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BUNDESTAG/3415: Heute im Bundestag Nr. 420 - 26.09.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 420
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 26. September 2012 Redaktionsschluss: 18:20 Uhr

1. Experten diskutieren Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr
2. DOSB-Generaldirektor Vesper: Haben in London grandiose Spiele erlebt
3. Linke: Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern
4. Regierung erwartet keine Engpässe bei Kernbrennstoffen
5. Im Bundestag notiert: Überwindung von Sicherungseinrichtungen
6. Im Bundestag notiert: Schreiben von 255 "Berufsverbotsopfern"



1. Experten diskutieren Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/VER) Neun Experten haben am Mittwochnachmittag in einer Anhörung ihre Positionen zum Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr vor dem Rechtsausschuss dargelegt. Anlass war ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/9694), demzufolge bei Straftaten, die Soldaten der Bundeswehr während eines Auslandseinsatzes begangen haben, ein einheitliches Gericht für die Strafverfolgung geschaffen werden soll. Sitz dieses Gerichts soll dem Regierungsentwurf zufolge Kempten im Allgäu sein.

Die derzeitige Rechtslage werde weder den Anforderungen an eine effiziente Strafverfolgung noch den Besonderheiten dieser Verfahren gerecht, argumentiert die Bundesregierung. Neben der Kenntnis der militärischen Abläufe und Strukturen sowie der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen der Auslandsverwendung seien spezielle Erfahrungen bei Ermittlungen mit Auslandsbezug erforderlich. Hintergrund ist, dass nach dem bisherigen Strafprozessrecht Gerichte und Staatsanwaltschaften je nach Sitz der Einheit der Angeklagten an verschiedenen Orten zugleich tätig sein könnten.

In der Anhörung erklärte der leitende Rechtsberater des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Johannes Heinen aus Potsdam, dass die Einrichtung eines solchen Gerichtsstandes und die die damit verbundene Zentralisierung der staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit "aus rechtsstaatlicher Sicht geboten" sei. Somit befürworte er den vorliegenden Gesetzentwurf.

Während die Experten mehrheitlich den Regierungsentwurf begrüßten, gab es auch einige Bedenkenträger, auch unter den Befürwortern. Thomas Beck, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, betonte dass dem Entwurf, von dem er ein "positive Bild" habe, "nur wenige Kritikpunkte" innewohnten. In weiteren Schritten müsse die "justizielle Ermittlungshoheit bei Auslandseinsätzen" durch Bereitstellung kompetenter Ermittlungspersonen sichergestellt werden. Und auch Oberst Ulrich Kirsch, Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes, sprach sich zwar für den Gesetzentwurf aus; dieser könne allerdings auf dem "eingeschlagenen Weg zu einer wirklich effizienten und gleichzeitig rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden" Strafverfolgung "nur der erste Schritt" sein.

Entschieden gegen die Gesetzesinitiative sprach sich Susanne Müller, Vorsitzende Richterin am Landgericht Freiburg im Breisgau und Mitglied der Neuen Richtervereinigung e.V., aus. Die Zentralisierung sei nicht erforderlich und sogar schädlich, weil sie "Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes" schaffe. Und der Historiker und Publizist Rolf Surmann aus Hamburg betonte, dass aufgrund "vorhandener Aufarbeitungsdefizite" die deutsche Vergangenheit bei allen Entscheidungen mit einzubeziehen sei. Er bemängelte, dass im Gesetzentwurf auf den "Nachweis der praktischen Notwendigkeit neuer Justizstrukturen mit militärspezifischen Aufgaben verzichtet" werde. Dieser wäre seiner Ansicht nach allerdings auch "schwer zu führen".

