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FORSCHUNG/447: Wundermittel Licht (forsch - Uni Bonn)


forschspezial 2007 - März 2007
Bonner Universitäts-Nachrichten

Wundermittel Licht

Von Hans T. Rosarius


Licht kann blitzschnell Informationen beschaffen, übertragen, speichern und darstellen: Die Wissenschaft des Lichts - die "Photonik" - verspricht Revolutionen, wie sie die "Elektronik" im letzten Jahrhundert ausgelöst hat.


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Das erste Mal beschäftigte er sich vor etwa 22 Jahren mit der experimentellen Physik in der Schule. Für ein Referat über die Halbleitertechnik probierte er mit Transistoren einige Schaltungen aus. Teilweise mit falschen Spannungen, wodurch Teile der Schaltungen zerstört wurden. Aber aus Fehlern kann man viel lernen, und noch während er die Schule in Georgsmarienhütte besuchte baute er bei Freunden einen Elektromotor zu einem Generator um. Selbstverständlich mit einer selbst gelöteten Steuerung, denn die von einem großen Wasserrad abgegebene Energie sollte in Strom umgewandelt werden. Heute ist er ein weltweit anerkannter Physiker, mit zahlreichen Forschungspreisen und Inhaber des Heinrich-Hertz-Stiftungslehrstuhls der Deutschen Telekom AG für Photonik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Professor Karsten Buse.

Er lehrt und forscht im Bereich der Optik, die als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gilt, denn mit Licht lassen sich Informationen gewinnen, übertragen, speichern und darstellen. Die Laser-Scanner an Supermarktkassen zur Erfassung von Strich-Codes, die optischen Glasfasernetze zur Übermittlung von Daten, CD und DVD als Datenspeicher und Flachbildschirme sind Beispiele für Revolutionen aus der Optik, die Eingang in unser Leben gefunden haben. Die optimale Nutzung des Lichts erfordert allerdings verbesserte Methoden und optische Materialien, die Licht erzeugen, modulieren, leiten oder nachweisen. Daran arbeitet derzeit ein Team von Wissenschaftlern am Heinrich-Hertz-Stiftungslehrstuhl und ermöglicht damit der Optik eine ähnliche Revolution, wie sie die Elektronik Anfang der sechziger Jahre bewirkt hat.


Datenübertragungsrate steigern

Jeder kennt das Morsen als optische Datenübertragung - schon eine Taschenlampe macht das möglich. In Glasfasern wird Licht gefangen und geleitet, so dass das Morsen über lange Distanzen funktioniert. Dabei wird das Licht so schnell ein- und ausgeschaltet, wie es die Elektronik heute erlaubt, etwa 10 Milliarden mal pro Sekunde. Das ist schon ein enormer Wert: 10 Gigabit pro Sekunde. Licht kann aber viel mehr. Es besteht aus verschiedenen Farben, die zum Beispiel ein Prisma zerlegen kann. Leitet man Lichtwellen verschiedener Farbe durch eine Faser und trennt das Licht beim Empfänger, so kann jede Farbe - man spricht auch von Kanälen - Daten übertragen. Damit lassen sich die Übertragungskapazitäten mehr als verhundertfachen, mehr als 1000 Gigabit pro Sekunde werden erreicht. Das Verfahren ist bekannt unter dem Namen "Wellenlängenmultiplexing".


Optische Chips

Bis heute erreicht die Kunden eine Kupferleitung, die nur eine 60.000-fach geringere Datenrate zulässt; die Kupferleitung gilt als Flaschenhals bei der Telekommunikation. Das Glasfasernetz kommt daher jetzt immer dichter an die Kunden. Nötig sind dafür aber optische Komponenten, die zum Beispiel das Licht wie ein Prisma - nur noch genauer - zerlegen, umlenken und manipulieren können. Heute sind solche Komponenten noch so teuer und aufwendig, dass es sich nur für Firmen oder größere Einrichtungen lohnt, einen optischen Anschluss zu realisieren. Das wird sich aber ändern. Genauso wie die Elektronik sich von Elektronenröhren als klobige Komponenten hin zu moderner Mikroelektronik revolutionär entwickelt hat, schreitet jetzt auch in der Optik die Realisierung optischer Chips voran: Vielfältige Funktionalitäten werden auf kleinem Raum vereint.

