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BUNDESTAG/3532: Heute im Bundestag Nr. 537 - 22.11.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 537
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 22. November 2012 Redaktionsschluss: 17:00 Uhr

1. Gesetz soll Anordnung ärztlicher Zwangsmaßnahmen wieder ermöglichen
2. EGMR: Regierung will Kostenhilfe für Drittbetroffene einführen



1. Gesetz soll Anordnung ärztlicher Zwangsmaßnahmen wieder ermöglichen

Recht/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/VER) Mit einer gesetzlichen Neuregelung wollen die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP ärztliche Zwangsmaßnahmen wieder zulassen. Die Regelung soll ausschließlich für psychisch beeinträchtigte Menschen und nur in Einzelfällen gelten. Mit dem Gesetzentwurf "zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme" (17/11513) wollen die Fraktionen "eine hinreichend bestimmte Regelung für die Einwilligung des Betreuers in eine Behandlung des Betreuten, die dieser ablehnt", schaffen.

Bis vor kurzem wurde die gesetzliche Regelung nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Paragraf 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gesehen. Demnach durften "Betroffene im Rahmen einer Unterbringung und unter engen Voraussetzungen auch gegen ihren natürlichen Willen behandelt werden", heißt es in der Vorlage. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen im Juni 2012 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Er entschied, dass es an einer gesetzlichen Regelung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, fehle. Seither sei "eine auf das Betreuungsrecht gestützte Behandlung von Betroffenen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer seelischen oder geistigen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können und denen ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht" nicht möglich, schreiben die Abgeordneten.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll nun eine hinreichend bestimmte Regelung für die Einwilligung des Betreuers in eine Behandlung des Betreuten, die dieser ablehnt, geschaffen werden. In Anlehnung an das BGB müsse eine Zwangsbehandlung weiterhin "im Rahmen einer Unterbringung nach Paragraph 1906 Absatz 1 BGB erfolgen". Sowohl Unterbringung, als auch Zwangsmaßnahme bedürften der gerichtlichen Genehmigung.

Zudem, halten die Verfasser der Vorlage fest, dürften ärztliche Zwangsmaßnahmen nur das letzte Mittel sein, da mit ihnen ein "erheblicher Grundrechtseingriff" verbunden sei. Sie sollten insbesondere in Situationen drohender erheblicher Selbstgefährdung infrage kommen.

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2. EGMR: Regierung will Kostenhilfe für Drittbetroffene einführen

Recht/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/VER) Die Bundesregierung will eine "Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)" durchsetzen. Deshalb hat sie unter diesem Titel einen Gesetzentwurf (17/11211) in den Bundestag eingebracht.

In Verfahren vor dem EGMR "stehen sich Beschwerdeführer und die Bundesrepublik Deutschland gegenüber", heißt es in der Vorlage. In vielen Fällen seien neben den Beschwerdeführern auch Dritte in ihren Menschenrechten betroffen, beispielsweise Kinder. Die Europäische Menschenrechtskonvention sehe vor, dass sich diese Drittbetroffenen an den Verfahren beteiligen können. Allerdings müssten sie die Kosten dafür selbst aufbringen. "Sind sie dazu nicht in der Lage, scheitert die Drittbeteiligung", schreibt die Bundesregierung weiter. Der Zugang zum EGMR von drittbetroffenen Personen hänge folglich von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ab. Das sei "aus rechts- und sozialstaatlichen Gesichtspunkten nicht hinnehmbar", argumentieren die Gesetzesinitiatoren.

Nach dem Willen der Regierung soll künftig aus der Bundeskasse Kostenhilfe gewährt werden, "wenn eine dritte in ihren Menschenrechten betroffene Person finanziell bedürftig ist und nach nationalem Recht Prozesskostenhilfe erhalten würde". Die Höhe, so heißt es in dem Entwurf weiter, richte sich nach den Vorschriften der EGMR-Verfahrensordnung, die die "Prozesskosten zugunsten der Beschwerdeführer regeln". Es handele sich um "Kostenzuschüsse in bescheidener Höhe". Drittbetroffene seien so in dieser Hinsicht den Beschwerdeführern gleichgestellt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 537 - 22. November 2012 - 17:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2012