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PROJEKT/580: "Migration und Behinderung" startet im Herbst (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - Mai 2009

Projekt "Migration und Behinderung" startet im Herbst
Weg in die Betreuungseinrichtungen wird selten genutzt

Von Robert Burg


Nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund in Bielefeld nehmen Hilfe in Anspruch, wenn sie oder ihre Angehörigen von einer Behinderung betroffen sind. Jetzt macht sich der Stiftungsbereich Behindertenhilfe mit dem Projekt "Migration und Behinderung" auf die Suche nach den Ursachen - und nach Lösungen.


Jeder vierte Bielefelder hat einen Migrationshintergrund - was knapp über dem Bundesdurchschnitt liegt. Trotzdem kommen weniger als zwei Prozent der im Stiftungsbereich Behindertenhilfe betreuten Menschen aus Migrantenfamilien. "Der Weg in die Betreuungseinrichtungen wird selten genutzt", bedauert Gerhard Klekamp. Der Regionalleiter in der Behindertenhilfe leitet das Projekt gemeinsam mit Birgit Benad vom Qualitätsmanagement des Stiftungsbereichs.

"Man muss davon ausgehen, dass Migranten in Folge von Krankheit und Behinderung mindestens genauso häufig an der Teilhabe am Gesellschaftsleben gehindert sind wie alle anderen Bürger auch", ist Gerhard Klekamp überzeugt. Sozialmediziner vermuten, dass einschneidende Lebensereignisse, chronische Belastungen und tägliche Ärgernisse das gesundheitliche Risiko für viele Migranten deutlich steigern. "Wir müssen uns fragen, wieso so wenige Migranten zu uns kommen. Was brauchen sie, welche Hilfesettings sind für sie attraktiv?", gibt Gerhard Klekamp zu bedenken.

Antworten auf diese Fragen sollen in den nächsten zwei Jahren. Filiz Kutluer und Ellen Karacayli liefern. Die beiden Soziologinnen - eine türkischer, die andere russischer Herkunft - vermitteln zwischen Bethel, kommunalen Einrichtungen, Schulen, Kostenträgern und den Familien. Im September treten Filiz Kutluer und Ellen Karacayli ihren Dienst in Bethel an. "Wir brauchen gute Netzwerkerinnen", sagt Gerhard Klekamp "Deshalb haben wir gezielt nach Muttersprachlerinnen gesucht." Türkische Migranten stellen die größte nicht-deutsche Gruppe in der Bielefelder Bevölkerung, gefolgt von Menschen aus den Sowjet-Nachfolgestaaten.

Filiz Kutluer und Ellen Karacayli kamen als Studentinnen mit einem Stipendium nach Bielefeld. Ihre Stellen werden aus Projektmitteln finanziert, die zu großen Teilen von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW gedeckt werden: Die Landesstiftung gibt 163.700 Euro, Bethel steuert aus Eigenmitteln noch 18.190 Euro bei. Die Zielgruppe des Projekts sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung, vorwiegend aus türkischen und russischen Familien.

Frühförderung oder Familienunterstützende Dienste nehmen Familien aus der Bielefelder Migrantenbevölkerung dank der guten Vernetzung mit dem medizinischen Sektor bereits jetzt häufig in Anspruch. In den Bielefelder Färderschulen sei der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund sogar überdurchschnittlich hoch. "Leider bricht hier die Förderung nach Ablauf der Schulpflicht ein." Mögliche Ursachen seien der Mangel an Information, fehlendes Vertrauen in Institutionen oder eine andere Haltung zur Behinderung. "Viele Migranten leben traditionell in Großfamilien, in denen Angehörige die Versorgungsaufgabe übernehmen, meist zu Lasten der Frauen und Mütter", so Gerhard Klekamp "Aber dieses System greift heute immer öfter nicht mehr."


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Quelle:
DER RING, Mai 2009, S. 6
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2009