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ENERGIE/1048: Zuverlässigere Messungen für Planung und Betrieb von Windenergieanlagen und -parks (idw)


Universität Bremen - 16.01.2013

Sichere, zuverlässigere Messungen für Planung und Betrieb von Windenergieanlagen und -parks

Neue Standards und mehr Effizienz in der Windindustrie soll mit den Forschungen im Projekt "Rückführbare Erfassung meteorologischer Messdaten" an der Universität Bremen erreicht werden.



Eine von vielen Störungen: Auf der Suche nach Beute lässt sich ein Greifvogel nieder - genau auf dem Windmesser (Anemometer) an der Spitze eines Messturmes, und schon passen die Messwerte nicht mehr. Was für Laien aussieht wie drei rotierende Eierbecher, ist für Vögel ein hervorragender Landeplatz und für Windparkbetreiber eines von zahlreichen, hochsensiblen Messinstrumenten zur Erfassung meteorologischer Daten für die Ertragsberechnungen von Windrädern und -parks. Viele Faktoren beeinflussen die Erhebung und Übermittlung der Messdaten. Bremer Uni-Wissenschaftler und ihre Forschungspartner wollen hier künftig für mehr Sicherheit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit sorgen.

Vögel sollen schon sicher landen dürfen. Ihnen droht dabei auch keine Gefahr, doch auch die Messwerte müssen stimmen. Egal ob Sturm, Schnee, Eis, Montagefehler oder sich lockernde Spannseile am Messmast - die Technik muss unzähligen Herausforderungen gerecht werden, und das gelingt in diesem Bereich bisher nur bedingt. Abhilfe sollen da nun neue Forschungen schaffen.

Initiator und Koordinator des insgesamt 1,74 Millionen Euro umfassenden Verbundprojektes "Rückführbare Erfassung meteorologischer Messdaten" (RealMe) ist das Bremer Institut für Messtechnik, Automatisierung und Qualitätswissenschaft (BIMAQ) der Universität Bremen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) fördert die auf drei Jahre angelegten Arbeiten mit knapp 1,1 Millionen Euro. Heute, 16. Januar, kommen die Projektpartner BIMAQ, Deutsche WindGuard Wind Tunnel Services GmbH (Varel), Ammonit Measurement GmbH (Berlin) und Adolf Thies GmbH & Co. KG (Göttingen) zum Auftakttreffen in Berlin zusammen.


"Schon dreiprozentige Messwertabweichung kann zu siebenstelligen Verlusten führen"

Das Windenergiepotenzial ist das entscheidende Kriterium für die Beurteilung eines Standortes für Windenergieanlagen (WEA) und Windparks. Die wesentlich auf der Basis meteorologischer Daten erstellten Standortgutachten zu den Ertragsprognosen bilden zudem die Grundlage für die Finanzplanung von Windenergieprojekten.

Um eine WEA oder einen Windpark richtig planen und effizient betreiben zu können, bedarf es im Vorfeld schon mindestens zwölfmonatiger, umfangreicher, akkurater und lückenloser Messungen unter anderem von Windgeschwindigkeit und -richtung, Luftdruck, relativer Luftfeuchtigkeit sowie der Temperatur. Die entsprechenden Sensoren, Instrumente und Systeme für die Erfassung dieser meteorologischen Daten sind an bis zu 200 Meter hohen Messmasten installiert. Die finden sich in aller Welt in fast allen Klimaregionen zumeist fernab von Straßen und Stromleitungen an exponierten Stellen frei in der Landschaft.

