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PROJEKT/622: Projekt zur Gesundheitsförderung abgeschlossen (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - März 2011

Projekt zur Gesundheitsförderung abgeschlossen
Handbuch bringt neue Qualität für die Sturzprävention

Von Gunnar Kreutner


Schlafmangel, beeinträchtigtes Denken, Wechselwirkungen von Medikamenten - die Ursachen für Stürze von älter werdenden geistig behinderten Menschen sind sehr unterschiedlich. Risikofaktoren zu erkennen und die Sturzgefahr zu verringern ist für die betreuenden Mitarbeitenden oft sehr schwierig. Mit dem neuen Handbuch "Arbeitshilfen zur Sturzprävention in der Eingliederungshilfe" bekommen sie nun eine praxisnahe Hilfe für ihren beruflichen Alltag.


Das Handbuch ist das Ergebnis eines dreijährigen Projekts des Bewegungs- und Sporttherapeutischen Dienstes Bethel (BSD). Herausgeber und BSD-Leiter Dr. Lutz Worms ist überzeugt, dass das Handbuch ein guter Qualitätsstandard für die Sturzprävention in der Behindertenhilfe ist und über Bethel hinaus Maßstäbe setzen wird. Mitte Februar wurde die Handlungsanleitung bei einer Fachtagung in der Neuen Schmiede in Bielefeld-Bethel vorgestellt.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden in dem Handbuch zu jedem Sturz-Risikofaktor mögliche Symptome, Maßnahmen und Hintergrundwissen. Fällt einem Mitarbeitenden zum Beispiel auf, dass eine Bewohnerin zunehmend Probleme beim Aufstehen hat, zurück in den Stuhl fällt und ihre Beine bei längerem Stehen zittrig werden, so findet er die äußerlich erkennbaren Merkmale in dem Handbuch wieder. Das Buch macht Vorschläge für mögliche Maßnahmen, wie Übungen zur Kräftigung der Muskulatur; zusätzlich nennt es Quellenangaben für nähere Hintergrundinformationen, um möglichen Ursachen - wie zum Beispiel einer Osteoporose - auf die Spur zu kommen.


Große Beteiligung

In das Projekt wurden 124 Menschen mit Behinderung aus 13 Wohnbereichen der Behindertenhilfe in Ostwestfalen mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren einbezogen. Daher bietet das Handbuch eine Handlungsgrundlage, die Mitarbeiter wie Bewohner nutzen können. Das Buch enthält zusätzlich Informationsblätter zu bestimmten Risikofaktoren, die beispielhaft von den Bewohnerinnen und Bewohnern in einfacher Sprache entwickelt wurden.

Dr. Klaus Wingenfeld vom Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld hat das vierköpfige Projektteam wissenschaftlich begleitet und unterstützt. Für die Entwicklung des Handbuchs wurden unter anderem Sturzprotokolle aus den Einrichtungen gesammelt und ausgewertet. Bei der Fachtagung präsentierte Dr. Wingenfeld vor rund 230 Teilnehmenden die Ergebnisse.

In dem erfassten Zeitraum von 19 Monaten kam es bei 100 Personen durchschnittlich zu 18 Stürzen, "wobei eine relativ kleine Personenzahl sehr häufig stürzte", so der Pflegewissenschaftler. Rund 50 Prozent der Stürze passierten beim Gehen, Aufstehen oder Hinsetzen. Das größte Risiko stellten mit gut 80 Prozent beeinträchtigtes Denken und Gedächtnis dar, gefolgt von Gangveränderungen mit 79,7 Prozent und Gleichgewichtsstörungen mit 78 Prozent. "Die größte Risikogruppe sind Personen, die zwar noch laufen können, aber eine Gehhilfe, wie einen Rollator, benötigen", informierte Dr. Wingenfeld.

Bundesweite Untersuchungen zeigen, dass kognitiv eingeschränkte Menschen etwa zweimal so häufig stürzen wie Menschen ohne geistige Beeinträchtigungen. Sie sind besonders betroffen, weil sie neben ihren Einschränkungen auf eine zunehmende Zahl an Medikamenten angewiesen sind, die erhebliche Neben- und Wechselwirkungen haben können. "Man muss sich vergegenwärtigen, dass viele Medikamente wie Antiepileptika, Psychopharmaka oder Schlafmittel zentral im Gehirn wirken und daher unter anderem die Sinnesfunktionen und die Koordination beeinträchtigen können", sagte Dr. Thomas Meinert vom Ärztlichen Dienst des Bereichs Stiftung Bethel.regional. Antibiotika hätten zudem fast immer Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, ebenso viele Naturheilmittel, wie zum Beispiel Johanniskraut, die oft in ihrer Wirkung unterschätzt würden. "Grundsätzlich steigt die Gefahr von Wechselwirkungen, wenn mehr als vier oder fünf Tabletten auf dem Medikamententeller liegen", warnte der Wissenschaftler.


Mehr an Lebensqualität

Michael Conty, Geschäftsführer von Stiftung Bethel.regional, nahm in seiner Funktion als Vorsitzender des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe an der Veranstaltung des BSD teil. Er ist überzeugt, dass das Handbuch ein Mehr an Lebensqualität und Teilhabe für die zu betreuenden Menschen bedeutet.

Das Handbuch-Projekt wurde maßgeblich von der Robert Bosch Stiftung gefördert. Das Buch ist Teil der Betheler Ausbildung für die Heil- und Pflegeberufe und sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form erhältlich. Im Rahmen des Projekts wurde eine Homepage zum Thema Sturzprävention mit einem Informations- und Austauschforum erstellt. Die Adresse lautet:
www.sturzpraevention-bethel.de


Arbeitshilfen zur Sturzprävention in der Eingliederungshilfe.
Sturzrisikofaktoren erkennen und handeln.
Hrsg. Dr. Lutz Worms
Bethel-Verlag, Bielefeld 2011. 140 Seiten, 29,80 Euro
ISBN 978-3-935972-32-1


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Quelle:
DER RING, März 2011, S. 10-11
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2011