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FORSCHUNG/505: Kaltes Licht im Glasring (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 18. April 2008

Kaltes Licht im Glasring

Eine effektive Form der Laserkühlung eignet sich auch für mesoskopische Objekte und soll deren Quantennatur aufdecken


Tennisbälle gehorchen den Gesetzen der klassischen Physik, Atome jenen der Quantenmechanik. So weit, so gut. Aber wie klein muss ein Ding sein, um quantenmechanische Eigenschaften an den Tag zu legen? Das Team von Tobias Kippenberg des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching kann nun testen, ob Objekte von einigen Mikrometer Größe schon unter das Quantenlimit fallen. Die Physiker haben nämlich gezeigt, dass sich Mikroresonatoren, winzige Speicherringe für Licht, mit Hilfe der aufgelöste Seitenband-Kühlung abkühlen lassen. Diese Methode nutzen Forscher weltweit bereits, um Atome im Quantengrundzustand einzufrieren. Gelingt das den Garchinger Wissenschaftlern nun auch mit den Mikroresonatoren, ist deren Quantennatur bewiesen. Die Kühlung kann zudem dazu beitragen, technische Verfahren wie die Raster-Kraft-Mikroskopie zu verbessern. (Nature Physics Advance Online Publication, 13. April 2008)


Die Forscher um Tobias Kippenberg arbeiten mit gläsernen Mikrotorroiden - Glasringe, die rund 60 Mikrometer messen, aber immerhin aus rund 100 Billionen Molekülen bestehen. Daher gehören diese Mikroresonatoren zu den mesoskopischen Objekten. Sie schließen die die Lücke zwischen makroskopischen Objekten, die der klassischen Physik unterliegen, und den mikroskopischen Objekten, die ins quantenmechanische Regime fallen. An ihnen lassen sich also die Grenzen zwischen beiden physikalischen Welten austesten. Dieses Ziel verfolgen die Garchinger Physiker mit ihren Glasringen und haben dorthin jetzt einen wichtigen Schritt gemacht: Sie haben die Mikroresonatoren mit einer besonders effektiven Methode gekühlt, mit der sich prinzipiell das Quantenlimit lässt.

Ein Glasring, wie ihn die Garchinger Physiker untersuchen, schwingt kaum merklich, weil er selbst bei sehr tiefen Temperaturen noch thermische Energie besitzt. Er weitet sich also und zieht sich pulsierend wieder zusammen. Wenn alle anderen Kühlmethoden ausgeschöpft sind, lässt er sich jedoch optisch kühlen, da er von extrem hoher optischer und mechanischer Güte ist: Laserlicht, das durch den Ring läuft, übt eine Kraft auf den Ring aus. Die Photonen, die Lichtteilchen, übertragen nämlich einen Teil ihrer Bewegungsenergie auf den Glasring. Geschickt eingesetzt dämpft diese Kraft die Schwingung - eine Idee, die der russische theoretische Physiker Vladimir Braginski bereits in den 1970er Jahren formulierte.


Glasringe in der Quantenkühlung

Wie die Max-Planck-Forscher nun gezeigt haben, lässt sich auch eine ausgeklügelte Verfeinerung dieser Technik auf die Mikroresonatoren anwenden: die aufgelöste Seitenband-Kühlung. "Objekte von dieser Größe wurden bislang noch nicht auf diese Weise gekühlt", sagt Albert Schließer, der an den Arbeiten maßgeblich beteiligt war. Bislang stellen Physiker auf diese Weise nur mikroskopische Teilchen wie Atome und Ionen kalt.

"Anders als mit der gewöhnlichen Laserkühlung können wir mit dieser Methode prinzipiell den Quantengrundzustand erreichen", erklärt Tobias Kippenberg, in dessen Gruppe Schließer forscht. In diesem Zustand dürfte der Glasring nur noch so stark schwingen, wie es die Heisenberg'sche Unschärfe vorgibt. Sie verbietet, dass ein Objekt der Quantenmechanik völlig still steht - dann nähme der Ring nämlich einen scharf bestimmten Zustand ein. "Wenn wir jetzt einen Mikroresonator bis zum Quantengrundzustand kühlen können, beweisen wir, dass auch mesoskopische Objekte der Quantenmechanik unterliegen", sagt Tobias Kippenberg.

