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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/810: Das Internet der Dinge ist auf dem Vormarsch (idw)


Münchner Kreis - 07.05.2013

Das Internet der Dinge ist auf dem Vormarsch



Vom Stromzähler und dem Auto bis zur Kuhglocke: Immer mehr Geräte und Alltagsdinge werden mit Prozessoren, Sensoren und Kommunikationseinheiten ausgestattet. Verbunden mit Internet-Diensten können sie ihren lokalen Kontext erkennen, sich untereinander vernetzen und mit uns Menschen interagieren. Die enge Verknüpfung von digitaler und physischer Welt ermöglicht völlig neue Anwendungen mit weitreichenden ökonomischen und gesellschaftlichen Potenzialen. Die Anforderungen an die zugrunde liegende Technik und an Planung und Management der so genannten Machine-to-Machine-Communication (M2M) sind allerdings hoch und bergen auch Risiken.

Der MÜNCHNER KREIS hat auf einer Fachkonferenz mit rund 170 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik aktuelle und zukünftige Geschäftsmodelle sowie gesellschaftliche Auswirkungen des Internet der Dinge diskutiert. "M2M war lange Zeit eine Zukunftsvision, hieß Ubiquitous Computing, Pervasive Computing und Ambient Intelligence. Jetzt wird M2M als Internet der Dinge Realität. Dabei geht es nicht nur um preiswerte und energiesparende Hardware und adäquate Kommunikationsprotokolle, sondern vor allem darum, das immense Effizienzpotenzial für die Bewältigung der großen, vor uns liegenden gesellschaftlichen Herausforderungen zu heben", erklärte Prof. Jörg Eberspächer, Vorstand des MÜNCHNER KREIS. Im Unterschied zur reinen Übertragung von Messwerten setzt man beim Internet der Dinge von vornherein auf eine möglichst nahtlose und vollständige Integration von Hardware, Diensten, Architekturprinzipien und Standards, die sich in den letzten Jahren um das World Wide Web herum gebildet haben. "Gegenstände erhalten ihre eigene Internet-Adresse und können auf Basis von Internetprotokollen miteinander interagieren. Dabei lassen sich die Smarten Dinge beispielsweise über den Web-Browser oder eine Anwendungssoftware kontrollieren und steuern", sagte Prof. Uwe Kubach, Vice President M2M Engineering bei SAP. In der Industrie helfen die winzigen Systeme aus Sensoren, Prozessoren, Speicher und vernetzter Software, die Fertigung zu optimieren, Energie zu sparen und die Produktion auf die individuellen Wünsche der Kunden abzustellen.

"Für die Produktion bedeutet die Vernetzung der Dinge vor allem mehr Flexibilität und Agilität. Durch den Datenaustausch zwischen Maschinen, Produkten, Werkstücken und Systemen kann die Fabriksteuerung flexibel an sich ändernde Anforderungen angepasst werden", erklärte Dr. Stefan Ferber, Director Communities & Partner Networks bei Bosch Software Innovations. So können Unternehmen die Produktionsprozesse dynamisch an die Auftragssituation anpassen, um vorhandene Kapazitäten und Ressourcen optimal zu verteilen. Selbst kleinste Stückzahlen können auf diese Weise bei höchster Produktivität stark individualisiert werden. Was für viele noch wie Zukunftsmusik klingt, findet heute schon statt. Warenwirtschaftssysteme, Maschinendatenbanken und Personalplanung werden verknüpft und aufeinander abgestimmt.

