Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3226: Heute im Bundestag Nr. 231 - 09.05.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 231
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 9. Mai 2012 Redaktionsschluss: 14:40 Uhr

1.‍ ‍Koalition stimmte für Marinemission vor der Küste Somalias
2.‍ ‍Innenausschuss debattierte über Vorratsdatenspeicherung
3.‍ ‍Rechtsausschuss informiert sich über mögliche Kompetenzerweiterung für Notare



1. Koalition stimmte für Marinemission vor der Küste Somalias

Auswärtiger Ausschuss

Berlin: (hib/BOB) Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP wollen die EU-geführte Operation "Atalanta" vor der Küste Somalias fortzuführen. Sie stimmte am Mittwochmittag im Auswärtigen Ausschuss für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung (17/9339). SPD, Die Linke und eine Stimme aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen votierten dagegen. Der Rest der Grünen enthielt sich. Am morgigen Donnerstag soll der Bundestag über das Mandat abschließend entscheiden.

Bis zu 1.400 Soldaten würden längstens bis zum 31. Mai 2013 damit betraut, auf hoher See mit Kriegsschiffen Piratenschiffe oder in der Gewalt von Piraten stehende Schiffe aufzubringen, die Personen an Bord des Schiffes festzunehmen und die dort befindlichen Vermögenswerte zu beschlagnahmen. Atalanta solle die vor der Küste von Somalia operierenden Piraten abschrecken und bekämpfen. Dabei solle zum einen die durch Piratenüberfälle gefährdete humanitäre Hilfe für die Not leidende somalische Bevölkerung sichergestellt werden. Zum anderen solle die Operation den zivilen Schiffsverkehr auf den dortigen Seewegen sichern, Geiselnahmen und Lösegelderpressungen unterbinden und das Völkerrecht durchsetzen.

Das Einsatzgebiet besteht laut Bundesregierung aus den somalischen Küstengebieten sowie den Meeresgebieten und den Nachbarländern innerhalb der Region des Indischen Ozeans. Hinzu komme der Luftraum über diesen Gebieten. Deutsche Einsatzkräfte dürften bis zu einer Tiefe von maximal 2.000 Metern gegen logistische Einrichtungen der Piraten am Strand vorgehen. Sie würden hierfür nicht am Boden eingesetzt. Die Durchführung etwaiger Rettungsmaßnahmen bleibe davon unberührt. Die Finanzierung für den Zeitraum vom 11. Mai 2012 bis 31. Mai 2013 würde insgesamt rund 105,2 Millionen Euro betragen.

*

2. Innenausschuss debattierte über Vorratsdatenspeicherung

Innenausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss hat am Mittwochvormittag kontrovers über den Streit um die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung debattiert. Dabei verwies ein Vertreter der EU-Direktion Innere Sicherheit darauf, dass der wesentliche Inhalt der Richtlinie aus dem Jahr 2006 von Deutschland nicht umgesetzt worden sei und die Europäische Kommission keine Anhaltspunkte für eine baldige Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfs habe. Er bekräftigte, dass der Bundesrepublik daher eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen Nichtumsetzung der Richtlinie droht. Die EU-Kommission könne es sich nicht leisten, die Nichtumsetzung durch Deutschland zu ignorieren. Der Vertreter betonte zugleich, dass die Kommission einen Vorschlag zur Verbesserung der Richtlinie unterbreiten werde, wofür er jedoch keinen Termin nennen könne. Ein Vertreter des Bundesinnenministeriums sagte mit Blick auf einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung, die Bundesregierung befinde sich hier im "Abstimmungsverfahren".

Die CDU/CSU-Fraktion betonte mit Blick auf eine mögliche Überarbeitung der Richtlinie, dass es auch dann bei einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung bleiben werde. Sie erkundigte sich zugleich danach, bei welchen Inhalten eine Überarbeitung in Erwägung gezogen werde. Auch wollte sie wissen, wie lange es dauern könne, bis der EuGH die Bundesrepublik wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie zu Strafzahlungen verurteilt.

Die SPD-Fraktion sprach sich für die Vorratsdatenspeicherung aus und hielt der Regierungskoalition einen anhaltenden Streit in dieser Frage vor. Die Bundesregierung solle dazu "endlich" etwas vorlegen, doch sei dies nicht zu sehen. Zwar könne man mit guten Gründen auch gegen die Vorratsdatenspeicherung sein, doch könnten Bundesregierung und Bundestag nicht Recht und Gesetz ablehnen.

Die FDP-Fraktion sagte, man habe das Problem "auf dem Schirm" und bemühe sich um eine Lösung, die aber nicht einfach sei. Sie verwies zugleich darauf, dass es auch relativ viele andere Vertragsverletzungsverfahren gebe und Deutschland auch in anderen Fällen zu Strafzahlungen verpflichtet worden sei. Zudem unterstrich sie, dass auch die Evaluierung der Richtlinie durch die EU-Kommission länger dauere.

