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BUNDESTAG/3474: Heute im Bundestag Nr. 479 - 25.10.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 479
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 25. Oktober 2012 Redaktionsschluss: 14:55 Uhr

1. BKA-Vize: Vielleicht zu sehr in Theorie vom kriminellen Motiv "verbissen"
2. Grüne fordern Ende der Gaza-Blockade
3. Grüne fordern Aufhebung der Administrativhaft
4. Grüne fordern Entlassung des BER-Geschäftsführers
5. SPD will Patienten entlasten



1. BKA-Vize: Vielleicht zu sehr in Theorie vom kriminellen Motiv "verbissen"

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Verstärkte Bemühungen bei der Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Verfassungsschutzbehörden hat Jürgen Maurer gefordert. Vor dem Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Erschießung von neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin zwischen 2000 und 2007 durchleuchten soll, plädierte der Vizepräsident des Bundeskriminalamts (BKA) am Donnerstag zum Auftakt der Zeugenvernehmungen für eine Zentralisierung der Aufklärungsarbeit bei Delikten mit Dimensionen wie bei dieser Mordserie. Der Ex-Chef des BKA-Staatsschutzes erklärte, 2006 hätte er sich angesichts der festgefahrenen Recherchen zu den damals neun Hinrichtungen politischen Druck mit dem Ziel gewünscht, mehr Ressourcen für die Ermittlungen zu mobilisieren.

Der Zeuge räumte ein, dass man sich bei den Sicherheitsbehörden vielleicht zu sehr in die Theorie eines kriminellen Hintergrunds der Attentate "verbissen" habe. So sei etwa bei einem Nagelbombenattentat in einem vorwiegend von Türken bewohnten Kölner Quartier 2004 ein eventuell in Frage kommendes fremdenfeindliches Motiv "vorschnell" ausgeschlossen worden. Generell habe das "faktische Schwergewicht" bei der Verfolgung von Spuren im kriminellen Milieu gelegen, so Maurer, doch sei auch auf sein Drängen hin immer wieder die Hypothese von ausländerfeindlich eingestellten Einzeltätern geprüft worden. Solche Erwägungen seien allein schon angesichts der Erfolglosigkeit der Aufklärungsarbeit im kriminellen Bereich geboten gewesen. Beim BKA sei man nicht der Meinung gewesen, nur "Türken, Türken, Türken" kämen als Täter in Frage. Doch sei die Theorie eines rechtextremistischen Hintergrunds der Erschießungen nicht durch "festmachbare" Hinweise gestützt worden, "da gab es nichts".

Maurer erläuterte, dass er den Vorstoß des BKA im Jahr 2006 für eine Zentralisierung der Recherchen befürwortet habe, um eine "Draufsicht" auf die Morde in mehreren Ländern zu ermöglichen und den "Verlust von Informationen" bei der Kooperation verschiedener Behörden zu vermeiden. Nach dem Scheitern dieser Initiative auf politischer Ebene, das ihn "irritiert" habe, sei die bei zahlreichen Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften angesiedelte Aufklärungsarbeit zwar "aufwendiger" und "schwerfälliger" geworden. Doch habe dies nicht dazu geführt, betonte der Zeuge, dass man irgendeine Spur nicht bearbeitet habe.

Nicht bewerten wollte Maurer die vom Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy erwähnte unterschiedliche Beurteilung der Ermittlungen zwischen BKA-Chef Jörg Ziercke und dem ehemaligen BKA-Vize Bernhard Falk: Laut Falk sei die Aufklärungsarbeit wegen der fehlenden Zentralisierung "stümperhaft" gewesen, so der SPD-Abgeordnete, während aus Zierckes Sicht alles optimal gelaufen sei. Edathy kritisierte, dass erst 2006 nach schon neun Morden ein fremdenfeindlicher Hintergrund ernsthaft erwogen worden sei. Aus Sicht des Gremiumsvorsitzenden ist das Fehlen von Bekennerschreiben nach Anschlägen geradezu ein "signifikantes Merkmal" eines rechtsterroristischen Motivs. Edathy monierte, dass die Ermittlungen in Richtung Ausländerfeindlichkeit mit weitaus weniger Aufwand betrieben worden sei als die Suche nach Tätern im kriminellen Bereich. Zum Beleg verwies er auf eine entsprechende analytische Gegenüberstellung beider Theorien durch das BKA im September 2006. Damals sei beim BKA die These vertreten worden, die Opfer seien wegen des Alters, des Aussehens und des persönlichen Umfelds sehr verschieden. Da es sich aber sämtlich um Türken gehandelt habe, so Edathy, "ist das schon fast hanebüchen".

Nach Maurer wollte der Ausschuss bis zum Abend noch den bayerischen Polizeipräsidenten Waldemar Kindler und Ernst Setzer von der BKA-Sprengstoffermittlung als Zeugen vernehmen.

