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BUNDESTAG/3620: Heute im Bundestag Nr. 020 - 16.01.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 020
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 16. Januar 2013 Redaktionsschluss: 12:20 Uhr

1. Ärztliche Zwangsmaßnahmen: Rechtsausschuss beschließt Gesetzentwurf
2. Gesundheitsausschuss setzt sich für strengere Überwachung von Medizinprodukteherstellern ein
3. Bundesregierung: Grundsatz der Inlands-Entsorgung von Atommüll bleibt unverändert
4. Bundesregierung: Humanitäre Lage in Mali bleibt angespannt



1. Ärztliche Zwangsmaßnahmen: Rechtsausschuss beschließt Gesetzentwurf

Rechtsausschuss

Berlin: (hib/VER) Der Rechtsausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwochvormittag einen Gesetzentwurf zur "Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme" (17/11513) der Koalitionsfraktionen in der vom Ausschuss geänderten Fassung beschlossen. Für den Entwurf stimmten die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD gegen die Stimmen der Linksfraktion und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Mit dieser gesetzlichen Neuregelung sollen ärztliche Zwangsmaßnahmen wieder zugelassen werden. Sie sollen jedoch ausschließlich bei psychisch beeinträchtigte Menschen und nur in Einzelfällen zur Anwendung kommen.

Nach Meinung der Grünen-Fraktion hätte im Gesetzestext unter anderem stärker zum Ausdruck kommen müssen, dass zuerst ein ernsthafter Versuch unternommen werden müsse, die Einwilligung des Betroffenen zur Behandlung zu erreichen, begründete eine Abgeordnete die Enthaltung ihrer Fraktion. Allerdings lobte sie den Prozess des Gesetzgebungsverfahrens, zu dem eine Expertenanhörung und die Einarbeitung verschiedener Änderungen in den Text gehörten.

Dem genannten Kritikpunkt der Grünen-Fraktion hätten die Initiatoren sehr wohl Rechnung getragen, entgegneten zwei Abgeordnete von CDU/CSU- und FDP-Fraktion. In der Substanz sei das Anliegen enthalten, die Betroffenen von der Notwendigkeit der Behandlung zu überzeugen, sagte der Redner der CDU/CSU-Fraktion. Allerdings sei die Formulierung kürzer ausgefallen, als von der Grünen-Fraktion gewünscht.

Mit Blick auf das Lob der Grünen-Abgeordneten sagte der FDP-Abgeordnete, dass der Gesetzgebungsprozess zuerst wegen der gebotenen Eile auf Kritik gestoßen sei. Doch diese sei dann doch nicht in dem zuerst vermuteten Ausmaß geboten gewesen, so dass die Verantwortlichen den Prozess entschleunigt hätten.

Ein Redner der Linksfraktion erklärte, dass er mehrere Kritikpunkte habe. Vor allem ändere das Gesetz nichts an der Zahl und der Schwere der Fälle. Deshalb lehne seine Fraktion den Entwurf ab. Er betonte, dass es um den Eingriff in die Menschenrechte ginge und eine Zwangsmaßnahme immer "Ultima Ratio" bleiben müsse.

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2. Gesundheitsausschuss setzt sich für strengere Überwachung von Medizinprodukteherstellern ein

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/TVW) Der Gesundheitsausschuss hat heute darüber beraten, wie Medizinprodukte für Patienten sicherer gemacht werden können. Anlass dafür waren die in den vergangenen Jahren bekannt gewordenen Fälle einer Verbreitung von fehlerhaften Produkten, insbesondere von Hüftprothesen und Brustimplantaten. Besonders großes Aufsehen hatte im Dezember 2011 der sogenannten PIP-Skandal erregt. Das französische Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) hatte für Brustimplantate statt medizinischen Silikons billiges Industriesilikon verwendet, das erhebliche gesundheitliche Gefahren birgt. Gegenstand der Beratungen im Ausschuss waren Anträge der Koalition (17/11830), der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/8920) und der Fraktion Die Linke (17/8581).