Realisiert werden optische Chips durch Kristalle, Polymere, Metalle und Gläser, die Mikro- und Nanostrukturen aufweisen. Viel kann man dabei aus der Natur lernen: Die bunten Farben der Schmetterlinge resultieren aus einer Nanostruktur des Materials. Das gleiche Konzept setzt man jetzt ein, um in optischen Chips Licht zu filtern und umzulenken.

Die Bonner Physiker untersuchen diese physikalisch und technisch faszinierenden Eigenschaften des Lichts in Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen wie der Deutschen Telekom AG, Schott und der Bayer AG. Auch fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft an der Universität Bonn eine sogenannte Forschergruppe, die mehrere Professoren und deren Teams vereint, um Licht besser bündeln und kontrollieren zu können. Mehr als 50 Wissenschaftler arbeiten hier zusammen.


Kleine Laser mit großer Leistung

Neben der Übertragung von Informationen mit Licht untersucht Professor Karsten Buse mit seinem Wissenschafts-Team auch die Wechselwirkung intensiven Lichts mit Materie. Die dabei ablaufenden Prozesse sind der Schlüssel zur Erzeugung immer kompakterer und leistungsstärkerer Lichtquellen, insbesondere verbesserter Lasersysteme. Neuartige Laser können in den Bereichen Laser-TV, Materialbearbeitung und Telekommunikation breite Anwendung finden. Auch diese Entwicklungen tragen dazu bei, dass die Optik immer mehr verkleinert und integriert wird.

Bekannt geworden ist die "Lichtverstärkung durch stimulierte Strahlungsaussendung" (Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation) durch Verwendung in der Unterhaltungsbranche, zum Beispiel als Showobjekt, im Bereich der Datentechnik, als CD-Rom und DVD, sowie in fast allen Bereichen der Medizin, Wissenschaft und Industrie. Laser kann man nicht nur verwenden zum Schneiden, Schweißen, Messen, Markieren und Verbrennen sondern auch zur Darstellung und Projektion von Bildern, also als Displays.


Laser für brillante Bilder

Mit Lasern als Lichtquelle können wesentlich brillantere Bilder erzeugt werden als mit Plasma- und Flüssigkristall-Bildschirmen. Der Grund für die brillanteren Bilder ist in der Farbwiedergabe zu finden: Die für das menschliche Auge sichtbaren Farben werden aus Rot, Grün und Blau gemischt. Vergleicht man ein Bild in der Natur mit dem vom Bildschirm wiedergegebenen gleichen Bild, dann ist da noch ein großer Unterschied zu sehen. Nur ein Teil der Farben, die die Natur bietet, werden durch die Bildschirme dargestellt. Mit Laser-Displays lässt sich das dramatisch verbessern: Drei Laser, die rotes, grünes und blaues Licht emittieren, werden so eingestellt, dass die Farben genau am Rand der Farbskala liegen, die das Auge erfassen kann. Durch Mischung dieser Farben lässt sich jetzt jeder Ton darstellen die Bilder sind von realen Objekten nicht mehr zu unterscheiden. Das ist ähnlich wie beim Mischen von Wandfarbe im Baumarkt: Sind die Ausgangsfarben brillanter, dann lassen sich mehr Töne realisieren! Neben der Farbechtheit steht mit Laserdisplays eine weitere Revolution bevor: Digitale Hologramme ermöglichen die dreidimensionale Darstellung von Bildern und Filmen; die Bilder sind "räumlich", wie man es von statischen Hologrammen schon kennt.

Die technische Möglichkeit einer verbesserten Bildwiedergabe mit Hilfe von Lasern ist schon seit Jahren bekannt. Die Lasertechnik war noch nicht so weit und zudem war es sehr aufwendig, Laserlicht zu erzeugen. Die Kosten waren zu hoch und damit war es für die Hersteller unwirtschaftlich, ein solches Produkt auf den Markt zu bringen.