Die Vielzahl der Anwendungsfelder für urbane M2M Kommunikation wird heute unter dem Begriff Smart Cities zusammengefasst. Diese Anwendungen reichen von der Fahrzeug- und Flottensteuerung über Parkplatz- und Parkscheinautomatenkontrolle bis hin zur Echtzeitüberwachung von Gebäuden, Anlagen und Verkehr. "Doch solche Systeme sind heute meist geschlossen, und die gesammelten Daten sind meist nur für speziell dafür vorgesehene Anwendungen und Nutzergruppen verfügbar. Dieses Silo-Denken hemmt das Innovationspotenzial, welches in diesem Bereich schlummert", sagte Dr. Sebastian Wahle, Leiter M2M Solutions beim Fraunhofer-Institut FOKUS. Wahle stellte auf der Konferenz offene Experimentalumgebungen und Prototypen seines Instituts vor, mit denen neue Konzepte erprobt und deren Potenzial sichtbar gemacht werden.

Daneben finden sich M2M-Anwendungen heute bereits in den Bereichen Logistik, eEnergy, Smart Home, Facility Management, Smart Metering und eHealth. Und es drängen neue, leistungsfähige Anwendungen und Vernetzungen in weitere Bereiche des täglichen Lebens. Mit Blick auf zukünftige Mobilitätslösungen stellte Dr. Christoph Grote, Geschäftsführer der BMW Forschung und Technik GmbH, auf der Konferenz heraus, dass Cloud Services deutlich an Bedeutung gewinnen werden. Beispiele hierfür sind ein vorausschauendes Energiemanagement, eine Reichweitenanalyse für Elektrofahrzeuge aber auch eine intelligente Verkehrsführung in Echtzeit. "Voraussetzung für eine Effizienzsteigerung und für eine Vielzahl weiterer, sogenannter Location-Based-Services sind aktuelle und qualitativ hochwertige Daten, die mittels Crowd-Sourcing erfasst und verarbeitet werden", so Grote. "Neue Chancen ergeben sich, je mehr Datenquellen aus unterschiedlichen Industrien an eine übergreifende Plattform angebunden und dort verarbeitet werden, wobei eine besondere Herausforderung darin besteht, die bereitgestellten Daten zu harmonisieren und einheitliche Qualitätsmaßstäbe festzulegen." Das Internet der Dinge kann dabei eine zentrale Rolle spielen. Unsicher ist nur noch, welche Branche diese wichtige integrative Funktion erfüllen wird. Für zukunftsweisende Mobilitätssysteme wären Automobilhersteller, Verkehrsverbünde, Bahnen und Airlines, aber auch Telekommunikations- und Internetanbieter oder eine Koalition von Partnern dieser Branchen prädestiniert.

Dr. Alexander Duisberg, Partner bei Bird & Bird LLP, betonte die neuartigen rechtlichen Herausforderungen, die das Internet der Dinge mit sich bringt. So erweitert M2M den Wirkbereich rechtlicher Handlungssubjekte um vollautomatisierte, geradezu autonom agierende technologische Komponenten. "Die Zurechnung von Handlungen und Rechtsverletzungen wird damit deutlich komplexer und sprengt den Rahmen bisheriger Haftungsmodelle", so Duisberg. Es zeichnet sich eine weitere Verlagerung von der primären Handlungsverantwortung des Eigentümers oder Nutzers zur Betreiberhaftung ab. "Modelle gemeinschaftlicher Haftungszurechnung werden voraussichtlich zunehmen." Mit dem Internet der Dinge steht nicht zuletzt auch der Datenschutz vor völlig neuen Herausforderungen.

Über den MÜNCHNER KREIS:

Der MÜNCHNER KREIS ist eine gemeinnützige übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung. An der Nahtstelle von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien befasst er sich mit Fragen der Technologie, der Gesellschaft, der Ökonomie und der Regulierung im Bereich von Informations- und Kommunikationstechniken sowie der Medien. Er begleitet und fördert die Entwicklung der Informationsgesellschaft in verantwortungsvoller Weise, und wirkt an der Verbesserung der Rahmenbedingungen durch wissenschaftlich qualifizierte Beiträge und sachlichen Dialog konstruktiv mit.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Münchner Kreis, Till Breitung, 07.05.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2013