Die Fraktion Die Linke kritisierte die Haltung der SPD zur Vorratsdatenspeicherung und wandte sich dagegen, "Krokodilstränen" wegen des Vertragsverletzungsverfahrens zu vergießen. Sie hob ebenfalls hervor, dass derzeit zahlreiche Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland liefen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstrich, immer gegen die Vorratsdatenspeicherung gewesen zu sein. Es könne jedoch keinen Zweifel daran geben, dass europäisches Recht auch umgesetzt sei. Die Koalition habe sich in der Frage der Vorratsdatenspeicherung "auf gar nichts geeinigt". Dies sei ein "Armutszeugnis".

*

3. Rechtsausschuss informiert sich über mögliche Kompetenzerweiterung für Notare

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/VER) Notare können nach Überzeugung des Bundesrates Aufgaben im gesamten Nachlasswesen als Teil der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit wahrnehmen. So könnten die Gerichte entlastet werden, schreibt die Länderkammer in einem Gesetzentwurf (17/1469), der Anlass einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochmittag war.

Mit den Notaren stünden "äußerst qualifizierte Personen" zur Verfügung, die häufig und professionell mit Nachlassangelegenheiten befasst sind, argumentiert der Bundesrat im Gesetzentwurf. Auch für den Bürger sei der Notar Ansprechpartner in Erbschaftsangelegenheiten, etwa bei der Beurkundung eines notariellen Testaments. Damit ließen sich die Aufgaben, die bislang die Nachlassgerichte wahrgenommen hätten - wie etwa die Verwahrung des Testaments, die Eröffnung des "letzten Willens" oder die Erteilung des Erbscheins -, verbinden.

Die Befürworter der Neureglung unter den neun geladenen Experten betonten, dass eine Kompetenzerweiterung für Notare eine Angleichung des Rechtssystems an europäische Staaten wie die Benelux-Länder sei, in denen dies längst Praxis sei. Von einer notwendigen Entlastung der Gerichte mithilfe des neuen Gesetzes sprachen die Interessensvertreter der Notare, Dr. Timm Starke, Präsident der Bundesnotarkammer, Dr. Oliver Vossius, Präsident des Deutschen Notarvereins - beide aus Berlin - sowie Dr. Gabriele Müller vom Deutschen Notarinstitut aus Würzburg. Auch der Präsident des Landgerichts Hildesheim, Dr. Ralph Guise-Rübe, würde die Neuerungen begrüßen, da sie "eine Entlastung für die Gerichte" sind und somit die "Effizienz steigern". Für die Bürger würden sich die "Wege verkürzen", da sie etwa für einen Erbscheinsantrag nicht mehr zum Gericht, sondern zum Notar gehen oder fahren müssten. Dieses Argument wiesen Mario Blödter, stellvertretender Bundesvorsitzender und Bundesgeschäftsführer des Bundes Deutscher Rechtspfleger aus Hohenmölsen bei Halle an der Saale, und Gerhart Reichling, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Zweibrücken und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbundes, entschieden zurück.

"Erbescheine werden in der Regel bei Gericht beantragt und abgeholt, nicht beim Notar, obwohl das ja bereits möglich ist", sagte Blödter. Er spreche aus Erfahrung. Er appellierte an die Politik: "Belassen Sie es bei diesem seit Jahrzehnten funktionierenden Prinzip." Und Reichling fügte hinzu, dass der Weg zum Notar vielleicht kürzer ist, aber davon auszugehen sei, dass Todesfälle nicht allzu regelmäßig auftreten und die Betroffenen eben nur selten den Gang zum Gericht auf sich nehmen müssten. Bei der eineinhalbstündigen Anhörung sprachen außerdem Professor Dr. Nicola Preuß von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Professor Dr. Johannes Hager von der Ludwig-Maximilian-Universität München und der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Gerichtsvollzieher, Walter Gietmann aus Krefeld.

Der Bundesrat machte in seinem Gesetzentwurf allerdings deutlich, dass eine Übertragung derartiger Aufgaben an die Grenzen des geltenden Verfassungsrechts stoße. Deshalb bedürfe es einer Änderung des Grundgesetzes, die klarstelle, dass Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare übertragen werden können (17/1468). Der Bundesrat hatte den selben Vorstoß schon einmal unternommen (16/9022, 16/9023), scheiterte jedoch. Die Bundesregierung begrüßt jedoch das Vorhaben. Die Übertragung der Aufgaben der Nachlassgerichte erster Instanz auf die Notare durch die Länder sei auch Ziel des Koalitionsvertrags.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 231 - 9. Mai 2012 - 14:40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2012