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SOZIALES/1487: "Frau Schröder, machen Sie Platz für eine echte Frauenministerin!"


Pressedienst von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22. April 2012

Beschluss des Bundesfrauenrates:
"Frau Schröder, machen Sie Platz für eine echte Frauenministerin!"



1.‍ ‍Ordentlicher Bundesfrauenrat 2012

Berlin, 21. und 22.04.2012


Frau Schröder, machen Sie Platz für eine echte Frauenministerin!

Dringlichkeitsantrag:
Eingegangen am: 20.04.2012

Antragstellerinnen: Claudia Roth, Astrid Rothe-Beinlich, Steffi Lemke und das Präsidium des Bundesfrauenrates (Sina Doughan, Anja Kofbinger, Brigitte Lösch, Judith Hasselmann)

Kristina Schröder zeigt sich als Totalausfall im Kabinett von Bundeskanzlerin Merkel. Nicht nur in den Bereichen Kampf gegen Rechtsextremismus, nachhaltige Jugendpolitik oder moderne Familienpolitik, sondern auch und gerade in der Frauen- und Gleichstellungspolitik versagt die Ministerin auf ganzer Linie. Im besten Fall tut sie nichts, im schlimmsten genau das Falsche und zu allem Überfluss bietet sie reaktionäre Erklärungsmuster für ihre Art der Amtsführung. Eine Bundesministerin, die den Gegenstand ihres Ressorts als Politikfeld ablehnt, ist nicht nur peinlich für das Land, sondern ein Schlag ins Gesicht für Frauen, Familien, für die Jugend und für SeniorInnen. Wir haben eine Frauenministerin, für die das zentrale Problem der Feminismus zu sein scheint und nicht die Interessen von Menschen, die sich eine gleichberechtigte Partnerschaft und gleiche Chancen für ihre eigene Existenzsicherung wünschen. Die Folgen müssen Millionen Frauen in Deutschland tragen. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Ministerin trotz allem weiter gewähren lässt, dann ist das reiner Machtopportunismus. Die Kanzlerin opfert damit mutwillig die Interessen von Millionen von Frauen. Das ist nicht nur das Versagen der Kristina Schröder, sondern auch und gerade die Verantwortung der Bundeskanzlerin.

Die realen Probleme, mit denen sich Frauen in Deutschland im 21. Jahrhundert im Erwerbsleben und bei der gesellschaftlichen Partizipation konfrontiert sehen, interessieren Ministerin Kristina Schröder in keinster Weise oder werden als private Probleme der Betroffenen abgewertet. Einkommensungleichheit zu Lasten der Frauen mit all ihren negativen Auswirkungen, gläserne Decken, die Frauen trotz hervorragender Qualifikation am beruflichen Aufstieg hindern, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Dumpinglöhne, in denen vor allem Frauen arbeiten, die Situation Alleinerziehender und ihrer Kinder, die in hohem Maße armutsgefährdet sind - zu alledem gibt es keine ernstzunehmende Initiative der Ministerin. Dafür aber die lapidare Aussage: Ihr seid selber schuld. Dabei liegen die Konzepte auf dem Tisch - auch auf dem von Frau Schröder. Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, eine Auftragsarbeit namhafter WissenschaftlerInnen für das BMFSFJ, zeigt alle diese Problemfelder auf und gibt konkrete Lösungsvorschläge. Statt diese Expertise ernst zu nehmen, und den bekannten Defiziten und Problemen aktiv entgegen zu wirken, verkriecht sich Kristina Schröder lieber in ihrem antifeministischen Schützengraben.

Falls sie dann doch mal etwas umsetzen will, ist die gleichstellungspolitische Wirkung entweder fragwürdig oder es verfestigt bestehende Probleme. Mit ihrem Konzept der Flexiquote bremst sie die gesellschaftlich breit getragene Forderung nach einer verlässlichen, gesetzlichen Quote in Aufsichtsräten und Vorständen großer Unternehmen aus. Der Ausbau der Kleinkindbetreuung kommt nicht voran, der gesetzliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz kann vielerorts nicht eingehalten werden. Statt endlich zu handeln, schiebt sie hier den Schwarzen Peter den Ländern und Kommunen zu und verschärft mit dem Betreuungsgeld das Problem zusätzlich. Und als wäre das nicht schon genug, vollzieht sie mit dieser Herdprämie einen gesellschaftlichen Rollback in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts: Junge Menschen, die Familie und Beruf vereinbaren wollen, haben solange keine echte Wahlfreiheit, bis die Grundvoraussetzungen, wie beispielsweise eine ausreichende Anzahl an guten Betreuungsplätzen, geschaffen sind. Mit dem Betreuungsgeld hingegen sollen Frauen unterstützt werden, die eine Infrastruktur nicht nutzen, die es bisher noch nicht einmal in ausreichendem Maße gibt. Das ist absurd. Statt dessen hält es Frauen gezielt von der Erwerbsarbeit fern und lässt sie anschließend im Regen stehen. Sie nimmt damit den Druck von der Politik, endlich für ausreichend Kinderbetreuung und gut qualifizierte ErzieherInnen zu sorgen und erschwert gerade den Kindern den Zugang zur Teilhabe, die auf Unterstützung am meisten angewiesen wären. Die Folge: Abhängigkeit der Frauen und ihrer Kinder von staatlichen Transferleistungen und eine Zunahme der Altersarmut von Frauen.

Der Bundesfrauenrat fordert die Bundeskanzlerin auf, im Kabinett die Frauenpolitik wieder tatsächlich zu besetzen. Wir Frauen in Deutschland brauchen keine Ministerin, die gegen selbstgeschaffene Feindbilder ankämpft. Wir brauchen eine lebensnahe Politik, die alle Frauen und Männer die eigenen Lebensentwürfe verwirklichen lässt. Es ist höchste Zeit, allen Frauen, Männern und Kindern die hier leben, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Einkommen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben zu ermöglichen und Nachteile auszugleichen. Es ist höchste Zeit, das Ministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend mit einer Ministerin zu besetzen, die diesen Aufgaben gewachsen ist und den politischen Willen mitbringt, Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten abzubauen. Es ist höchste Zeit für eine glaubhafte und engagierte Frauen- und Gleichstellungspolitik in unserem Land!

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Quelle:
Pressedienst vom 22. April 2012
Bündnis 90/Die Grünen Bundesvorstand
Sigrid Wolff, Pressesprecherin
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E-Mail: presse@gruene.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2012