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FORSCHUNG/1615: Abstimmung der Energieniveaus von organischen Halbleitern (idw)


Technische Universität Dresden - 04.07.2019

Abstimmung der Energieniveaus von organischen Halbleitern


Physiker des Dresden Integrated Center for Applied Physics and Photonic Materials (IAPP) und des Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed) der TU Dresden konnten gemeinsam mit Forschern aus Tübingen, Potsdam und Mainz zeigen, wie elektronische Energien in organischen Halbleiterfilmen durch elektrostatische Kräfte eingestellt werden können. Eine Reihe von Experimenten, die durch Simulationen unterstützt wurden, konnte die Wirkung spezifischer elektrostatischer Kräfte, die von den molekularen Bausteinen auf Ladungsträger ausgeübt werden, erklären. Die Studie wurde kürzlich im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht.

In elektronischen Bauteilen wie Solarzellen, Leuchtdioden, Fotodetektoren oder Transistoren, die auf organischen Halbleitern beruhen, sind elektronische Anregungen und Energieniveaus für den Ladungstransport wichtige Größen zum Verständnis ihrer Funktionsgrundlagen und ihrer Leistungsfähigkeit. Die Verteilung der Energieniveaus innerhalb solcher Bauteile ist jedoch deutlich schwieriger zugänglich als bei herkömmlichen anorganischen Halbleitern, wie es die klassischen Siliziumchips sind. Dies gilt sowohl für die Messung als auch für die kontrollierte Beeinflussung von außen.

Ein Ansatz, um eine Abstimmung zu ermöglichen, nutzt die Coulomb-Wechselwirkungen, die zwischen allen elektrisch geladenen Teilchen auftreten und bei organischen Materialien stärker sind. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwiefern das energetische Gefüge von den unterschiedlichen Ladungstransportniveaus und von Zuständen der Exzitonen abhängt. Exzitonen sind gebundene Paare eines Elektrons und eines Lochs, die im Halbleitermaterial durch Lichtabsorption gebildet werden. Diese Größen wurden in ihrem Verhältnis zur spezifischen Zusammensetzung der Mischsysteme und der molekularen Orientierung im organischen Material betrachtet. Von Mischsystemen sprechen die Wissenschaftler, wenn die Bauelemente aus Mischungen verschiedener organischer Halbleitermaterialien bestehen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Energie in organischen Filmen durch die Variation eines einzelnen molekularen Parameters, nämlich des molekularen Quadrupolmoments in Pi-Stapelrichtung der Moleküle, eingestellt werden kann. Ein elektrischer Quadrupol kann aus zwei positiven und zwei gleich starken negativen Ladungen bestehen, die zwei entgegengesetzt-gleiche Dipole bilden. Im einfachsten Fall befinden sich die vier Ladungen in alternierender Anordnung an den Ecken eines Quadrates. Die Autoren stellen außerdem eine Verknüpfung zwischen Bauelement-Parametern von organischen Solarzellen wie Fotospannung oder Fotostrom und diesem Quadrupolmoment her.

Die Ergebnisse helfen, die jüngsten Durchbrüche bei der Effizienz von Bauelementen in organischen Solarzellen zu erklären, die auf einer neuen Klasse organischer Materialien basieren. Da der beobachtete elektrostatische Effekt eine allgemeine Eigenschaft organischer Materialien ist, einschließlich sogenannter "kleiner Moleküle" und Polymere, kann er dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit aller Arten organischer Bauelemente zu verbessern.


Titel der Studie: "Impact of molecular quadrupole moments on the energy levels at organic heterojunctions" (Nature Communications) Web: https://www.nature.com/articles/s41467-019-10435-2 DOI: 10.1038/s41467-019-10435-2 Autoren: M. Schwarze, K. S. Schellhammer, K. Ortstein, J. Benduhn, C. Gaul, A. Hinderhofer, L. Perdigón Toro, R. Scholz, J. Kublitski, S. Roland, M. Lau, C. Poelking, D. Andrienko, G. Cuniberti, F. Schreiber, D. Neher, K. Vandewal, F. Ortmann, Karl Leo

Über die Computational Nanoelectronics Group: Die Forschungsgruppe am Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed) unter Leitung von Dr. Frank Ortmann erforscht elektronische Eigenschaften und Ladungstransporteigenschaften neuartiger Halbleitermaterialien. Hierbei sind organische Halbleiter aktuell ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Emmy Noether-Programms gefördert wird. Die Gruppe ist seit 2017 am cfaed angesiedelt.
Info: https://cfaed.tu-dresden.de/ortmann-home

cfaed
Zum Exzellenzcluster für Mikroelektronik an der Technischen Universität Dresden gehören elf Forschungsinstitute, darunter die Technische Universität Chemnitz sowie zwei Max-Planck-Institute, zwei Fraunhofer-Institute, zwei Leibniz-Institute und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Auf neun verschiedenen Pfaden forschen rund 300 Wissenschaftler nach neuartigen Technologien für die elektronische Informationsverarbeitung. Sie verwenden dabei innovative Materialien wie Silizium-Nanodrähte, Kohlenstoff-Nanoröhren oder Polymere. Außerdem entwickeln sie völlig neue Konzepte, wie den chemischen Chip oder Herstellungsverfahren durch selbstassemblierende Strukturen, bspw. DNA-Origami. Ziele sind zudem Energieeffizienz, Zuverlässigkeit und das reibungslose Zusammenspiel der unterschiedlichen Bauelemente. Darüber hinaus werden biologische Kommunikationssysteme betrachtet, um Inspirationen aus der Natur für die Technik zu nutzen. Dieser weltweit einzigartige Ansatz vereint somit die erkenntnisgetriebenen Naturwissenschaften und die innovationsorientierten Ingenieurwissenschaften zu einer interdisziplinären Forschungsplattform in Sachsen.
https://cfaed.tu-dresden.de/

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Dresden, 04.07.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2019

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