In den letzten Jahren hat es enorme Entwicklungen im Bereich der Festkörperlaser gegeben, infrarotes Laserlicht ist jetzt preiswert mit hoher Effizienz aus sogenannten Laserdioden vorhanden. Die Bonner Forscher haben nun Möglichkeiten gefunden, dieses für Displayanwendungen ungeeignete Licht in seiner Farbe zu verändern, so dass wertvolles rotes, grünes oder blaues Laserlicht zur Verfügung steht. Mehrere Patente wurden angemeldet; die Industrie hat Interesse an Lizenzen, und Prototypen werden zurzeit gebaut.


Karrieresprungbrett für Studierende

In den ersten sechs Jahren des Bestehens des Heinrich-Hertz-Stiftungslehrstuhls haben bereits mehr als 20 Studentinnen und Studenten ihre Diplom- oder Doktorarbeit am Lehrstuhl von Professor Buse abgeschlossen. Die Absolventen haben exzellente Jobs gefunden und konnten häufig zwischen Angeboten auswählen. Firmen haben nach ersten positiven Erfahrungen mit den Absolventen des Stiftungslehrstuhls gleich weitere Absolventen eingestellt. Auch haben die ersten Alumni bereits Karriere gemacht und sind teilweise schon nach wenigen Jahren in der Industrie für Forschungsbereiche mit mehr als 100 Mitarbeitern verantwortlich. Die industrienahe Ausbildung, die auch auf Qualifikationen in der schriftlichen und mündlichen Präsentation von Ergebnissen sehr viel Wert legt, verschafft den Absolventen einen Vorsprung.


Stiftungslehrstuhl bringt nur Vorteile

Ermöglicht wird die praxisnahe Forschung und Lehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität in Bonn durch die Deutsche Telekom AG. 1998 wurde ein Vertrag zur Einrichtung und Finanzierung des Heinrich-Hertz-Stiftungslehrstuhls geschlossen. Der zunächst auf fünf Jahre befristete Vertrag wurde 2004 auf unbestimmte Zeit verlängert. Für die Telekom ist Innovation der Wirtschaftsmotor schlechthin. Die Forschung an der Universität trägt somit zum profitablen Wachstum bei.


In fünf Jahren zehn Patentanmeldungen

"Die enge und vielfältige Zusammenarbeit in den letzten fünf Jahren hat bisher zu zehn Patentanmeldungen geführt", sagt Professor Karsten Buse. "Mit der Deutschen Telekom stehen wir in wöchentlichem Kontakt, beraten bei technischen Fragen oder Investitionen, nehmen an Diskussions- und Strategierunden teil und liefern Beiträge zur Öffentlichkeitsarbeit in Form von Exponaten und der Teilnahme an Messen und Ausstellungen. "Daneben wirkt der Wissenschaftler mit bei der Nachwuchsförderung. Er ist beteiligt an Auswahlgremien die über die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen entscheidet und Stipendien vergibt.

Ein Nachteil der engen Kooperation ist für den 40-jährigen Naturwissenschaftler, dass er etwas mehr Arbeit hat. Im Durchschnitt muss er wöchentlich einen Tag für die Deutsche Telekom einplanen. Dies wiederum sieht Karsten Buse als Vorteil an, denn Einblicke in die Strukturen, Entscheidungsprozesse und Anforderungen eines solchen Konzerns sind extrem spannend. Für die Ausbildung der Studenten erkennen wir so, welches Wissen und welche Fähigkeiten besonders gefragt sind, sagt der Physiker. Ein großer Vorteil ist auch die finanzielle Förderung. Von den Kostenarten sind wir frei in unserem Handeln und ein Teil der Gelder ist zwischen den Haushaltsjahren übertragbar. Also Vorteile über Vorteile, die man bei herkömmlichen Lehrstühlen nicht so schnell findet.


Hans T. Rosarius (56) arbeitet seit 2000 als freier Journalist in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Medizin, Arbeitsschutz, Sicherheitstechnik, Strahlen- und Umweltschutz, Kraftfahrwesen und Verkehrssicherheit. Zuvor war der Diplom-Ingenieur in verschiedenen Bereichen und zuletzt als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für den Verband der Technischen Überwachungsvereine (TÜV) tätig.


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Quelle:
forschspezial - Bonner Universitäts-Nachrichten, März 2007, Seite 18-21
Herausgeber:
Rektorat und Senat der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
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forsch erscheint viermal pro Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2007