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BUNDESTAG/3207: Heute im Bundestag Nr. 212 - 26.04.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 212
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 26. April 2012 Redaktionsschluss: 15:10 Uhr

1.‍ ‍Ex-Chef der Soko Bosporus plädiert für zentrale Ermittlungen
2.‍ ‍Grüne wollen Auskunft über europäische Roadmap zum Klimaschutz



1. Ex-Chef der Soko Bosporus plädiert für zentrale Ermittlungen

2.‍ ‍Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) - Weil die Polizei die Großregion Nürnberg als "Verankerungsraum" möglicher rechtsextremistischer Täter vermutete und deshalb die nähere Überprüfung solcher Personen auf diese Gegend beschränkte, führte diese neben vielen anderen Ermittlungsansätzen verfolgte Spur bei den Bemühungen zur Aufklärung der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten zehn Morde ins Nichts. Dies erläuterte am Donnerstag Wolfgang Geier, von 2005 bis 2008‍ ‍Leiter der mit der Tötungsserie befassten bayerischen Soko Bosporus, im Untersuchungsausschuss zum Auftakt der Zeugenvernehmungen. Das Gremium soll Ermittlungspannen durchleuchten und vor allem herausfinden, wieso der auch als Zwickauer Terrorzelle bezeichnete NSU jahrelang unentdeckt im Untergrund morden und Banküberfälle verüben konnte.

Geier erklärte, er halte in einem länderübergreifenden Fall mit solchen Dimensionen eine "zentrale Ermittlungsführung für besser". Dies sei jedoch 2004 vom Bundeskriminalamt (BKA) abgelehnt worden. Die Polizei habe aber über Ländergrenzen hinweg im Rahmen einer bundesweiten Steuerungsgruppe unter Einbeziehung des BKA eng kooperiert. Auf eine entsprechende Frage von SPD-Obfrau Eva Högl betonte der Zeuge, die Soko Bosporus habe nie versucht, den Generalbundesanwalt aus den Ermittlungen herauszuhalten.

Detailreich erläuterte Geier, welch gigantischer Aufwand zur Aufklärung der damals rätselhaften, zwischen 2000 und 2006 ohne Bekennerschreiben verübten Morde an neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern betrieben wurde; der NSU wird zudem für die Tötung einer Heilbronner Polizistin 2007 verantwortlich gemacht. Bei den Ermittlungen habe man schwerpunktmäßig nach Hintergründen etwa im Drogenmilieu, in der Organisierten Kriminalität, bei links- oder rechtsextremistischen türkischen Gruppen oder bei ausländischen Geheimdiensten gesucht. Verdeckte Ermittlungen hätten auch im Umfeld der Opfer stattgefunden.

Nach den Worten des Zeugen wurden über 30 Millionen Daten unterschiedlichster Herkunft herangezogen. Unter anderem seien Zehntausende von Daten über Reisebewegungen und von Visaunterlagen einreisender Türken ausgewertet worden. Nach Geiers Angaben wurden Kreditkarten, Hotelübernachtungen, Bilder von Überwachungskameras, Angaben aus Melderegistern und Telefonverbindungen massenhaft überprüft. Allein in München seien Hunderte türkischer Kleinunternehmer nach nützlichen Hinweisen befragt worden, so der Zeuge. Der Aufwand zum Aufspüren der Herkunft der Ceska-Tatwaffe war ebenfalls enorm. Selbst die Mitglieder von Nürnberger Schützenvereinen gerieten unter Verdacht und wurden durchleuchtet. Auch wurden über 100 Rasterfahndungen eingeleitet. Nirgends habe sich jedoch "eine heiße Spur" ergeben.

Gleichwohl erfuhr der Ausschuss, dass die Soko Bosporus am NSU erstaunlich dicht dran war. Laut Geier wurde auch die Theorie von Serientätern entwickelt, der eine Abneigung gegen Türken habe und sich als Rechtsextremist aus dieser Szene zurückgezogen habe, um unter dem Motto "Taten statt Worte" militant zu agieren. Bei der umfangreichen Überprüfung von Rechtsextremisten, die im Zusammenhang mit Waffen oder Straftaten aufgefallen waren, habe man sich auf Nürnberg als "wahrscheinlichsten" Verankerungspunkt der Täter beschränkt, wo die meisten Morde verübt wurden. Unions-Obmann Clemens Binninger wollte wissen, ob es keine Kontakte nach Sachsen und Thüringen gegeben habe, wo der NSU beheimatet war. Dazu sagte der Zeuge, man habe neben der Kooperation zwischen den Ermittlerteams noch über viele andere Kanäle in anderen Bundesländern auf die Mordserie aufmerksam gemacht: "Ich wäre froh gewesen, wenn wir Informationen über das Abtauchen des NSU bekommen hätten."

Viele Fragen aus dem Kreis der Abgeordneten zielten auf Schwachstellen bei der Zusammenarbeit zwischen polizeilichen und geheimdienstlichen Instanzen. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) wollte von Geier erfahren, ob er etwas über eine vom FBI ans BKA übermittelte Analyse wisse, wonach bei der Tötungsserie von einem fremdenfeindlichen Hintergrund auszugehen sei. Dazu der Zeuge: "Das kenne ich nicht." Ob es denn "normal" sei, dass der bayerische Verfassungsschutz erst nach mehrmonatigem Hin- und Her Geiers Team eine Liste mit Nürnberger Rechtsextremisten übermittelt habe, hakte Edathy bei einem anderen Punkt ein. Der Zeuge: "Das ist nicht normal, deshalb haben wir immer wieder nachgebohrt." Binninger nannte es ein "Trauerspiel", dass man beim Verfassungsschutz um Informationen habe betteln müssen.

Nach Geier wollte der Ausschuss noch drei weitere Zeugen vernehmen, u.a. Oberstaatsanwalt Walter Kimmel, dem die Verantwortung für die Ermittlungen zu den fünf Morden oblag, die in Nürnberg und München verübt wurden.

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2. Grüne wollen Auskunft über europäische Roadmap zum Klimaschutz

Umwelt/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AS) Die Europäische Klimapolitik steht im Mittelpunkt einer Kleinen Anfrage (17/9359) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Hintergrund ist die letzte Sitzung des EU-Umweltrates am 9. März 2012, bei der eine Einigung über eine europäische Klima-Roadmap am Widerstand Polens scheiterte. Strittig sind dabei vor allem die mittel- und langfristigen Reduktionsziele zum Schutz des Klimas. Die Grünen möchten in diesem Zusammenhang mit ihrer Kleinen Anfrage erfahren, was die Bundesregierung unternommen hat, um Polen zu einer Zustimmung zur Roadmap 2050 zu bewegen und ob es dabei konkrete Angebote an Polen gegeben hat. Gleichzeitig fragen die Abgeordneten, welche Möglichkeiten die Bundesregierung sieht, die Bedenken Polens bis zum Gipfel der Staats- und Regierungschefs 2012 auszuräumen. Die Bundesregierung wird außerdem gefragt, ob und wenn ja welche Möglichkeiten sie sieht, Maßnahmen für den Klimaschutz mit einer qualifizierten Mehrheit durchzusetzen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 212 - 26. April 2012 - 15:10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2012