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INNEN/2952: Fraktionsvorstandsklausur - Auszüge aus dem Statement von Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 2. September 2016

Auszüge aus dem heutigen Statement zum Abschluss der Fraktionsvorstandsklausur in Berlin von Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter:


Katrin Göring Eckardt

Was wir seit heute Morgen erleben, ist ein riesiges Chaos innerhalb der Bundesregierung. Es gibt eine Meldung, die Bundesregierung wolle sich distanzieren von der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages. Danach unterschiedliche Äußerungen aus dem Regierungslager. Herr Tauber sagt nein. Herr Steinmeier sagt: Na ja, diese Resolution gebe es zwar, aber sie sei nicht rechtlich verbindlich. Herr Seibert als Regierungssprecher sagt wiederum, man wolle sich nicht distanzieren, aber eine rechtliche Verbindlichkeit gebe es nicht.

Ich sage dazu eines: Der Deutsche Bundestag hat sehr lange über diese Resolution beraten, er hat sie dann fraktionsübergreifend eingebracht und beschlossen. Diese Resolution sagt sehr eindeutig: Der Völkermord an den Armeniern muss auch genau so genannt werden. Und das deutsche Parlament, der Deutsche Bundestag ist nicht ein Beirat oder ein Beratungsgremium für die Bundesregierung, sondern was da beschlossen wird, ist natürlich auch verbindlich. Und deswegen erwarte ich von dieser Bundesregierung, auch gegenüber Herrn Erdogan deutlich zu machen, dass wir das in Deutschland so sehen, dass es da keine Relativierung gibt oder irgendetwas anderes. Da kann man nicht sagen: Ja, hat zwar das Parlament beschlossen, meinen wir aber nicht ganz so ernst. Das Parlament meint es sehr ernst und erwartet von der Bundesregierung auch entsprechende Aktivitäten.


Zu den Beschlüssen auf unserer Fraktionsklausur:

Wir haben einen Beschluss zum Thema Wohnen gefasst: Eine Million Wohnung in zehn Jahren, die bezahlbar sind, die mitten im Kiez sein sollen und die dafür sorgen sollen, dass es in diesen Städten auch lebenswert ist, dass man tatsächlich zusammenwohnt und nicht dass die einen an den Stadtrand gedrängt werden und die anderen sich die teuren Wohnungen in den Innenstädten leisten können.

Wir haben außerdem einen Beschluss zum Thema innere Sicherheit: Wir haben ja sehr absurde Sicherheitsdebatten erlebt in den letzten Wochen und Monaten. Wir haben Sicherheitsdebatten erlebt, die mit einem Sicherheitsgefühl und mit einem Erhöhen der Sicherheit wenig zu tun haben. Solcher Art von Symboldebatten wollen wir begegnen. Wir wissen, es gibt ein Unsicherheitsgefühl, und wir wissen, es gibt Gefährdung. Wenn man darauf reagieren will, dann tut man das zu allererst mit mehr Polizei, mit einer Polizei, die gut ausgestattet ist. Man tut das, indem man dafür sorgt, dass die unterschiedlichen Sicherheitsbehörden auch tatsächlich zusammenarbeiten. Und man tut das, indem man zum Beispiel dafür sorgt, dass Migrantinnen und Migranten in der Polizei entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil auch vorkommen. Man tut es nicht mit Burkadebatten. Unter keiner Burka befindet sich bisher ein Terrorist. Das ist absurd. Man tut es auch nicht, indem man darüber redet, dass die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden soll. Auch das ist absurd. Im Katastrophenfall geht das heute, in allen anderen Fällen ist das nicht notwendig.

Es ist sicher sinnvoll, das Waffenrecht zu verschärfen. Das sage ich auch noch mal sehr eindrücklich in Richtung AfD. Wer meint, dass eine Bewaffnung der Bevölkerung zu mehr Sicherheit führt, der möge bitte mal in die Vereinigten Staaten schauen, auch zum Kampf von Barak Obama dagegen. Dort wird Unsicherheit und wird Brutalität erreicht damit, dass viele Menschen Waffen haben. Das sollten wir gerade nicht machen. Nein, das Waffenrecht muss verschärft werden. Es ist immer noch viel zu einfach in Deutschland an Waffen zu kommen übers Netz und auch über andere Kanäle. Es geht um Prävention. Es geht darum, dass wir mehr Polizei haben, gut ausgebildete, gut ausgestattete Polizei mit Migrantinnen und Migranten. Und es geht um ein bundesweit einheitliches Präventionszentrum, wo die Kompetenzen, die wir haben, auch wenn es zum Beispiel um Radikalisierung geht, auch gebündelt werden können und wir hier tatsächlich auch im Vorfeld aktiv werden können.


