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FRAGEN/164: Wolfgang Zöller, Patientenbeauftragter der Bundesregierung (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 1/2010

Wolfgang Zöller, Patientenbeauftragter der Bundesregierung:

Eckpunkte für Patientenrechtegesetz sollen Ende des Jahres stehen


Zur Person

Wolfgang Zäher wurde am 18. Juni 1942 in Eisenbach, heute Stadtteil von Obernburg am Main, geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 1990 ist Wolfgang Zöller Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von 1994 bis 2005 gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe und von 1998 bis 2005 stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Gesundheit bzw. für Gesundheit und Soziale Sicherung. Im November 2004 wurde Zöller als Nachfolger des zurückgetretenen Horst Seehofer zum Stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Bereiche Gesundheit und Soziale Sicherung gewählt. Seit November 2005 war er zuständig für die Bereiche Gesundheit, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.


Nach den in den letzten Wochen geführten Diskussionen um die Reform des Deutschen Gesundheitssystems fürchten behinderte und chronisch kranke Menschen Leistungseinschränkungen durch die schwarz-gelbe Regierungskoalition. Herr Zäher, wie verstehen Sie vor diesem Hintergrund Ihre Rolle als Patientenbeauftragter?

WOLFGANG ZÖLLER: Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung von Leistungseinschränkungen keine Rede ist. Verstehen kann ich aber, dass Patientinnen und Patienten sich zunehmend allein gelassen fühlen. Das erfahre ich auch aus meiner täglichen Arbeit. Eine Ursache sehe ich darin, dass das Gesundheitssystem immer komplexer und bürokratischer geworden ist. Lange Bearbeitungszeiten bei Anträgen auf Leistungen, bei Widersprüchen oder im Gerichtsverfahren tragen dazu bei, dass Patienten das Vertrauen in unser gutes Gesundheitssystem verlieren. Das kann nicht sein.

Mein erstes Ziel ist es deshalb, dass das Gesundheitssystem wieder als gerecht empfunden wird. Dazu gehört die Transparenz des Rechts. Deshalb setze ich mich für das Patientenrechtegesetz ein. Zweitens sehe ich einen Schwerpunkt meines Handelns darin, dass Patienten im Gesundheitssystem wieder freien, ungehinderten und zeitnahen Zugang zu qualitativ hochwertigen medizinischen Leistungen bekommen. Lange Wartezeiten bei Ärzten und die Probleme der ärztlichen Versorgung im ländlichen Bereich müssen genauso angegangen werden, wie Probleme mit Sozialleistungsträgern (z.B. Ablehnung von Anträgen). Drittens biete ich den offenen Dialog mit den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens an. Natürlich bin ich auch Ansprechpartner für alle Patientinnen und Patienten. Mein Team und ich wollen den Menschen einen Weg aufzeigen, wie sie zu ihrem Recht kommen. Zudem werden die Anliegen systematisch ausgewertet. In Schwerpunktbereichen, die häufig kritisiert werden, werde ich mich mit dem Gesundheitsministerium oder der Sozialverwaltung auseinander setzen oder gar gesetzgeberisch aktiv tätig werden.

FRAGE: Die ersten Krankenkassen erheben Zusatzbeiträge von den gesetzlich Versicherten. Im Laufe des Jahres werden sicher noch einige hinzukommen. Gerade behinderte und chronisch kranke Patientinnen und Patienten sind von solchen Maßnahmen besonders hart getroffen, da sie sowieso schon hohe Zuzahlungen leisten müssen. Was empfehlen Sie den Betroffenen?

WOLFGANG ZÖLLER: Von den 169 existierenden Krankenkassen haben bislang nur einige wenige Zusatzbeiträge erhoben oder dies in Aussicht gestellt.

In meiner Geschäftsstelle gingen in den letzten Tagen eine Vielzahl von Anfragen zu diesem Thema ein. Ich empfehle den betroffenen Patientinnen und Patienten zu prüfen, ob sie von ihrer Möglichkeit des Sonderkündigungsrechts Gebrauch machen sollen. Sie können zu einer Krankenkasse wechseln, die keinen Zusatzbeitrag erhebt. Bei der Prüfung sollte auch eine Rolle spielen, ob man bisher z.B. mit den Leistungen seiner Krankenkasse zufrieden war.

Chronisch kranken und behinderten Patientinnen und Patienten, die befürchten, abgewiesen zu werden, gebe ich dabei mit auf den Weg, dass die Krankenkassen zur Aufnahme, unabhängig von Alter und Krankheit eines Versicherten, verpflichtet sind.

FRAGE: Herr Zäher, für Sie ist der freie, ungehinderte und zeitnahe Zugang zu medizinischen Leistungen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Abstammung und Einkommen das wichtigste Patientenrecht, betonen Sie auf Ihrer Homepage. Wie setzen Sie sich dafür ein, dass Patientinnen und Patienten unabhängig von Ihrem Einkommen genau die medizinische und therapeutische Behandlung, aber auch die Hilfsmittel bekommen, die Sie brauchen?

