Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3329: Heute im Bundestag Nr. 334 - 05.07.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 334
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 5. Juli 2012 Redaktionsschluss: 16:30 Uhr

1. "Schwere Niederlage für Sicherheitsbehörden"
2. Bundesrat will Rechtsklarheit bei der Auskunftserteilung zur Altersvorsorge
3. Bundesregierung: Wiederbewaldung nicht zu Lasten der Ernährungssicherheit
4. Im Bundestag notiert: Nutzerkosten für Mobilität



1. "Schwere Niederlage für Sicherheitsbehörden"

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Als "schwere Niederlage der Sicherheitsbehörden" hat Heinz Fromm die über Jahre hinweg erfolglosen Bemühungen von Geheimdiensten und Polizei zur Aufklärung der inzwischen dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Erschießung von neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie einer Polizistin zwischen 2000 und 2007 bezeichnet. Dies sei eine "schwere Last, die bleiben wird", sagte der scheidende Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) zum Auftakt seiner Vernehmung am Donnerstagnachmittag vor dem unter Vorsitz von Sebastian Edathy (SPD) tagenden Untersuchungsausschuss. Die Vernichtung von Akten, die auch im Zusammenhang mit der Mordserie stehen, durch einen BfV-Referatsleiter Ende 2011 nach dem Auffliegen der NSU-Zelle hat aus Sicht des Zeugen zu einem "schweren Ansehensverlust" für die Bundesbehörde geführt, "dessen Folgen nicht absehbar sind". Im Zuge der Debatte über diese Löschungsaktion hat Fromm vergangenen Montag seinen Rückzug von der BfV-Spitze für Ende Juli angekündigt. Der Ausschuss soll Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu den zehn Tötungsdelikten durchleuchten.

Fromm betonte, er habe in seinem Amt "immer einen Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus leisten wollen". Bei seiner Behörde habe man zwar durchaus die Gefahr gesehen, dass einzelne Personen oder Kleinstgruppen aus dem rechtsextremen Spektrum Anschläge verüben könnten, doch habe man sich das Entstehen terroristischer Zellen nach dem Muster der RAF nicht vorstellen können. Es hätten keine Erkenntnisse über einen rechtsextremen Hintergrund der Mordserie existiert. Auch der unter dem Namen "Operation Rennsteig" zwischen 1996 und 2003 praktizierte Einsatz von Spitzeln beim "Thüringer Heimatschutz", bei dem bis zum Untertauchen 1998 auch das NSU-Trio aktiv war, habe nichts zur Aufklärung beigesteuert. Die geschredderten Akten bezogen sich auf diese Maßnahme von Fromms Behörde, des Thüringer Verfassungsschutzes und des Militärischen Abschirmdienstes. Am Mittwochabend konnten die Mitglieder des Ausschusses die verbliebenen BfV-Unterlagen zu dieser Aktion ungeschwärzt einsehen und kamen zu dem Schluss, dass weder die NSU-Zelle noch Personen aus deren Umfeld als V-Leute angeworben wurden.

Bei seiner Befragung am Donnerstag stellte Fromm selbstkritisch die Frage, ob man mehr hätte wissen können, und sprach von einer "analytischen Engführung", die sich im Rückblick als "Fehler" erwiesen habe. Nach seinen Erläuterungen gründete man die Einschätzung rechtsextremistischer Gewaltgefahren auf präzise Erkenntnisse zu konkreten Taten in der Vergangenheit. Der Zeuge fragte indes, ob man die rechtsextreme Ideologie unzureichend begriffen und deshalb nicht bedacht habe, dass "Schlimmeres" möglich sein könne. Fromm: "Verstehen wir diese Bedrohung richtig?" In der Rückschau nannte er es auch einen Fehler, dass die Suche nach dem NSU-Trio eingestellt worden sei, nachdem keine Informationen zu deren Untertauchen mehr geflossen seien.

Für die umstrittene Aktenlöschung habe er "keine überzeugende Erklärung", so der amtierende BfV-Chef auf eine Frage Edathys. Möglicherweise sei diese Vernichtung auf eine von ihm in der Behörde angestoßene Debatte über Löschfristen zurückzuführen, in deren Gefolge auch Unterlagen aus dem Bereich der Beschaffung und der Anwerbung von Informanten vernichtet worden seien, bei denen dies zuvor nicht der Fall gewesen sei. Vor Fromms Auftritt vernahm der Ausschuss in geheimer Sitzung jenen Referatsleiter, der die Verschredderung angeordnet hatte und gegen den deshalb ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Nach dessen Anhörung kritisierten die Obleute der fünf Fraktionen einhellig, dass beim BfV offenbar keine klaren Regeln über Löschfristen existierten. Das sei "eher eine Lotterie als ein seriöses Prinzip", so Unions-Sprecher Clemens Binninger.

Als Lehre aus den fehlgeschlagenen Ermittlungen zur Mordserie plädierte Fromm für einen effektiveren Informationsaustausch zwischen den Behörden von Bund und Ländern. Innerhalb des Verfassungsschutz-Verbunds müssten ohne Vorsortierung "alle Online-Informationen allen zugänglich gemacht werden", das sei der entscheidende Punkt.

