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BUNDESTAG/3097: Heute im Bundestag Nr. 102 - 29.02.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 102
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 29. Februar 2012 Redaktionsschluss: 17:30 Uhr


1. Chancen des Tourismus für Entwicklungsländern bislang nicht ausgeschöpft
2. Botschafter Grinin: Sotschi liegt bei Vorbereitungen auf die Winterolympiade 2014 im Zeitplan


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1. Chancen des Tourismus für Entwicklungsländern bislang nicht ausgeschöpft

Ausschüsse für Tourismus und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Anhörung)

Berlin: (hib/MPI) Der Tourismus bietet für Entwicklungsländer eine Reihe bislang nicht genutzter Chancen. Wie in der ersten gemeinsamen öffentlichen Anhörung der Ausschüsse für Tourismus sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwoch deutlich wurde, gilt dies etwa für die Vermarktung lokaler Produkte. Der Experte für nachhaltige Entwicklung von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Klaus Lengefeld, sagte, Möglichkeiten gebe es etwa für lokale Produzenten von Lebensmitteln oder Hygieneprodukten. "Lokale Produkte bieten ein großes, nicht genutztes Potenzial", betonte Lengefeld. Mit Projekten versuche die GIZ insbesondere beim Bau neuer Hotels, lokale Anbieter zu befähigen, diese mit ihren Produkten zu beliefern.

Der Sprecher der Geschäftsführung der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), Bruno Wenn, sagte, prinzipiell bestehe bei den deutschen Touristikunternehmen ein großes Interesse, bestimmte Produkte lokal zu beziehen. Dies scheitere in Entwicklungsländern in der Regel nicht am Preis, sondern an der Qualität und der Zuverlässigkeit der Lieferung. So genügten beispielsweise die Kühlmöglichkeiten lokaler Anbieter von Fisch nicht den Anforderungen großer Hotels. Die DEG, ein Unternehmen der KfW-Bankengruppe, finanziert und berät private Unternehmen, die in Entwicklungsländern investieren.

Auch der Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements des TUI-Konzerns, Harald Zeiss, betonte, es gehe darum, lokale Produkte in die Wertschöpfungskette des Tourismus einzubeziehen. Zeiss, der auch Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz ist, berichtete, dass die Hotels auf den Kapverden Tomaten und Zwiebeln größtenteils per Schiff aus Spanien bezögen, obwohl diese Produkte vor Ort angebaut werden könnten. Die Geschäftsführerin des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung, Birgit Steck, ergänzte, die Agrarstrukturen in Entwicklungsländern seien zum Teil so beschaffen, dass sie größere Hotels nicht beliefern könnten.

Der Professor für Touristik und Verkehrswesen der Fachhochschule Worms, Adrian Freiherr von Dörnberg, sagte, bislang sei der Preis das zentrale Entscheidungskriterium für potenzielle Urlauber. Einige Unternehmen, etwa aus der Luftfahrtbranche, böten zwar beispielsweise CO2-Rechner an, mit denen Kunden die Emissionskosten ihrer Reise ausgleichen könnten. "Der Kunde nutzt das nicht", stellte Dörnberg fest. Hier sei noch viel Aufklärungsarbeit nötig, auch über das Internet. Der GIZ-Experte pflichtete ihm auf Nachfrage der Unions-Fraktion bei. Auch deutsche Urlauber im All-inclusive-Segment interessierten sich etwa durchaus für das Thema Menschenrechte an ihrem Urlaubsort. Dies sei aber nicht kaufentscheidend, sagte der Professor auf Nachfrage der SPD-Fraktion.

Der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Jürgen Büchy, sagte, die Tourismusbranche sei sich ihrer Verantwortung bewusst. "Wir bekennen uns ausdrücklich zum Gebot der Nachhaltigkeit", betonte Büchy. Dies sei "im ureigenen Interesse" der Branche. Büchy erläuterte, aus Sicht der Reiseunternehmen sei es ein "richtiger Ansatz" in der Entwicklungszusammenarbeit, auf das Thema Bildung zu setzen. "Wir brauchen überall ausgebildetes Personal", sagte Büchy auf Nachfrage der FDP-Fraktion. Er berichtete in diesem Zusammenhang von einer touristischen Anlage in Tunesien, wo die praktische Ausbildung von Mitarbeitern im Sommer stattfinde, die theoretische Ausbildung außerhalb der Saison im Winter.

Birgit Steck betonte auf Nachfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, für die Entwicklungsländer seien die Nettodeviseneinnahmen entscheidend - also die Restgröße, die sich nach Abzug aller Devisenausgaben etwa für Importe von Nahrungsmittel für Touristen ergebe. Der Anteil an touristischen Deviseneinnahmen, der zur Finanzierung importierter Leistungen ins Ausland fließt, die sogenannte Sickerquote, sei von Land zu Land sehr unterschiedlich. Als Faustregel könne genommen werden, dass der Nettodeviseneffekt für ein Land umso positiver ausfalle, je weiter es in seiner Entwicklung fortgeschritten sei, sagte die Geschäftsführerin des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung. Steck betonte, der Tourismus könne nur dann eine Schlüsselrolle in der Entwicklungszusammenarbeit spielen, wenn er eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen und eine Nutzung lokaler Produkte gewährleiste.

