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BUNDESTAG/3749: Heute im Bundestag Nr. 149 - 15.03.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 149
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 15. März 2013, 16:40 Uhr

1. Ex-Innenminister Schily: Übernehme politische Verantwortung für Fahndungspannen nach NSU-Taten
2. Fachgespräch "Stand der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Bildungsbereich"
3. Koalitionsfraktionen setzen sich für Stärkung des Mittelstandes ein
4. Im Bundestag notiert: Infrastruktur und Mobilität in ländlichen Räumen
5. Im Bundestag notiert: Wohnungsprivatisierung



1. Ex-Innenminister Schily: Übernehme politische Verantwortung für Fahndungspannen nach NSU-Taten

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/pst) Die neuen Erkenntnisse blieben spärlich bei der Befragung des ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und seiner früheren Referatsleiterin Christine Hammann durch den sogenannten NSU-Untersuchungsausschuss. Dennoch beeindruckte der Minister der Regierung Schröder den Ausschuss mit einer Feststellung in seinem Eingangsstatement. Dass es den Sicherheitsbehörden nicht gelungen sei, der "Mörderbande, die sich selbst den Namen Nationalsozialistischer Untergrund gegeben hat", rechtzeitig auf die Spur zu kommen, sei "ein höchst schockierender und äußerst bedrückender Sachverhalt, für den ich die politische Verantwortung übernehme", sagte Schily. Sowohl von Koalitions- wie Oppositionsseite erhielt er dafür Anerkennung.

Schily führte aus, dass die Verfassungsschutzberichte über Jahre hinweg immer die Feststellung enthalten hätten, dass im rechtsextremen Milieu nicht die Bildung terroristischer Strukturen erkennbar sei. Nach dem vereitelten Anschlag auf die Münchner Synagoge habe dann 2003 erstmals der Generalbundesanwalt Anklage gegen Rechtsextreme wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung erhoben. Doch in seinem Bericht für dieses Jahr habe das Bundesamt für Verfassungsschutz festgestellt, dass "darüber hinaus" keine solchen Strukturen erkennbar seien. Es werde aber darauf hingewiesen, dass Einzelpersonen oder Kleinstgruppen Anschläge verüben könnten, um ein Fanal zu setzen, sagte Schily.

Die Fragen der Ausschussmitglieder an den früheren Innenminister bezogen sich insbesondere auf den Anschlag des NSU mit einer Nagelbombe in Köln-Mülheim am 9. Juni 2004, bei dem 22 Menschen überwiegend türkischer und kurdischer Herkunft teils schwer verletzt wurden. Schily hatte am Tag nach diesem Anschlag erklärt, es gebe bisher keine Hinweise auf eine terroristische Tat und man gehe von einem kriminellen Hintergrund aus, allerdings seien die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Auf welche Informationen er sich dabei stützte, vermochte Schily allerdings nicht mehr mit Sicherheit festzustellen. Auch auf andere Fragen erklärte er immer wieder, sich an Details der Vorgänge vor fast zehn Jahren nicht mehr zu erinnern.

Auf eine Frage des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) hin zitierte Schily aus einem Bericht von Spiegel-Online fast zwei Wochen nach der Tat, wonach die Ermittler rassistische oder extremistische Hintergründe nicht ausschlössen. "Die Behörden haben demnach in alle Richtungen ermittelt", stellte Schily fest. Auf die zentrale Frage des Untersuchungsausschusses, warum dann die Ermittlungen in die rechtsextreme Richtung nicht konsequent fortgesetzt worden seien, hatte aber auch Schily keine Antwort.

Clemens Binninger (CDU) befragte Schily insbesondere nach der Rolle des damaligen Innenministers von Nordrhein-Westfalen, Fritz Behrens (SPD). Nach bisherigen Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses hat ein für Rechtsextremismus zuständiger Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz wenige Stunden nach dem Kölner Anschlag beim örtlichen Lagezentrum der Polizei angerufen mit der dringenden Bitte, einen Kontakt zum Landesamt für Verfassungsschutz herzustellen. Etwa eine Stunde danach habe Behrens im Lagezentrum angerufen "mit der ungehaltenen Frage", so Binninger, warum der Verfassungsschutz einbezogen werde. Die Frage, ob ihn der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, auf diesen Vorgang angesprochen habe, beantwortete Schily ebenso mit fehlender Erinnerung wie die Frage, ob Behrens ihn bei seiner Beurteilung am Tag danach beeinflusst habe. Er halte es zwar für wahrscheinlich, dass er irgendwann nach dem Anschlag mit Behrens gesprochen hat, wisse es aber nicht mehr, erklärte Schily.

