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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/616: Software, die sich selbst konfiguriert (idw)


Fraunhofer-Gesellschaft - 04.11.2009

Software, die sich selbst konfiguriert


Am 27.10.2009 wurde erstmals das Projekt RT-Describe - Iterative Design Process for Self-Describing Real Time Embedded Software Components" der deutschen Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik ESK und des französischen Instituts Carnot CEA LIST vorgestellt. RT-Describe ist eines von elf ausgewählten Projekten, das eine Förderung aus dem Programm Inter Carnot-Fraunhofer (PICF) erhält. In den nächsten drei Jahren werden die Wissenschaftler die Entwicklung von Software für eingebettete Systeme, z.B. im Fahrzeug, verbessern.

Vier Räder, eine Karosserie, ein Motor - das war einmal. Rund 60 Prozent der Fahrzeugfunktionen sind heute durch den Einsatz von Elektronik bestimmt. Im modernen Automobil sind bis zu 70 Minicomputer eingebettet, sogenannte Steuergeräte, die über Bussysteme miteinander verbunden sind. Die umfangreiche Elektronikausstattung macht das elektrische Bordnetz zum drittschwersten Bauteil und wirkt sich durch den hohen Strombedarf direkt auf den Kraftstoffverbrauch aus.

Die Wissenschaftler der Fraunhofer ESK haben bereits im Projekt DynaSoft eine neue Software-Architektur für automobile Steuergeräte entwickelt, mit der Hersteller trotz zunehmender Funktionsvielfalt sogar weniger Steuergeräte einsetzen können. Die vorhandenen Steuergeräte werden kontextsensitiv mit Softwarekomponenten beladen. Momentan nicht benötigte Funktionen bleiben inaktiv, womit Ressourcen eingespart werden können. Bei Änderungen der Fahrsituation, z.B. dem Wechsel vom Autobahn- zum Stadtverkehr, erfolgt eine selbständige Rekonfiguration der Softwarekomponenten. RT-Describe setzt diese Entwicklung fort. Damit sich das System optimal auf die aktuelle Situation einstellen kann, nutzt es eine Selbstbeschreibung der Steuergeräte im Fahrzeug. Welche Informationen genau benötigt werden und wie schnell das System sich auf neue Situationen einstellt, ist Teil des Projektes. Das Projekt RT-Describe wird von den Innovationsclustern BICC-Net und System@tic Paris-Region unterstützt.

Das Labor LISE des CEA LIST steuert für das gemeinsame Projekt seine Kompetenz in der modellbasierten Entwicklung eingebetteter Echtzeitsysteme bei. Genutzt wird eine Kombination der Modellierungssprache UML mit den Sprachen MARTE und SysML, eine Kombination wie sie im industriellen Umfeld üblich ist. Die Forscher integrieren die Simulationswerkzeuge der Fraunhofer ESK in das von LISE entwickelte UML-Modellierungswerkzeug Papyrus, einer Open Source Software, und konstruieren so Codegeneratoren für Software mit Selbstbeschreibungsfunktionen.

Den Wissenschaftlern ist besonders wichtig, dass die Datenmenge der Selbstbeschreibung möglichst gering gehalten wird, um eine schnelle Reaktionszeit zu ermöglichen. Deswegen haben sie sich für einen iterativen Entwurfsprozess entschieden, mit dem sie sehr fein abstimmen können, welche Informationen wirklich benötigt werden. Die Beschränkung auf das Notwendige verringert nicht nur die Reaktionszeit, sondern minimiert auch die Fehleranfälligkeit.

Da die angestrebte Softwarearchitektur die Selbstbeschreibung der Steuergeräte zur Steuerung nutzt, wird es künftig einfacher, nachträglich neue Geräte in das System Fahrzeug zu integrieren. Nach dem Einbau müssen diese nur noch eine Selbstbeschreibung an das System schicken und der Anwender kann die neuen Funktionen und Geräte nutzen, als wären sie schon immer vorhanden gewesen.