Die Experten äußerten sich in der Anhörung auch zu Risiken des Tourismus für Entwicklungsländer, etwa durch hohen Ressourcenverbrauch oder sexuelle Ausbeutung. So sei etwa die Bekämpfung der Kinderprostitution sehr schwierig, machte der Geschäftsführer des Unternehmens Studiosus Reisen, Peter-Mario Kubsch, deutlich. Zwar habe der "Verfolgungsdruck" gegen dieses Verbrechen nicht zuletzt auf Initiative der Reisebranche deutlich zugenommen. Zugleich sei aber zu beobachten, dass die Nachfrage nach Kinderprostitution in solche Länder verlagere, in denen der Druck geringer sei, erläuterte Kubsch auf Nachfrage der Fraktion Die Linke.


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2. Botschafter Grinin: Sotschi liegt bei Vorbereitungen auf die Winterolympiade 2014 im Zeitplan

Sportausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die Vorbereitungen auf die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi kommen gut voran. Das betonte der Botschafter Russlands in Deutschland, Vladimir Grinin, am Mittwochnachmittag vor dem Sportausschuss. 70 Prozent der Sportstätteninfrastruktur sei schon fertiggestellt, sagte Grinin. "Die Vorbereitungen laufen unter Einhaltung des vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vorgegebenen Zeitplans." In den vergangenen Wochen hätten erste Wettbewerbe auf den Sportstätten stattgefunden, über die sich die beteiligten Sportler positiv geäußert hätten, so der Botschafter.

Vladimir Grinin bestätigte, dass ein Gesamtetat von 24 Milliarden US-Dollar eingeplant sei. Der überwiegende Teil, nämlich 22 Milliarden US-Dollar, würde jedoch für den Aufbau einer über die Spiele hinausgehenden Tourismusinfrastruktur ausgegeben. "Das ist ein Entwicklungsprogramm für die ganze Region", betonte der Botschafter. Der Etat für die Olympischen und die Paralympischen Spiele liege bei 2 Milliarden US-Dollar und damit im Bereich der Spiele von Nagano oder Salt Lake City. In Russland würden der Vorbereitung und Durchführung der Spiele eine sehr hohe Bedeutung beigemessen, sagte Botschafter Grinin. "Mit den Spielen wird ein gewaltiger Anreiz zur Verstärkung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Modernisierung der gesamten Schwarzmeerregion und des ganzen Landes gesetzt." Die Zustimmung im Lande sei mit über 80 Prozent ausgesprochen hoch, machte Grinin deutlich.

Der Botschafter räumte ein, dass Umwelteinwirkungen auf die westkaukasische Naturlandschaft nicht auszuschließen seien. Allerdings würden die "ökologischen Auflagen des IOC erfüllt", sagte er. So würden "Tausende von Bäumen" als Ausgleich gepflanzt und die Abwasser- und Abfallentsorgung in der Region auf ein neues Umweltniveau gesteigert.

Auch der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, hat "keine Zweifel", dass die Anlagen fristgerecht fertig werden. "Es ist alles angerichtet für hervorragende Spiele", sagte er vor den Abgeordneten. Da Sotschi bislang ein Sommerkurort gewesen sei, habe man sämtliche Sportanlagen neu bauen müssen, so Vesper. Dabei hätten sich die Verantwortlichen "am neusten Stand der Technik orientiert". Die Teams würden in Sotschi in drei verschiedenen olympischen Dörfern untergebracht sein, erläuterte der DOSB-Generalsekretär. Die Strecke zwischen dem am Schwarzen Meer liegenden Sotschi und den Gebirgsregionen, wo ein Großteil der Wettkämpfe stattfindet, sei in einer halben Stunde zu überwinden und damit deutlich kürzer als die Entfernung zwischen Vancouver und Whistler bei den Spielen 2010, sagte Vesper.

Mit starken Witterungseinflüssen auf den Verlauf der Wettbewerbe rechnet Jürgen Wolf vom Deutschen Skiverband (DSV). Angesichts des nahen Meeres müsse von sich ständig ändernden Schneebedingungen ausgegangen werden. "Die Skitechniker werden die Wettbewerbe mitentschieden", prognostizierte Wolf. Umso wichtiger sei es, die Techniker nahe beim Team unterzubringen, was in den Olympischen Dörfern teilweise nicht möglich sei. Daher habe man eigene Außenquartiere anmieten müssen, so der DSV-Vertreter. Unabhängig davon zeigte sich auch Wolf überzeugt davon, dass "die Rahmenbedingungen insgesamt sehr gut sind".


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 102 - 29. Februar 2012 - 17:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2012