Das Prinzip der aufgelösten Seitenband-Kühlung lässt sich am besten am Beispiel eines Ions erläutern, das in einer elektromagnetischen Falle eingesperrt ist und Laserlicht absorbiert. Prinzipiell nimmt ein Ion nur Licht bestimmter Farben auf, so dass in seinem Spektrum charakteristische Linien zu sehen sind. Neben jeder dieser Hauptlinien treten jedoch Satteliten auf, so gennante Seitenbänder. Sie entstehen, weil das Ion wie der Glasring der Garchinger Physiker thermische Energie besitzt und schwingt, und zwar auch in Richtung des eingestrahlten Lichts. Aufgrund des Doppler-Effekts sieht es das Licht dann mal bei höherer und mal bei niedrigerer Energie, und absorbiert entsprechend verschobenes Licht. Wie weit die Sattelitenlinien vom Zentrum der Absorption verschoben sind, hängt von der Schwingungsfrequenz des Ions ab.


Schwingungen leisten Energietransfer

Die Sattelitenlinien bieten Physikern nun einen Ansatzpunkt, um dem schwingenden Ion allmählich sämtliche thermische Energie zu entziehen: Sie strahlen nämlich Licht auf das Ion, dessen Farbe der energieärmeren Seitenband entspricht. Das Ion nimmt dieses Licht zwar auf, gibt aber meistens Licht höherer Energie ab - nämlich das seiner Hauptlinie. Die Energiedifferenz zwischen aufgenommenem und abgegebenem Licht gleicht es mit Energie aus seiner Schwingung aus. Letztere schrumpft somit langsam - das Ion wird gekühlt. Sobald das Ion sämtliche Schwingungsenergie aufgebraucht hat, ist es im Grundzustand angelangt. Das geht aber nur unter einer Bedingung: Die Zeit, die zwischen Aufnahme und Abgabe des Lichts vergeht, muss länger sein als die Zeit, die das Ion für eine Schwingung braucht. Dann sind die Seitenbänder klar von der Hauptlinie unterscheidbar, sie werden aufgelöst.

In den Mikroresonatoren, die die Wissenschaftler in den Reinräumen der Gruppe von Kotthaus an der Ludwig-Maximilians-Universität München herstellen, passiert etwas ganz ähnliches: Auch sie nehmen Licht für kurze Zeit auf und geben es wieder ab. Und auch von den Glasringen lässt sich ein Absorptionsspektrum aufzeichnen, da sie nur Licht bestimmter Farbe speichern. Nämlich solches, das in dem Ring eine nahtlose Welle formt. Zu diesen Wellenlängen gibt es ebenfalls Satteliten: Weil sich der Ring pulsierend weitet und zusammenzieht, passt nicht immer Licht der gleichen Wellenlänge nahtlos in ihn hinein. "Wenn wir Licht von der Wellenlänge einer Sattelitenlinie niedrigerer Energie in den Ring einspeisen, dämpfen wir die Schwingung des Mikroresonators und kühlen ihn so", sagt Albert Schließer. Denn der Glasring gibt dann auch Licht höherer Energie ab als er aufgenommen hat und gleicht die Differenz mit Schwingungsenergie aus.


Quantenlimit als Ziel

Analog zum Ion in der Falle funktioniert das aber nur, wenn das Licht länger im Glasring gespeichert wird als eine seiner Schwingungen dauert. "Nur dann überwiegt der Kühleffekt einen konkurrierenden Effekt, der den Resonator erwärmt", erklärt Schließer: Denn die Kraft der Photonen fluktuiert leicht, weil nicht gleichmäßig viele Lichtteilchen auf die Wand des Glasrings treffen. Sie versetzen dem Ring also zufällige Stöße und heizen ihn so auf. Aus der Perspektive des Glasrings ist das Licht desto kälter, je besser es gelingt diesen Effekt zu unterdrücken. Und genau das passiert beim aufgelösten Seitenband-Kühlen.

Wie weit sie den Resonator abgekühlt haben, messen die Wissenschaftler mit einem zweiten Laser, der die Schwingung des Rings auf Attometer genau festhält - das ist 100 Millionen Mal kleiner als der Durchmesser eines Wasserstoffatoms. Mit diesem Instrument wollen die Wissenschaftler auch feststellen, ob sie den Quantengrundzustand erreichen. "Das ist jedenfalls unser nächstes Ziel", sagt Tobias Kippenberg.
[PH / OM]


Originalveröffentlichung:
Albert Schliesser, Rémi Rivière, Georg Anetsberger, Olivier Arcizet und Tobias J. Kippenberg
Resolved Sideband Cooling of a Micromechanical Oscillator
Nature Physics Advance Online Publication, 13. April 2008, DOI 10.1038/nphys93


Weitere Informationen erhalten Sie von:
Albert Schließer
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Laboratory for Photonics,
Garching
Tel.: +49 89 32905-264
E-Mail: albert.schliesser@mpq.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation C / 2008 (84), 18. April 2008
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2008