Die Abgeordneten der Fraktion der CDU/CSU wiesen darauf hin, dass der Antrag der Koalition auch eine Reaktion auf den PIP-Skandal sei. Die EU-Kommission habe im September 2012 Vorschläge für zwei Verordnungen vorgelegt, mit denen die bislang geltenden Medizinprodukterichtlinien abgelöst werden sollen. Nach Ansicht der CDU/CSU ist das Vorhaben geeignet, die Kontrolle von Medizinprodukten zu verbessern. "Die Erhöhung der Patientensicherheit sollte dabei das oberste Prinzip sein", betonten die Abgeordneten. Allerdings sieht die Union keine Veranlassung, die Marktzugangsvoraussetzungen für Medizinprodukte zu ändern. Die Umstellung auf ein staatliches Zulassungssystem sei auf jeden Fall abzulehnen. "Das geltende Verfahren, wonach die Zulassung durch die Benannten Stellen erfolgt, ist sachgerecht", meinten die Abgeordneten. Das System habe sich insbesondere bei der Einführung von Innovativen im Bereich der Medizinprodukte bewährt. Hingegen müsse die Überwachung der Benannten Stellen durch staatliche Behörden verbessert werden. "Fernziel muss es sein, zu einem EU-weit einheitlichen System der Marktüberwachung zu gelangen", resümieren die Unionsabgeordneten.

Die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezweifeln hingegen, dass sich das etablierte System der Zulassung von Medizinprodukten bewährt habe. Bei den Medizinprodukten sei in den vergangenen Jahrzehnten eine sehr dynamische Entwicklung zu beobachten gewesen. Die Fachwelt beurteile aber so manches neue Produkt, zum Beispiel Hüftprothesen, eher sehr kritisch. Um die Sicherheit von Patienten auch bei den Hochrisikoprodukten, den Produkten der sogenannten Risikoklasse III, zu gewährleisten, müssten mehr klinische Studien zu Medizinprodukten angefertigt werden. "Uns reichen hier weder die Vorschläge der Europäischen Kommission noch die der Koalition aus", sagten die Abgeordneten. Daher fordern die Grünen, das Zulassungsverfahren für Medizinprodukte ähnlich wie das für Arzneimittel auszugestalten. "Ob dafür dann, wie gehabt, die Benannten Stellen oder aber staatliche Stellen zuständig wären, ist nicht entscheidend", meinten die Grünen.

Die Abgeordneten der Fraktion der SPD wiesen darauf hin, dass ihr Antrag zum Thema Medizinprodukte (17/9932) bereits im Juni 2012 gemeinsam mit dem Patientenrechtegesetz im Ausschuss abschließend beraten worden sei. Beide Regelungsmaterien gehörten zusammen. Nach Ansicht der SPD-Abgeordneten reicht eine Änderung von EU-Richtlinien, wie sie die Koalition favorisiere, nicht aus, um die Situation zu verbessern. "Es dürfen nur solche Medizinprodukte zugelassen werden, die nachweislich einen Nutzen für die Patienten besitzen", forderten die Abgeordneten. Für Produkte der Risikoklassen IIb und III müssten klinische Studien nach einheitlichen Standards durchgeführt werden. Ferner verlangt die SPD, "dass die Benannten Stellen unangemeldete Kontrollen in den Herstellerbetrieben durchführen." Zudem sollte den Firmen vorgeschrieben werden, eine Haftpflichtversicherung für ihre Produkte abzuschließen. "Die Anhörung des Ausschusses hat gezeigt, dass die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen notwendig sind, weil die Medizinprodukte so kompliziert geworden sind", schlussfolgern die SPD-Abgeordneten.

