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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/1348: Aufbruch in die Exaflops-Welt - Supercomputer "Frontier" in den USA (idw)


Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf - 07.10.2019

Aufbruch in die Exaflops-Welt: Experten des HZDR helfen, den Supercomputer "Frontier" in den USA hochzufahren


Der weltweit schnellste Supercomputer entsteht derzeit im US-Bundesstaat Tennessee: Die Unternehmen Cray und AMD installieren ihn bis zum Jahr 2021 im Auftrag des US-Energieministeriums am Oak Ridge National Laboratory. Dank einer innovativen Grafikprozessor-Architektur soll "Frontier" über eineinhalb Trillionen Fließkomma-Rechenaufgaben pro Sekunde lösen können. Er stößt damit als wohl erster Rechner in die Exaflops-Klasse vor. Physiker des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) werden zu den ersten Nutzern gehören. In Zusammenarbeit mit der Projektleiterin Prof. Sunita Chandrasekaran von der University of Delaware wollen die Dresdner wissenschaftliche Pilotaufgaben entwickeln.

Die amerikanisch-sächsische Zusammenarbeit baut dabei auf dem Vertrauen auf, das sich die Dresdner mit ihrer Erfahrung in Teilchen-Simulationen sowie mit der Supercomputer-Programmierung international erworben haben. "Frontier wird eine Schallmauer durchbrechen", schätzt Dr. Michael Bussmann, Leiter der Abteilung "CASUS - Center for Advanced Systems Understanding" am HZDR ein. "Wir können stolz darauf sein, dass uns die Kollegen aus Oak Ridge eingeladen haben, sie auf diesem Weg ins wissenschaftliche und technologische Neuland zu begleiten", betont Dr. Guido Juckeland, der im HZDR die Abteilung für computergestützte Wissenschaft leitet und ebenso wie Michael Bussmann zum Frontier-Team gehört.

Verbesserungsvorschläge in Oak Ridge ausdrücklich erwünscht

Um ihren neuartigen Supercomputer rasch für die Wissenschaft nutzbar zu machen, haben die Amerikaner ein "Center for Accelerated Application Readiness" (CAAR), auf Deutsch: "Zentrum für beschleunigte Anwendungsbereitschaft", eingerichtet. Die zuständige "Oak Ridge Leadership Computing Facility" (OLCF) des US-Energieministeriums hat nun acht Expertengruppen aus aller Welt eingeladen, in der Startphase von Frontier mitzuhelfen. Jede Gruppe soll Simulationen zum Laufen bringen, die so nur an einem Supercomputer der Exaflops-Klasse möglich sind. Zugleich soll die jeweilige Simulation ein besonders herausforderndes, wissenschaftliches Problem lösen helfen. Eines dieser Teams ist der Verbund der University of Delaware und des HZDR.

Die US-Kollegen haben diese internationalen Kooperationen auch deshalb erbeten, weil ihr Frontier ein paar Besonderheiten hat. Dazu gehören dessen digitale Bausteine: Erstmals kommen für einen Hochleistungsrechner dieser Größenordnung Grafikprozessoren des US-Unternehmens AMD zum Einsatz. Sie gelten zwar in der Welt der normalen PCs als sehr leistungsstark. Allerdings gibt es weltweit keine Erfahrungen damit, Exaflops-Supercomputer aus diesen speziellen Chips zu bauen. Die Dresdner Experten sollen dabei helfen, die zu erwartenden Anfangsprobleme in den Griff zu bekommen.

Grenzen zwischen Intel, AMD und Nvidia überwinden

Denn die HZDR-Forschungsgruppe um Michael Bussmann hat über Jahre hinweg eine besondere Expertise für wissenschaftliche Software entwickelt. Mit ihren maßgeschneiderten Programmen können die Forscher das Zusammenspiel von Ionen und anderen winzigen Teilchen an Neutronensternen oder in Superlaser-Experimenten besonders effizient simulieren - und das auf Supercomputern mit sehr verschiedenen Bauweisen. Ihre Software-Pakete "PIConGPU" ("Partikel-Simulationen in Zellen auf Grafikprozessoren") und "Alpaka" gelten dabei als wegweisend. "Durch unsere Codes laufen solche Simulationen auf ganz unterschiedlichen Hardware-Plattformen sehr effizient", schätzt Bussmann ein. Ihre Programmbibliotheken haben die HZDR-Forscher bereits an Hochleistungsrechner angepasst, die mit Intel-, AMD- oder ARM-Hauptprozessoren rechnen oder aus Nvidia-Grafikprozessoren gebaut sind. Für Frontier optimieren sie ihre Software nun für Supercomputer aus AMD-Grafikchips - dies ist technologisches Neuland.

Die HZDR-Simulationssoftware "PIConGPU" soll aktuelle Fragen in der Beschleunigerphysik beantworten. So arbeiten Dr. Alexander Debus und Dr. Thomas Kluge vom Institut für Strahlenphysik des HZDR an innovativen Konzepten für Hochintensitäts-Laser, mit denen sich leichte Elektronen und schwere Ionen weit effizienter und raumsparender beschleunigen lassen als es die heutigen Linear- und Ringbeschleuniger vermögen. Dabei können die lasergetriebenen Plasmabeschleuniger im Labormaßstab die maximale Elektronen-Energie kilometerlanger Linearbeschleuniger erreichen.

Kompakte Beschleuniger gegen Krebs

"Wir denken, dass wir damit Strahl-Energien jenseits von zehn Giga-Elektronenvolt in einem Durchgang erreichen können, ohne den Elektronenbeschleuniger mehrfach neu ansetzen zu müssen", erklärt Debus. "In Simulationen wollen wir zeigen, dass wir die alten Beschränkungen überwinden können. Dafür sind aber sehr leistungsfähige Rechner wie Frontier notwendig." Per Supercomputer möchten Debus und Kluge die komplexen physikalischen Phänomene während solch eines langen Beschleuniger-Durchlaufs untersuchen. Auch der erste Prototyp der neuen Laser-Beschleuniger wird zunächst in der virtuellen Supercomputer-Welt gebaut, bevor die Konstruktion in der physischen Welt startet. Denkbare Einsatzfelder für solche lasergetriebenen Ionen- und Elektronenbeschleuniger sind zum Beispiel die Behandlung von Krebserkrankungen mittels Protonentherapie, die Teilchenforschung oder auch die Astrophysik.


Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter - davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.

Weitere Informationen unter:
https://www.hzdr.de/presse/frontier

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution222

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, 07.10.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2019

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