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BUNDESTAG/3227: Heute im Bundestag Nr. 232 - 09.05.2012




Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 232
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

hib - heute im bundestag Nr. 232 Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mi, 9. Mai 2012 Redaktionsschluss: 15:30 Uhr

1.‍ ‍Einige Sachverständige setzen auf smarte Konsolidierung
2.‍ ‍SPD will gleiche Auflagen für die Verbrennung von Abfällen
3.‍ ‍Im Bundestag notiert: Zwischenfälle in deutschen Atomkraftwerken bei Arbeiten im Leistungsbetrieb.
4.‍ ‍Im Bundestag notiert: Abbau umweltfreundlicher Subventionen

1. Einige Sachverständige setzen auf smarte Konsolidierung

Finanzausschuss/Öffentliche Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Hoch verschuldete Euro-Länder sollten mehr Zeit zum Abbau ihrer Defizite erhalten. Dies haben mehrere Sachverständige am Mittwoch im Finanzausschuss in einer öffentlichen Anhörung auf Fragen der Abgeordneten zu den "Volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Euro-Staatsschuldenkrise und neuen Instrumenten der Staatsfinanzierung" vorgeschlagen.

Die bisherige Krisenbekämpfungspolitik sei nicht in der Lage, die eigentlichen Probleme im Euro-Raum zu lösen, stellte Professor Sebastian Dullien (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) fest. Der Fiskalpakt schreibe ein dauerhaftes Budgetdefizit von nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Das dürfte in vielen Fällen "nicht ausreichend Raum für öffentliche Investitionen lassen". Neben Anleihekäufen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und Eurobonds müsse es Nachverhandlungen über die EU-Stabilitätsprogramme geben "und den Staaten mehr Zeit zum Defizitabbau gegeben werden", empfahl Dullien.

Professor Gustav Horn (Hans-Böckler-Stiftung) sprach sich für eine Reduzierung des Spartempos aus und meinte, eine "Vollbremsung auf glatter Fahrbahn" sei nicht das richtige Mittel, das Auto zum Stillstand zu bringen. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wollte nicht ausschließen, dass es vielleicht besser sei, im Falle Spaniens das Defizitziel möglicherweise nach hinten zu verschieben. Die Finanzmärkte würden auf kurzfristiges Wachstum setzen. Bei Wachstumseinbrüchen komme es daher nicht zu Zinssenkungen. "Eine gewisse Streckung ist diskussionswürdig", hieß es vom IW. Aber die angestrebten strukturellen Ausgabenkürzungen müssten erfolgen.

Professor Clemens Fuest (Oxford University) verlangte höhere öffentliche Investitionen und wies ebenfalls auf die Möglichkeit hin, den Krisenstaaten mehr Zeit beim Abbau der Budgetdefizite zu geben: "Ohnehin werden die Defizitziele in vielen Fällen verfehlt." Ob dadurch aber mehr als Strohfeuereffekte erreicht werden könnten, sei aber keineswegs sicher. "Sofern die Glaubwürdigkeit der Konsolidierung darunter leidet, kann auch das Gegenteil eintreten", schrieb Fuest in seiner Stellungnahme, in der er dringend empfahl, Haftung und Kontrolle in der Wirtschafts- und Finanzpolitik möglichst eng zusammenzuhalten. Dieses Problem stelle sich zum Beispiel bei der Bankensanierung. Wenn andere Staaten für spanische Banken Kapital bereitstellen sollten, müssten sie auch die Kontrolle darüber halten, was mit dem Geld geschehe. Wenn der spanische Bankensektor mit Rettungsfonds-Geldern rekapitalisiert werden sollte, "setzt das voraus, dass die spanische Regierung zumindest vorübergehend Souveränität im Bereich der Bankenregulierung abgibt".

Die Deutsche Bundesbank forderte dagegen, die zügige Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht in Frage zu stellen. Gerade die Umsetzung der vereinbarten Konsolidierung sei von entscheidender Bedeutung für die Glaubwürdigkeit des neuen fiskalischen Regelwerks. Vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hieß es, es müsse konsolidiert und für Wachstum gesorgt werden. Das qualitative Element des Wachstums sei bisher unterbewertet worden. Strikt gegen alle Vorstöße zur smarten Konsolidierung sprach sich Professor Michael Eilfort (Stiftung Marktwirtschaft) aus: "In ruhigem Rahmen ist noch nie in den letzten Jahrzehnten konsolidiert worden." Es müsse Druck zur Konsolidierung geben.