Die Abgeordneten der Fraktion Die Linke halten die in dem Antrag der Koalition aufgeführten Maßnahmen zwar zum Großteil für sinnvoll, sehen sie aber als nicht ausreichend an. Auch die Beurteilung des gegenwärtig geltenden Zulassungs- und Überwachungssystems fällt aus Sicht der Linken im Koalitionsantrag zu positiv aus. Daher würde die Linke einem staatlichen gegenüber einem privatrechtlich organisierten System den Vorzug geben. Auch mit dem Antrag der Grünen stimmen die Abgeordneten der Linken in Vielem, etwa was die Durchführung von Studien angehe, überein. Der Grünen-Antrag enthalte aber auch innere Widersprüche. "Die geforderte Angleichung des Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte an das für Arzneimittel geht in die falsche Richtung", finden die Linken.

Die Abgeordneten der Fraktion der FDP betonten, dass die Koalition mit den geforderten Maßnahmen zur verbesserten und einheitlichen Marktüberwachung die richtige Konsequenz aus dem PIP-Skandal ziehe. Die Lösung der Sicherheitsprobleme müsse aber anders, als von den Linken gefordert, innerhalb des bestehenden Systems erfolgen. "Es ist nicht zielführend, ein neues staatliches Zulassungssystem einzuführen", sagten die Abgeordneten. Dies würde nur zu einem langwierigen Umstellungsprozess führen. Im Übrigen handele es sich bei Medizinprodukten und Arzneimitteln um ganz unterschiedliche Typen von Produkten, auf die man keinesfalls die gleichen Regeln anwenden dürfe. "Es ist vielmehr richtig, bei der Weiterentwicklung der Regelungen an die bestehenden EU-Richtlinien anzuknüpfen", sind sich die FDP-Abgeordneten sicher.

Der Antrag der Koalition (17/11830) wurde von der Koalitionsmehrheit im Ausschuss angenommen. Die beiden Anträge der Grünen (17/17/8920) und der Linken (17/8581) wurden vom Ausschuss mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der jeweiligen Antragsteller abgelehnt.

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3. Bundesregierung: Grundsatz der Inlands-Entsorgung von Atommüll bleibt unverändert

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung hält am Grundsatz der Inlands-Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle fest. Das machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche (CDU), während der Sitzung des Umweltausschusses am Mittwochvormittag deutlich. Reiche verwies auf die Pflicht zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Entsorgung atomarer Abfälle bis August 2013. Die dazu geplante 14. Novelle des Atomgesetzes koordiniere die europäische Vorlage mit dem politischen Willen, nicht zu exportieren, sagte sie.

Aus Sicht der Oppositionsfraktionen ist dies jedoch nicht ausreichend. Sie glaube den Versicherungen der Bundesregierung und wisse, dass die EU-Richtlinie "nicht für Länder wie Deutschland gedacht ist, die eigene Entsorgungsmöglichkeiten haben", sagte die Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dennoch stelle sich die Frage, warum nicht im Gesetzentwurf festgeschrieben werde, dass der Export verboten ist. Auch aus Sicht der Linksfraktion ist ein explizites Verbot möglich. "Warum greift das Gesetz das nicht auf?", erkundigte sich die Fraktionsvertreterin. Zugleich warf sie die Frage auf, ob künftig beim Schacht Konrad in Salzgitter "Kapazitäten für Drittländer" zur Verfügung gestellt werden könnten. Von der SPD-Fraktion kam der Vorwurf, die Regierung wolle sich mit dem Gesetz "die Tür für eventuelle Exporte offenhalten". Das sei "hochproblematisch" angesichts der derzeitigen Diskussion um ein Endlagersuchgesetz. Gebraucht werde ein eindeutiges Signal in der Gesetzgebung. "Pressemitteilungen des Ministers allein reichen nicht aus", sagte die SPD-Abgeordnete.