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2. DOSB-Generaldirektor Vesper: Haben in London grandiose Spiele erlebt

Sportausschuss

Berlin: (hib/HAU) Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Michael Vesper zieht ein positives Fazit zu den Olympischen Sommerspielen 2012 in London. "Wir haben wahrhaft grandiose Spiele erlebt", sagte Vesper vor dem Sportausschuss am Mittwochnachmittag. Bernhard Schwank, Leistungssportdirektor des DOSB sprach von einem "sportlich zufriedenstellenden Ergebnis" für das deutsche Team. In einigen Sportarten habe es jedoch "erhebliche Defizite" gegeben. Aus den Reihen der Oppositionsfraktionen gab es im Verlauf der Sitzung starke Kritik am Umgang mit den Zielvereinbarungen zwischen Bundesinnenministerium (BMI) und DOSB. Das Ministerium hatte sich erst aufgrund eines Gerichtsbeschlusses zur Veröffentlichung der Vereinbarungen bereit erklärt.

Sowohl Schwank als auch Rainer Brechtken, Sprecher der Spitzenverbände im DOSB, machten deutlich, grundsätzlich am Instrument der Zielvereinbarungen festhalten zu wollen. Das Steuerungsmodell Leistungssport mit den Zielvereinbarungen und den Meilensteingesprächen im Mittelpunkt habe sich bewährt, sagte Schwank. Das Prinzip der Grundförderung neben der Projektförderung müsse erhalten bleiben, forderte er. Der deutlich überwiegende Teil der Verbände halte das derzeitige System der Förderung für "richtig und zielführend", ergänzte Brechtken. Kritikern hielt er entgegen: "Wer die Förderung verändern will, muss auch konkret sagen wie." Die Einschätzung des DOSB-Leistungssportdirektors, wonach es im deutschen Sport Probleme in der Abstimmung unter anderem zwischen Landesverbänden und Leistungsstützpunkten gebe, teilte auch der Sprecher der Spitzenverbände. Auch wenn eine Zentralisierung der Stützpunkte aus historischen Gründen nicht so wie in anderen Ländern durchsetzbar sei, sei eine "maßvolle zentrale Steuerung unabdingbar", forderte Brechtken.

Die reine Medaillenfokussierung bezeichnete Christian Schreiber von der Athletenkommission des DOSB als falsch. Wenn ein junger Athlet bei den Spielen seine persönliche Bestleistung erreiche, müsse das ebenfalls honoriert werden, forderte der Ruderer. "Nicht nachvollziehbar" ist aus Sicht Schreibers die ungeklärte Finanzierungssituation der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada). "Jeder sonnt sich im Erfolg der Nada, aber für die Unterdeckung im Budget ist keiner zuständig", kritisierte er. Gegen eine reine Medaillenfokussierung wandten sich auch die meisten Ausschussmitglieder. Das sei nicht mehr zeitgemäß, befand Viola von Cramon (Bündnis 90/Die Grünen). Jens Petermann (Die Linke) forderte ebenso Lutz Knopek (FDP) eine Orientierung an der persönlichen Bestleistung.

Gemeinsam mit dem SPD-Abgeordneten Martin Gerster waren sie sich einig in der Bewertung des Umgangs mit den Zielvereinbarungen. Nach Ansicht Gersters muss der Sportausschuss Einsicht in diese "zentralen Instrumente der Sportförderung" erhalten. Stattdessen habe der Innenminister ein "unwürdiges Schauspiel aufgeführt". Der Klageweg war unnötig, sagte auch Petermann und forderte mehr Transparenz. Für Viola von Cramon geht der Umgang mit den Zielvereinbarungen "in Richtung Subventionsbetrug". Man habe die Zielvorstellung unrealistisch hoch angesetzt, um mehr Fördermittel zu erhalten, sagte sie. Für mehr Transparenz bei den Zielvereinbarungen sprach sich auch Lutz Knopek aus. "Wenn der Eindruck entsteht, hier soll etwas vertuscht werden, ist das schlecht", sagte er.