Anton Hofreiter:

Wir haben uns gestern intensiv mit dem Zustand unserer Demokratie beschäftigt. Wir haben uns intensiv mit dem Anwachsen des Rechtspopulismus beschäftigt sowohl in Deutschland als auch in den anderen europäischen Staaten. Für uns ist vollkommen klar, Rechtspopulismus kann man nicht bekämpfen, indem man rechtspopulistischen Parteien hinterherläuft. Das sei auch als klare Warnung an die anderen Parteien gesagt. Insbesondere an CDU/CSU, aber auch SPD und Linkspartei machender schwere Fehler. Wir werden sehen bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern, dass damit nichts gewonnen wird, wenn man rechtspopulistischen Forderungen hinterherläuft. Für uns ist eindeutig: Wir müssen unsere offene Gesellschaft verteidigen, wir müssen zu unserer offenen Gesellschaft stehen. Nämlich in der offenen Gesellschaft, wo die Menschen so leben können, wie sie leben wollen, leben die einzelnen Menschen am besten. Was für uns auch eindeutig ist: Dass wir dafür vorsorgen müssen, dass diese Gesellschaft zusammen bleibt, dass Arm und Reich zusammengehalten wird, dass entsprechend die Zuwanderer und die bereits Alteingesessenen, dass da Zusammenhalt organisiert wird, dass Zusammenhalt zwischen Alt und Jung organisiert wird. Es kommt ganz entscheidend darauf an, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken.

Wir haben uns des Weiteren noch intensiv damit beschäftigt, welche ökologischen Themen wir in den nächsten Monaten erarbeiten wollen. Das sind zwei Themen insbesondere. Das eine Thema ist: Wie geht es weiter nach Paris? Im Winter dieses Jahres hat der historische Vertrag von Paris zur Begrenzung der Klimakrise Einjähriges. Deutschland als Land der Erfindung der Energiewende damals unter Rot-Grün mit dem Ausbau, dem Beginn des Ausbaus der erneuerbaren Energien hat eine besondere Vorbildwirkung. Umso bitterer und tragischer ist es sowohl aus ökologischen Gründen, allerdings auch aus ökonomischen Gründen, dass die Bundesregierung die entscheidenden Maßnahmen nicht ergriffen hat. Weder beim Kohleausstieg noch bei der Mobilitätswende gibt es irgendeinen Fortschritt. Von den zehn schmutzigsten Kohlekraftwerken laufen immer noch sechs in Deutschland. Bei der Autoindustrie tut sich nichts bei einer integrierten Strategie entsprechend für die Elektrifizierung des Antriebs, das heißt für eine insgesamt funktionierende E-Mobilitätsstrategie geht nichts voran. Als ganz kleinen Schritt haben sie jetzt eine Prämie beschlossen für den Kauf von E-Autos. Zu ihrer großen Überraschung, also zur Überraschung der Bundesregierung funktioniert diese Prämie nicht, weil sie eben nicht eingebunden ist in eine Gesamtstrategie. Mit diesem Themenkomplex wollen wir uns intensiv beschäftigen.

Und dann zum Abschluss noch: Es ist ja schon bezeichnend, was in dieser Bundesregierung, in dieser Großen Koalition beim Thema TTIP und CETA los ist. Die SPD haut immer stärker auf TTIP drauf, nachdem sie jahrelang der Verteidiger war. Man könnte sagen: Ja, ist auch schön, dass die SPD erkannt hat, dass der Vertrag in dieser Form niemandem etwas nutzt, weder den Menschen in USA noch den Menschen in Europa. Aber man wird den Verdacht nicht los, so wie die SPD da agiert, dass es ihr gar nicht um TTIP geht, sondern dass es darum geht abzulenken, dass sie weiterhin CETA zustimmen wollen. Und CETA ist einfach der kleine Bruder von TTIP. Und solange die SPD auch nicht eine klare Haltung, eine klare ablehnende Haltung zu CETA hat, ist ihre Kritik an TTIP einfach nichts anderes als unglaubwürdig.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. September 2016
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2016

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