Die Vertreterin der Unionsfraktion machte deutlich, dass nicht nur alle Fraktionen des Bundestages sondern auch die Bundesregierung ganz klar den politischen Willen formuliert hätten, Atommüll nicht zu exportieren. Beweise für die Ernsthaftigkeit der Bekundungen seien nicht zuletzt die umfangreichen Rücknahmen von ins Ausland verbrachtem deutschen Atommüll. Sie habe kein Verständnis dafür, dass jetzt "Ängste geschürt werden", sagte die Vertreterin der FDP-Fraktion. Es sei vielmehr so, dass durch die Novellierung eine stärkere Kontrolle der Betreiber von Atomanlagen möglich sei, was positiv bewertet werden müsse.

Staatssekretärin Reiche bestätigte die Annahme, dass die Richtlinie "nicht primär Deutschland im Blick hat". Dennoch bestehe die Pflicht zur Umsetzung. Auch der ehemalige Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) habe EU-Vorlagen zum Umgang mit Atomabfällen rechtskonform umsetzen müssen, "die nicht Deutschland sondern andere Mitgliedsstaaten im Blick hatten". Reiche wiederholte die Feststellung, dass sich auch durch die "wörtliche Umsetzung" an der Maßgabe des Nicht-Exportes nichts ändern werde. Die Auffassung, dass die Richtlinie ein explizites Verbot von Exporten möglich mache, teilte die Umwelt-Staatssekretärin nicht. Was die geäußerten Befürchtungen zum Thema Schacht Konrad angeht, so verwies Reiche auf das Planfeststellungsverfahren, wo ausdrücklich festgeschrieben sei, dass die Lagerung auf inländische Abfälle beschränkt ist. Den Vorwurf der SPD-Fraktion wies die CDU-Politikerin zurück. "Das vorliegende Gesetz gibt keinen Anlass zu vermuten, man wolle Türen offenhalten." Der Minister habe mit den Pressemitteilungen lediglich auf im Raum stehende Vermuten reagiert.

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4. Bundesregierung: Humanitäre Lage in Mali bleibt angespannt

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung geht von rund 450.000 bis 500.000 Flüchtlingen in Mali aus. Die humanitäre Lage in dem westafrikanischen Land sei "angespannt" sagt die Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Gudrun Kopp (FDP), am Mittwoch im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es existierten bisher keine Flüchtlingscamps, ein Großteil der Flüchtlinge würde im Süden des Landes mitversorgt.

Nach einem Staatstreich malischer Soldaten im März 2012, die dem damaligen Präsidenten vorwarfen, der Besetzung des Nordens durch Tuareg-Rebellen und islamistische Truppen zu wenig entgegenzusetzen, habe Deutschland die Entwicklungszusammenarbeit vorübergehend ausgesetzt. Fortgeführt würden jedoch "regierungsferne Maßnahmen" mit dem Schwerpunkt einer Verbesserung der Ernährungslage, sagte Kopp.

Zum Zeitpunkt des militärischen Eingreifens Frankreichs auf Bitten der malischen Übergangsregierung am 11. Januar 2013 seien bereits zwei Drittel des Landes unter der Kontrolle von Tuareg-Rebellen und islamistischen Gruppen aus dem Norden gewesen, betonte Kopp. Ein Vertreter des Auswärtigen Amtes sagte, dass das französische Militär die Bedrohung für die malische Hauptstadt Bamako abwenden konnte. Ein Vormarsch von Rebellentruppen auf die Millionenmetropole im Süden hätte eine nochmals größere "enorme Flüchtlingsbewegung" ausgelöst. Die Bundesregierung prüfe derzeit eine logistische Unterstützung Frankreichs jenseits militärischer Kampfeinsätze, sagte der Vertreter des Auswärtigen Amtes. Weiter setze sie sich unter anderem dafür ein, die Pläne für eine EU-Ausbildungsmission für die malische Armee voranzutreiben sowie die Entsendung einer militärischen Unterstützungsmission unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Basis der UN-Sicherheitsrats-Resolution 2085 vom Dezember 2012 zu beschleunigen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 020 - 16. Januar 2013 - 12:20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2013