standardmodell der Teilchenphysik, das die kleinsten Teilchen unseres Kosmos beschreibt. Die neue Proton-Messung wurde im Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlicht.


Foto: © Georg Schneide

Wie magnetisch ist das Proton? Wissenschaftler der JGU stellen neuen Rekord bei der Vermessung des Protons auf
Foto: © Georg Schneider

Protonen sind die elektrisch positiv geladenen Teilchen des Atomkerns. Sie haben aber außer der elektrischen Ladung auch einen Eigendrehimpuls und damit verbunden ein magnetisches Moment. Diese Eigenschaft macht sich beispielsweise die Medizin mit der Kernspin- oder Magnetresonanztomographie zunutze. Eine genaue Kenntnis der fundamentalen Eigenschaften des Protons ist aber weniger für die sofortige Anwendung, sondern vielmehr für das Verständnis der Struktur von Atomen und für den genauen Test fundamentaler Symmetrien im Universum von Bedeutung - insbesondere im Hinblick auf das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie. An der JGU werden in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jochen Walz etwa seit dem Jahr 2005 Experimente ausgeführt, um einzelne Protonen in einer Penningfalle einzufangen und genauestens zu vermessen.

Bestätigung der CPT-Symmetrie

Die jetzt in Science veröffentlichten Ergebnisse dringen in einen Bereich vor, der einer Genauigkeit von 0,3 Milliardstel entspricht, womit die bisher genauste Messung der BASE-Forscher aus dem Jahr 2014 um das Elffache verbessert wurde. Der g-Faktor, der das magnetische Moment angibt, beträgt demnach 2,79284734462(82). Im direkten Vergleich mit dem vor fünf Wochen veröffentlichten g-Faktor für das Antiproton durch die BASE-Kollaboration zeigt sich eine große Übereinstimmung von Teilchen und Antiteilchen.

"Für die Physik ist es von großer Bedeutung, die Eigenschaften des Protons wie zum Beispiel seine Masse, Lebensdauer, Ladung, Radius und das magnetische Moment so genau wie möglich zu kennen", sagt Dr. Andreas Mooser vom RIKEN. "All diese Eigenschaften können mit Hilfe von Hochpräzisionsmessungen die Grundlagen liefern, um fundamentale Symmetrien wie die Ladung-, Parität- und Zeit-Symmetrie genauer zu untersuchen." Die sogenannte CPT-Symmetrie, abgekürzt für die Begriffe "Charge", "Parity" und "Time", beschreibt ein grundlegendes physikalisches Gesetz. Daraus ergibt sich unter anderem, dass im Weltall eigentlich genauso viel Materie wie Antimaterie vorhanden sein müsste, was aber offensichtlich nicht der Fall ist. "Der Vergleich der aktuellen Daten von Proton und Antiproton liefert uns eine glänzende Bestätigung der CPT-Symmetrie", so Mooser.

Messung vergleichbar mit extrem genauer Magnetresonanztomographie

Die größere Messgenauigkeit ist den Mainzer Physikern durch eine Verbesserung des technischen Aufbaus gelungen. Dazu wurde zum einen das Magnetfeld in der Penningfalle, in der die Hochpräzisionsmessung erfolgt, noch stärker homogenisiert. Zum anderen wurde eine selbstabschirmende Spule eingeführt, die Störungen abfängt. Beide Maßnahmen tragen dazu bei, die Stabilität des Teilchens in der Falle zu erhöhen, sodass die Frequenzen genauer erfasst werden können. "Um das magnetische Moment des Protons zu messen, haben wir eine der empfindlichsten Penningfallen-Apparaturen überhaupt entwickelt", erklärt Georg Schneider, Erstautor der Science-Veröffentlichung von der JGU. "Das Proton ist eine besonders große Herausforderung, weil sein magnetisches Moment so klein ist. Daher brauchen wir eine fast unvorstellbar hohe Empfindlichkeit in unserer Analysefalle. Im Grunde ist unsere Messung ein extrem genaues MRT durchgeführt am einzelnen Proton."

Eine weitere Verbesserung liegt in der Verkürzung des Zeitraums, bis ein Datenpunkt, also eine Messung, erreicht wird. Diese "Zeit pro Datenpunkt" wurde von drei Stunden auf 90 Minuten halbiert. "Dass dies gelungen ist, ist fantastisch, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange", merkt Schneider an und stellt damit weitere Fortschritte in Aussicht. In Zukunft soll durch den Einsatz einer Laserkühlung die Energie des Protons reduziert werden, um eine bessere Sensitivität zu bekommen und damit die Datenrate zu erhöhen. "Die Datenrate ist aktuell der limitierende Faktor."

Auch für künftige technische Entwicklungen werden die Physiker der JGU einen engen Austausch mit ihren Kollegen von der BASE-Kollaboration am Forschungszentrum CERN bei Genf pflegen. Neuerungen, die sich in Mainz bewähren, werden ans CERN transferiert und umgekehrt. So hoffen die Wissenschaftler, die magnetische Kraft von Protonen und Antiprotonen immer präziser bestimmen zu können und damit entweder das jetzige Weltbild der Teilchenphysik zu bestätigen oder aber einen Unterschied zu finden und damit das Tor für neue physikalische Konzepte aufzustoßen.


Foto: © Georg Schneider

Doppelpenningfallensystem zur Messung des Proton-g-Faktors: Die vergoldeten zylindrischen Fallenelektroden sind durch Saphirringe isoliert. Der ca. 20 cm hohe Aufbau befindet sich im Inneren eines supraleitenden Magneten in einem Ultrahochvakuum nahe dem absoluten Nullpunkt.
Foto: © Georg Schneider


Veröffentlichung:
Georg Schneider et al.
Double-trap measurement of the proton magnetic moment at 0.3 parts per billion precision
Science, 24. November 2017
DOI: 10.1126/science.aan0207


Weiterführende Links:
http://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/3027_DEU_HTML.php
(Pressemitteilung vom 19.10.2017 "Materie-Rätsel bleibt weiter spannend: Fundamentale Eigenschaft von Proton und Antiproton identisch")

http://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/101_DEU_HTML.php
(Pressemitteilung vom 19.01.2017 "Magnetische Kraft von einzelnen Antiprotonen mit höchster Genauigkeit bestimmt")

http://www.uni-mainz.de/presse/60921.php
(Pressemitteilung vom 30.05.2014 "Magnetisches Moment des Protons mit unvergleichlich hoher Genauigkeit gemessen")

http://www.uni-mainz.de/presse/46320.php
(Pressemitteilung vom 21.06.2011 "Erstmals magnetische Eigenschaft an einem einzelnen Proton direkt beobachtet")

http://base.web.cern.ch/
(Website der BASE-Kollaboration)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution218

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Petra Giegerich, 23.11.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2017

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