"Das kann man so sagen", kommentierte der Zeuge die Feststellung Edathys, dass besonders die Auskunftsbereitschaft der Landesämter gegenüber dem BfV "ausbaubar ist". Im Blick auf die "Operation Rennsteig" bezeichnete es Fromm als "nicht sinnvoll", dass zwar seine Behörde den Thüringer Verfassungsschutz über die von ihr eingesetzten V-Leute habe unterrichten müssen, dies aber umgekehrt nicht gegolten habe. Er habe erst aus den Medien erfahren, dass das Landesamt eine zentrale Figur des "Thüringer Heimatschutzes" als Informanten geführt habe.

Nach der Vernehmung Fromms wollte der Ausschuss noch Wolfgang Cremer anhören, den ehemaligen Chef der Abteilung Rechtsextremismus beim BfV.

*

2. Bundesrat will Rechtsklarheit bei der Auskunftserteilung zur Altersvorsorge

Arbeit und Soziales/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/TYH) Der Bundesrat möchte klarstellen, dass Gegenstand der Auskunftserteilung zur staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge auch eine einzelfallbezogene produkt- und anbieterneutrale Beratung sein kann. Wie aus einem Gesetzentwurf (17/10147), der dem Bundestag vorliegt, hervorgeht, soll § 15 Absatz 4 SGB I entsprechend geändert werden. Darin wird der Vorlage zufolge sichergestellt, dass den Auskunftssuchenden Kenntnisse vermittelt werden, die sie für eine entsprechende eigenverantwortliche Entscheidung zum Aufbau einer geförderten zusätzlichen Altersvorsorge benötigen.

In der Praxis habe sich jedoch gezeigt, dass es Unklarheiten hinsichtlich des rechtlich zulässigen Umfangs der Auskunftserteilung gebe, heißt es in dem Gesetzentwurf. Das gelte insbesondere für Auskünfte, die einzelne Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an Auskunftssuchende nach Ermittlung der jeweiligen künftigen gesetzlichen Rente und der jeweiligen Einkommens- und Vermögenslage erteilen. Da derartige Ermittlungen jedoch entscheidend seien für die Feststellung der Erforderlichkeit von zusätzlicher Altersvorsorge im Einzelfall, müsse eine eindeutige Regelung Rechtsklarheit schaffen, heißt es zur Begründung.

*

3. Bundesregierung: Wiederbewaldung nicht zu Lasten der Ernährungssicherheit

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben die Neuzusagen für den Erhalt von Wäldern und anderen Ökosystemen weltweit im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zwischen 2008 und 2011 von 159 Millionen Euro auf 309 Millionen Euro verdoppelt. Dieser Zuwachs könnte "in den nächsten Jahren auch zu einer Ausweitung von Ansätzen zur Wiederbewaldung und nachhaltigen Nutzung von Wäldern" führen, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung (17/9957) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/9820). Im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens zur biologischen Vielfalt habe Deutschland im Jahre 2008 zugesagt, zwischen 2009 und 2012 zusätzlich 500 Millionen Euro für den Erhalt von Wäldern und anderen Ökosystemen weltweit bereitzustellen und ab 2013 jährlich 500 Millionen Euro.

Konkret fördern laut Antwort etwa die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) derzeit 24 Projekte, deren Fokus "primär auf Aufforstung/Wiederbewaldung" liege, darunter in Ländern wie Bangladesch, China und Vietnam.

In Ländern mit "hohen Waldzerstörungsraten, Landnutzungskonflikten oder gar kriegerischen Auseinandersetzungen" seien Investitionen in die Wiederbewaldung aus Sicht der Bundesregierung kritisch zu hinterfragen. Flächen, die für die Ernährungssicherheit von großer Bedeutung sind, sollten zudem nicht wiederbewaldet werden, auch großflächige Monokulturen "sind in der Entwicklungszusammenarbeit nicht förderwürdig", heißt es weiter. Allerdings könne eine Aufforstung mit nur einer Baumart "aus bestimmten Gründen (Kosten, besonderer Standort, Nichtvorhandensein von Pflanzengut) oder als erster Schritt höher zu bewerten sein als das Belassen als Ödland oder Risikofläche".

*

4. Im Bundestag notiert: Nutzerkosten für Mobilität

Verkehr und Bau/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Trotz gestiegener Nutzerkosten für Mobilität - auch bedingt durch mehr Umweltfreundlichkeit, Sicherheit und Komfort - liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der Anteil der Verkehrsausgaben der privaten Haushalte in den gesamten Konsumausgaben seit 1991 nahezu stabil bei durchschnittlich rund 14 Prozent. Dies schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/10062) auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion (17/9836). Dabei sei bei Haushalten mit relativ geringem Einkommen der Anteil der Verkehrsausgaben deutlich niedriger. Für Unternehmen liege keine amtliche Statistik vor.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 334 - 5. Juli 2012 - 16:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2012