Gegen fiskalische Transfers, also Zahlungen zum Beispiel aus deutschen Steuergeldern an andere Länder, sprach sich Professorin Claudia Buch (Universität Tübingen aus). Solche Transfers würden die Gefahr bergen, dass nötige Strukturreformen aufgehalten werden würden. "Nicht zuletzt dürfte die politische Akzeptanz für eine Ausweitung von Transfers fehlen", so die Wissenschaftlerin. Professor Henrik Enderlein (Hertie School of Governance) vertrat die Ansicht, alle konkret diskutierten Maßnahmen würden nicht ausreichen, um die Probleme des Euroraums mittel- und langfristig in den Griff zu bekommen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verurteilte den radikalen Sparkurs. Dieser habe, gekoppelt mit dem Druck auf Löhne, Renten und Sozialsysteme "zu einer sozialen Katastrophe in den betroffenen Krisenländern geführt". Zur Finanzierung eines Programms für Wachstum und Beschäftigung forderte der DGB eine "Europäische Zukunftsanleihe", die von den Reichen (ab 500.000 Euro Vermögen) finanziert werden soll. Die EZB müsse zum "Kreditgeber der letzten Instanz" ausgebaut werden.

Die vorgeschlagenen gemeinsamen europäischen Anleihen zur Staatsfinanzierung lehnte der Vertreter der Bundesbank strikt ab. "Eine umfassende Gemeinschaftshaftung ist nicht kompatibel mit fehlenden Eingriffsrechten auf der europäischen Ebene", hieß es in der Stellungnahme der Bundesbank. Die Lösung der Probleme in den von der Vertrauenskrise betroffenen Ländern habe primär "im nationalen Kontext" zu erfolgen.

Die staatliche KfW-Bankengruppe wies auf ein "Zeitloch" zwischen dem Beginn der rezessiven Wirkung der Konsolidierung und dem Beginn der Wirkung von Strukturreformen hin. Um die Probleme in dem Zeitloch nicht zu verschlimmern, seien die unkonventionellen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank notwendig. Die EZB hatte Staatsanleihen aufgekauft und Banken mit Milliardenbeträgen zu günstigen Konditionen versorgt.

Eine längerfristige beziehungsweise nachhaltige Stabilisierung der Eurozone wird nach Ansicht von Professor Paul Welfens (Universität Wuppertal) nicht ohne Euro-Politik-Union möglich sein. "Zu Pessimismus besteht in der Eurozone und besonders in Deutschland kein Anlass. Die Überwindung der Krise erfordert geduldige und gezielte Maßnahmen, wobei die Rolle der Europäischen Kommission mittelfristig deutlich gestärkt werden sollte", empfahl Welfens.

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2. SPD will gleiche Auflagen für die Verbrennung von Abfällen

Umwelt/Antrag

Berlin: (hib/AS) Die SPD will die Schadstoffbelastung bei der Abfallverbrennung senken. Bei der Novelle der 17. Bundesimmissionsverordnung (17.BlmSchV) sollen daher für sogenannte Mitverbrennungsanlagen, bei denen Abfall in Industrieanalgen verbrannt wird, genau dieselben Auflagen gelten wie für reguläre Müllverbrennungsanlagen. Das fordert die SPD in einem Antrag (17/9555), der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestages steht. Zur Begründung schreibt die SPD, dass für die Mitverbrennungsanlagen oftmals Ausnahmeregelungen bestehen, so dass dort der Müll oftmals kostengünstiger verbrannt werden könnte als in Müllverbrennungsanlagen. Daher sollten bei der anstehenden Novelle der 17.‍ ‍BlmSchV die vorhandenen Ausnahmeregelungen überprüft und eine kontinuierliche Schadstoffmessung festgelegt werden. Grundsätzlich, schreibt die SPD, sollte verhindert werden, dass es durch die Abfallmitverbrennung zu einem Ökodumping komme.

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3. Im Bundestag notiert: Zwischenfälle in deutschen Atomkraftwerken bei Arbeiten im Leistungsbetrieb.

Umwelt/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AS) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bittet die Bundesregierung erneut um die Beantwortung einer Kleinen Anfrage (17/9488) zum Thema Zwischenfälle in deutschen Atomkraftwerken bei Arbeiten im Leistungsbetrieb. Dabei fragen die Abgeordneten erneut danach, welche meldepflichtigen Ereignisse es bei Instandhaltungs- oder Änderungsmaßnahmen in Atomkraftwerken gegeben hat.

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4. Im Bundestag notiert: Abbau umweltfreundlicher Subventionen

Umwelt/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AS) Der Abbau umweltfreundlicher Subventionen ist Thema einer Kleinen Anfrage (17/9489) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Anlass ist eine Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums (BMU) vom 30. März 2012 (BMU-Pressedienst Nr. 043/12), die den Titel "Heinen-Esser für Abbau umweltschädlicher Subventionen" trägt. Die Grünen fragen danach, welche konkreten Maßnahmen sich daraus für den Abbau umweltschädlicher Subventionen in der Bundesrepublik ergeben. Außerdem möchten die Abgeordneten wissen, ob das Bundesumweltministerium einen nationalen Aktionsplan zum Abbau umweltschädlicher Subventionen plant und wenn nein, warum sie es nicht tut.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 232 - 9. Mai 2012 - 15:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2012