Steigende Komplexität der Software und des Kommunikationsbedarfs zwischen eingebetteten Systemen betrifft nicht nur die Automobilbranche. Selbstbeschreibende, eingebettete Systeme sind überall einsetzbar wo es gilt, die Vielschichtigkeit von vernetzten Funktionen, unter Einhaltung von Zeitbedingungen und Vorhersagbarkeit des Prozessverhaltens, zu reduzieren.


PICF geht in die zweite Runde

Kontakte zu französischen Spitzenforschern, gemeinsame Industrieaufträge, erfolgreiche Kooperationen: Davon erzählen Fraunhofer-Forscher, die an den ersten Kooperationsprojekten mit der Association des Instituts Carnot (AIC) beteiligt waren. Die Zusammenarbeit der Fraunhofer-Gesellschaft mit der französischen Organisation für angewandte Forschung wurde nun in einer zweiten Runde intensiviert. "Wir wollen langfristig in Frankreich Fuß fassen", erklärt Volker Tippmann aus der Forschungsplanung der Fraunhofer-Gesellschaft. 2007 startete die Kooperation mit der AIC, die 12 800 Wissenschaftler in 33 Forschungsinstituten zählt.

Nachdem das deutsche und das französische Forschungsministerium im Sommer 2008 grünes Licht für die Fortsetzung der Zusammenarbeit gegeben hatten, setzte eine bilaterale Arbeitsgruppe, unter Beteiligung der Fraunhofer-Gesellschaft, ein umfassendes Förderprogramm auf: Auswahlverfahren und Gutachtergremium wurden gemeinsam festgelegt. Die operative Abwicklung liegt bei der Fraunhofer-Gesellschaft und der Agence Nationale de la Recherche (ANR). "Auf die Ausschreibung vom letzten November erhielten wir 79 Anträge", berichtet Tippmann. "Sie wurden in einem Peer-Review Prozess von zwei externen Gutachtern evaluiert. " Hauptkriterien bei der Auswahl waren: die wissenschaftliche Exzellenz, die Erfolgsaussichten auf dem Markt und das Potenzial für eine langfristige Zusammenarbeit.


CEA LIST, LISE

Das Carnot Institut CEA LIST ist eines von drei Nicht-Nuklearen Instituten für angewandte Forschung der CEA. Es sind über 600 Wissenschaftler beschäftigt (400 CEA Mitarbeiter). Angewandte Forschung bedeutet, dass der größte Teil der Fördergelder aus Projekten stammt, die Verwaltung des geistigen Eigentums wichtig ist und ein Technologietransfer stattfindet. CEA List ist Mitglied des Clusters System@tic Paris-Region.

Das CEA LIST Labor LISE wird von Francois Terrier geleitet und zeigt besondere Kompetenz in der Entwicklung modellbasierter eingebetteter Echtzeitsysteme. Genutzt wird eine Kombination der Modellierungssprache UML mit dedizierten Sprachen wie MARTE. Es arbeiten rund 35 Personen im Labor, davon 19 Festangestellte, 8 Doktoranten und 8 Wissenschaftler. CEA List ist wesentlich an der Entwicklung des Profils MARTE, Modeling and Analysis of Real-Time Embedded Systems, beteiligt. Die Expertise umfasst Modellierung, Codegenerierung und Validierung. Durch ihre Mitarbeit an branchenspezifischen Projekten (z.B. ATTEST, ATTEST2 und EDONA) und der Zusammenarbeit mit verschiedenen Industriepartnern (z.B. PSA, Renault, Continental und Volvo) weist das LISE eine große Expertise in der Automobilbranche auf, ist jedoch nicht darauf fokussiert.

www.list.cea.fr/gb/index.htm


Die Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik ESK

Die Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik ESK forscht anwendungsorientiert an Informations- und Kommunikationssystemen. Die Forschungsthemen werden im Schwerpunkt Self-Organizing Communication gebündelt, der die Geschäftsfelder Automotive, Enterprise & Carrier Communication und Industrial Communication verbindet. Die Forschungskompetenzen werden in den Kompetenzfeldern Adaptive Communication Systems und Software Methodology gebündelt.

www.esk.fraunhofer.de

Weitere Informationen unter:
http://www.esk.fraunhofer.de/press/pm0911RTDescribe.jsp

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution96


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Gesellschaft, Fraunhofer ESK, 04.11.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2009