Ob an der stürmischen schottischen Küste, in heißen spanischen Sonnentälern, in den eisigen Bergregionen der Alpen, ob in China oder auf Kuba - die Messsysteme sind in der Regel schwer zugänglich und enormen Belastungen ausgesetzt. Das wirkt sich auf die Zuverlässigkeit der Sensoren und die Qualität der Messdaten aus. Doch trotz der unwirtlichen Bedingungen vor Ort müssen die Daten zuverlässig und mit geringsten Messunsicherheiten erfasst sowie sicher transportiert werden können. Nur so lässt sich der Energieertrag möglichst präzise berechnen. "Schon die kleinste Messwertabweichung von zum Beispiel nur drei Prozent bei der Bestimmung der Windgeschwindigkeit kann bei den oft achtstelligen Investitionssummen für neue Windparks zu wirtschaftlichen Verlusten in siebenstelliger Höhe führen", sagt BIMAQ-Wissenschaftler und RealMe-Projektkoordinator Dipl.-Ing. Michael Sorg. "Investoren, Projektierer, Betreiber, Banken und Versicherungen verlangen nach zuverlässigeren Zahlen, denn sie wollen und müssen die Risiken minimieren."


Vom Kalibrieren der Instrumente und Erfassen der Werte bis zum Übertragen der Daten

In den folgenden drei Jahren werden sich die RealMe-Partner im Wesentlichen mit vier Themenfeldern beschäftigen und Lösungen zu diesen drängenden Problemen liefern:

Rückführbarkeit garantieren

Die sogenannte "Rückführbarkeit" der Daten muss garantiert sein. Das heißt, die Werte müssen auf der Basis international genormter Maße (SI-Einheiten) erhoben beziehungsweise auf diese eindeutig zurückzuführen sein, also den Normen entsprechen, mögliche Messabweichungen berücksichtigen und kalkulieren. Ein wichtiges Thema ist daher das Kalibrieren der Instrumente. Auch ergänzende Sensoren und eingebettete Systeme sollen hier künftig für höchste Präzision sorgen.

Plausibilität prüfen

Die Messdaten müssen durchgängig plausibel sein. Der zum Beispiel kurze Besuch des nach Beute suchenden Greifvogels oder die zwischenzeitliche Vereisung der Instrumente dürfen die Messreihen nicht unbemerkt beeinflussen und zu falschen Werten führen. Plausibilitätsprüfungen und -berechnungen sowie weitere Kontrollinstrumente zur Erfassung der Umweltbedingungen wie Eissensoren und zur Überprüfung des Messsystems selbst sollen hier Abhilfe schaffen.

Datenübertragung gewährleisten

Die sichere, direkte, unmittelbare Übertragung der Messdaten soll ohne die Möglichkeit jeglicher Manipulationen gesichert werden. Entsprechend sollen die Werte künftig bereits direkt am Sensor und vor der Übertragung geschützt auch durch eine digitale Signatur über eine Online-Verbindungen übertragen werden können. Das wird möglich durch mikroelektronische, in die Sensoren integrierte Schaltungen und miteinander vernetzte, digitale Systeme.

Energieversorgung sichern

Neue, technische Lösungen einer ortsunabhängigen Energieversorgung sollen künftig den lückenlosen Betrieb der Messeinrichtungen gewährleisten und so die langfristige Verfügbarkeit der Messdaten sicherstellen. Hierzu sollen neben dem Einsatz besonders stromsparender Schaltungen auch Methoden des Energy Harvesting, also die die Gewinnung von elektrischer Energie aus vor Ort verfügbaren Quellen wie Umgebungstemperatur, Vibrationen oder Luftströmungen betrachtet werden.


Deutschlandweit einzigartige Forschungsinfrastruktur und ein nahezu ideales Testumfeld

Um diese Ziele zu erreichen und somit auch neue Standards zu schaffen, entwickeln die Projektpartner beispielsweise Sensoren weiter, und sie erforschen und entwickeln integrierte Systeme (Embedded Systems). Dafür haben sie unter anderem mit der Forschungs-WEA "Uni Bremen" sowie den Windkanälen von WindGuard zur Kalibrierung der Sensoren eine deutschlandweit einzigartige Forschungsinfrastruktur und ein nahezu ideales Testumfeld.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution59

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bremen, Eberhard Scholz, 16.01.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2013