Vor Beginn der Sitzung hatten die fünf Fraktionsobleute angekündigt, man werde sich nun auch mit der Ku-Klux-Klan-Affäre in Baden-Württemberg befassen. Dabei werde auch geprüft, ob es Verbindungen zum NSU gab. Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts soll ein Verfassungsschützer möglicherweise den Chef des kurzzeitig existierenden Ku-Klux-Klan-Ablegers vor einer Telefonüberwachung gewarnt haben. Zudem kursiert der Verdacht, der Anführer könne möglicherweise ein V-Mann des Geheimdiensts gewesen sein.

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2. Grüne fordern Ende der Gaza-Blockade

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, die israelische Regierung zu einem "grundlegenden Politikwechsel gegenüber Gaza und einer Aufhebung der Blockade Gazas" zu bewegen. Zugleich soll von der Hamas die Unterbindung der Gewalt gegen Israel und die Einhaltung der Menschenrechte im Gaza-Streifen eingefordert werden, heißt es in einem Antrag (17/11167), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

Israels Blockade soll sich gegen die Hamas richten, bewirke jedoch oft das Gegenteil: Politisch und wirtschaftlich profitiere die Hamas, dagegen litten Zivilisten, insbesondere junge, säkulare Bewohner darunter, schreiben die Abgeordneten. Die Blockade verhindere eine echte wirtschaftliche Erholung und leiste massiver Korruption und der Entstehung von mafiösen Strukturen in Gaza Vorschub. Zur Verbesserung der Situation bedürfe es einer "Beendigung der israelischen Blockade unter Berücksichtigung Israels legitimer Sicherheitsinteressen".

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3. Grüne fordern Aufhebung der Administrativhaft

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung soll sich weltweit für ein Ende der Administrativhaft einsetzen. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Grünen in einem Antrag (17/11166), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Die Abgeordneten wollen, dass die Bundesregierung "gegenüber der israelischen Regierung, der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas die Aufhebung der Administrativhaft sowie willkürlicher Verhaftungen" fordert.

In Israel säßen derzeit mehr als 300 palästinensische Gefangene in Administrativhaft, bei der Personen "aus nicht näher erklärten Sicherheitsgründen für bis zu sechs Monate ohne Anklage inhaftiert" würden, darunter auch Minderjährige. Die Hamas inhaftierte wiederum "willkürlich Hunderte Personen mit Verbindungen zur Fatah", während die Palästinensische Autonomiebehörde Hamas-Anhänger willkürlich festnehme, schreiben die Abgeordneten.

Die Administrativhaft schränke die Verfahrensgarantien von Betroffenen erheblich ein und sei "unter rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Gesichtspunkten inakzeptabel", heißt es im Antrag weiter. Israelische und palästinensische Menschenrechts-Organisationen würden die Administrativhaft als Maßnahme zur Umgehung der Strafprozessvorschriften kritisieren.

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4. Grüne fordern Entlassung des BER-Geschäftsführers

Verkehr und Bau/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Der Geschäftsführer des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) soll entlassen und der Aufsichtsrat neu besetzt werden. Das fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (17/11168), der am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird. Deshalb soll die Bundesregierung eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einberufen und in dieser eine Sonderprüfung zur Umsetzung des Bauvorhabens Flughafen Berlin-Brandenburg einfordern. Außerdem soll ein Verfahren zur Sicherung von Ersatzansprüchen für Schäden, die aufgrund falscher Entscheidungen der Geschäftsführung und der Mitglieder des Aufsichtsrates entstanden sind, eingeleitet werden. Schließlich soll der neue Aufsichtsrat auch dafür sorgen, dass die Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 2011 keine Erfolgsprämien erhält.

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5. SPD will Patienten entlasten

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/TVW) Aus Sicht der Fraktion der SPD hat die im Jahre 2003 auf Druck der Union beschlossene Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal das erklärte Ziel, die Inanspruchnahme von Vertragsärzten besser zu strukturieren, bis heute nicht erreicht. In ihrem Antrag (17/11140) vertritt die SPD die Ansicht, dass die Steuerungswirkung der Praxisgebühr diffus geblieben sei. "Immer noch liegt Deutschland bei der Zahl der Arztkontakte mit 17 pro Einwohner international an der Spitze", erklärt die SPD. Da auch Fachärzte als überweisende Ärzte nach Entrichtung der 10 Euro eingesetzt werden könnten, sei auch die erhoffte Stärkung der hausärztlichen Versorgung ausgeblieben. Nach Angaben der SPD nimmt die Zahl der Hausärzte in Deutschland jedes Jahr weiter ab. Dies sei auch auf die deutlich schlechtere Honorierung von Hausärzten im Vergleich zu Fachärzten zurückzuführen.

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, die Praxisgebühr wegen ihrer mangelhaften Effekte und der positiven Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ersatzlos zu streichen. Stattdessen solle man zu paritätisch finanzierten Beitragssätzen und zur Beitragssatzautonomie der Krankenkassen zurückkehren. Ferner verlangt die SPD, zur Stärkung der Hausärzte die von Koalition vorgenommene Begrenzung der Honorare für Hausärzte in Verträgen nach § 73b SGB V rückgängig zu machen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 479 - 25. Oktober 2012 - 00:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2012