WOLFGANG ZÖLLER: Transparenz und Qualität der Versorgung sowie die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung sind mir sehr wichtig. Deshalb fordere ich, dass unangemessene Einschränkungen der Therapiehoheit der Ärzteschaft rückgängig gemacht werden. Dazu zählt für mich z.B., dass die Rabattvertragsregelung der Krankenkassen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen.

Auf den Prüfstand gehört auch die Frage, wie Behörden zu einer zeitnahen Entscheidung veranlasst werden können. Nachzudenken ist z.B. über eine Fristsetzungen für Bearbeitung von Anträgen, Verkürzung der Frist bei Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht, die Sanktionierung der Verletzung von Verfahrensvorschriften oder aber die Verankerung derartiger Rechte in einem Patientenrechtegesetz. Dass Patientinnen und Patienten notwendige Leistungen wie Bittsteller einklagen müssen, geht nicht. Es wird Zeit, dafür zu sorgen, dass Patienten als Partner im Behandlungsgeschehen anerkannt und respektiert werden.

FRAGE: In ihren Koalitionsvereinbarungen hat die Bundesregierung festgehalten, dass ihr die Stärkung der Patientenrechte wichtig ist und dass sie ein Patientenschutzgesetz realisieren will. Herr Zöller, welche konkreten Schritte sind hier geplant?

WOLFGANG ZÖLLER: Sie beziehen sich auf das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Patientenschutzgesetz. Ich spreche hier lieber von einem Patientenrechtegesetz, denn es geht darum, eine einheitliche Grundlage für die Patientenrechte zu schaffen. Die bislang zersplittert geregelten Patientenrechte und Vorschriften müssen in einem Gesetz gebündelt werden. Mit der Arbeit an einem solchen Gesetz habe ich bereits begonnen. In den vergangenen Wochen habe ich 1.050 Selbsthilfegruppen angeschrieben und führe derzeit Gespräche mit verschiedenen Gruppierungen und Verbänden. Ich will umfassend die verschiedenen Belange, den Handlungsbedarf aber auch die Regelungsmöglichkeiten prüfen und berücksichtigen. Meine Aufgabe sehe ich dabei darin, zwischen den Ressorts und den verschiedenen Akteuren als Koordinator zu fungieren. Bis Ende des Jahres werde ich ein Eckpunktepapier erstellen, das im kommenden Jahr als Gesetz eingebracht werden soll.

FRAGE: Als in der letzten Legislaturperiode die unabhängige Patientenberatung nach Paragraph 65 b im Modellvorhaben geprüft wurde, war die Enttäuschung unter den Selbsthilfeverbänden groß, nicht berücksichtigt worden zu sein. Nun steht im Koalitionsvertrag, dass die unabhängige Beratung zur bundesweiten Regelversorgung ausgebaut werden soll. Herr Zöller, wie sehen Sie hier die Rolle der Selbsthilfe? Wie soll eine Verpflichtung der Selbsthilfe zur Beratung konkret umgesetzt werden?

WOLFGANG ZÖLLER: Die Versicherten müssen in die Lage versetzt werden, möglichst selbstständig ihre Rechte gegenüber den Krankenkassen und Leistungserbringern wahrzunehmen. Hierzu leistet die Selbsthilfe einen unverzichtbaren Beitrag. Aus diesem Grund möchte ich die unabhängige Beratung von Patientinnen und Patienten ausbauen und plädiere für eine Überführung in die Regelversorgung. Welche Rolle dabei die Selbsthilfe spielen soll, ist zu diskutieren.

Ziel einer unabhängigen Patientenberatung muss es nach meiner Auffassung sein, auch die vorhandenen Strukturen effizient zu nutzen und einzubinden. Doppelte oder parallele Strukturen sind in jedem Fall zu vermeiden. In den nächsten Wochen müssen die Ergebnisse der Evaluation geprüft werden. Der Gesetzgeber muss danach schnell handeln. Ich werde hierzu Vorschläge erarbeiten und am 19. Mai 2010 alle Abgeordneten einladen, diese mit mir zu diskutieren.

TEXT ELISABETH FISCHER


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Das Amt

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten ist dem Bundesministerium für Gesundheit zugeordnet und wird von der Bundesregierung ernannt. Die Position wurde im Januar 2004 geschaffen.

Die Aufgaben des Patientenbeauftragten sind im § 140h Satz 2 Sozialgesetzbuch V wie folgt definiert: Die beauftragte Person hat darauf hinzuwirken, dass die Belange von Patientinnen und Patienten besonders hinsichtlich ihrer Rechte auf umfassende und unabhängige Beratung und objektive Information durch Leistungserbringer, Kostenträger und Behörden im Gesundheitswesen und auf die Beteiligung bei Fragen der Sicherstellung der medizinischen Versorgung berücksichtigt werden. Sie setzt sich bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe dafür ein, dass unterschiedliche Lebensbedingungen und Bedürfnisse von Frauen und Männern beachtet und in der medizinischen Versorgung sowie in der Forschung geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt werden.


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Quelle:
Selbsthilfe 1/2010, S. 16-17
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
Herausgeber: BAG Selbsthilfe
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2010