Die Art der Veröffentlichung habe gezeigt, dass es richtig gewesen sei, die Zielvereinbarungen nicht zu veröffentlichen, urteilte hingegen Klaus Riegert (CDU/CSU). Mit Blick auf die Nada kritisierte Riegert, dass die Bundesländer und die Wirtschaft ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen würden. Der Bund habe hingegen wie zugesagt seine Anschubfinanzierung geleistet.

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3. Linke: Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung soll nach dem Willen der Fraktion Die Linke darauf hinwirken, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. In einem Antrag (17/10785) fordert die Fraktion zudem die Regierung auf, unter Einbeziehung der Kommunalen Spitzenverbände und der Kulturverbände mit den Ländervertretern "über die weitere Ausgestaltung des kooperativen Kulturföderalismus und die Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Bund, Ländern und Kommunen zum Schutz und zur Förderung der Kultur zu beraten". Ferner soll die Bundesregierung laut Vorlage in der Finanz- und Steuerpolitik des Bundes die Voraussetzungen dafür schaffen, "dass die Länder und Kommunen ihren Aufgaben zur Daseinsvorsorge auch im kulturellen Bereich nachkommen können".

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4. Regierung erwartet keine Engpässe bei Kernbrennstoffen

Umwelt/Antwort

Berlin: (hib/AS) Derzeit gibt es weltweit mit etwa 11,4 Megatonnen Uranreserven umfangreiche Vorräte an Kernbrennstoffen. Diese Zahl nennt die Bundesregierung in einer Antwort (17/10573) auf eine Kleine Anfrage (17/10434) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die Herkunft und Transporte von Kernbrennstoffen und ihrem Ausgangsmaterial. Dabei bezieht sich die Regierung auf eine Kurzstudie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). "In absehbarer Zeit sind keine Engpässe bei der Versorgung mit Kernbrennstoffen zu erwarten", schreibt die Regierung in ihrer Antwort auf die Frage, wie sie die Entwicklung des Uranmarktes nach dem Inkrafttreten der letzten Atomgesetznovelle am 6. August 2011 beurteile. Gleichzeitig erklärt die Regierung, dass die Produktion von Kernbrennstoffen überwiegend in politisch stabilen Ländern wie Kasachstan, Kanada und Australien erfolge. Als Folge der höheren Nachfrage, insbesondere in Asien, seien die Rohstoffpreise für Uran in den letzten Jahren gestiegen. Es sei daher zu erwarten, dass die Förderung auch in anderen Ländern weiter zunehmen werde.

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5. Im Bundestag notiert: Überwindung von Sicherungseinrichtungen

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Das EU-Projekt "International Specalist Law Enforcement" (ISLE) ist Thema der Antwort der Bundesregierung (17/10713) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/10575). Ziel des Projekts war danach die "Verbesserung des Informationsaustausches von polizeilichen Dienststellen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU)/des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), bei denen technische Fähigkeiten zur Überwindung von Sicherungseinrichtungen an mobilen (zum Beispiel Kraftfahrzeuge) und immobilen Objekten (zum Beispiel Wohnungen, Häuser) zum Einsatz kommen". Das Projekt sei zwischen März 2010 und März 2012 unter Beteiligung des Bundeskriminalamtes durchgeführt und zwischenzeitlich abgeschlossen worden.

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6. Im Bundestag notiert: Schreiben von 255 "Berufsverbotsopfern"

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung plant keine Initiativen zu Forderungen von vom sogenannten Radikalenerlass aus dem Jahr 1972 Betroffenen nach Rehabilitierung und einer Entschuldigung. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (17/10703) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/10570) hervor. Darin hatten sich die Abgeordneten danach erkundigt, wie die Bundesregierung zu den in einem dem Bundeskanzleramt übergebenen Schreiben von 255 "Berufsverbotsopfern" enthaltenen "Forderungen nach Rehabilitierung und einer Entschuldigung für das erlittene Unrecht" steht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 420 - 26. September 2012 - 18:20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2012