Nachdrücklich wies Hartfrid Wolff (FDP) darauf hin, dass die Opfer des Kölner Anschlags "sehr früh und sehr deutlich" geäußert hätten, dass "ein rassistischer Hintergrund sehr wahrscheinlich" sei. Schily sagte dazu, er gehe davon aus, dass diese Tatsache auch Gegenstand der Sicherheitsrunde gewesen sei, in der er sich in seinem Haus ständig habe unterrichten lassen. Nachdem Petra Pau (Die Linke) auszugsweise den Brief einer Kurdin verlas, deren Wohnung kurz nach der Tat von Sicherheitskräften gestürmt und durchwühlt worden sei, äußerste sich Schily sehr betroffen über den Umgang von Sicherheitskräften mit Opfern und Zeugen der NSU-Straftaten.

Gar nicht ging Schily auf die Vorhaltung von Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) ein, die Sicherheitsbehörden hätten die Medienarbeit bewusst so gesteuert, dass sich der Eindruck festsetze, die Taten hätten einen normalen kriminellen Hintergrund. Stattdessen entsponn sich ein Streit zwischen Wieland und dem Ausschussvorsitzenden Edathy über die Rolle Nordrhein-Westfalens bei der Weitergabe von Informationen, in dessen Verlauf Wieland Edathy als "Verteidiger Schilys" titulierte.

Unmittelbar vor Schily hatte der 2. Untersuchungsausschuss Ministerialdirigentin Christine Hammann befragt, die zur Zeit des Kölner Anschlags das Referat "Politisch motivierte Kriminalität rechts/links" im Bundesinnenministerium geleitet hatte. Sie hatte kurz nach dem Kölner Anschlag in einem Vermerk an den Minister dafür plädiert, auch in Richtung politischer Hintergründe weiter zu ermitteln. Dieser Vermerk wurde allerdings von einem Vorgesetzten Hammanns mit dem Vermerk zurückgeschickt, er enthalte nichts, was der Minister nicht schon wisse. Auch Hammann konnte sich allerdings in der knapp zweistündigen Befragung kaum mehr an Einzelheiten zu erinnern.

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2. Fachgespräch "Stand der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Bildungsbereich"

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) Mit dem Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2008 und dem Inkrafttreten in der Bundesrepublik am 26. März 2009, steht Deutschland vor der Aufgabe, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu schaffen. Um Perspektiven für die Weiterentwicklung zu erörtern, lädt der Ausschuss für Bildung und Forschung am Mittwoch, 20. März, zu einem Öffentlichen Fachgespräch mit dem Titel "Stand der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Bildungsbereich in Deutschland" ein. Die Sitzung beginnt um 9.30 Uhr im Berliner Paul-Löbe-Haus des Bundestags, Sitzungssaal E.300.

Vorlagen zum Fachgespräch sind der Antrag der SPD "Das Menschenrecht auf Inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklichen" (17/10117), sowie der Linken "Gemeinsam lernen - Inklusion in der Bildung endlich umsetzen" (17/11143) und der Grünen "Zusammen lernen - Recht auf inklusive Bildung bundesweit umsetzen" (17/11163).

Laut des Sachverständigen Ulrich Heimlich, Ludwig-Maximilians-Universität München, stehe die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems in Deutschland erst am Anfang. Zudem werde Inklusion sehr unterschiedlich definiert, wie der Sachverständige Rolf Werning, Leibniz Universität Hannover, in seiner Stellungnahme deutlich macht. Viele verstehen darunter die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen, die aber viele andere Aspekte von Verschiedenheit ignoriere. In einem umfassenderen Verständnis werde Inklusion in der Wissenschaft als Konzept zur Überwindung von Diskriminierung und Maximierung der sozialen Teilhabe aller Risikogruppen in Bildungsinstitutionen verstanden.

Dass es noch viel zu tun gibt, das unterstreichen nicht nur Praktiker wie Manuela Gregor, Sonderschulrektorin der Schule am Zille-Park, Berlin und Jens Bachmann, ehemaliger Pädagogischer Leiter der Weißfrauenschule in Frankfurt/Main, sondern auch Klaus Klemm, emeritierter Professor an der Universität Duisburg/Essen. Er kritisiert, dass noch nicht einmal einheitlich definiert werde, wann jemand Förderbedarf hätte. Die Quoten der Schüler mit besonderem Förderbedarf würden zwischen 4,9 Prozent und bis zu 10,9 Prozent schwanken. Klemm "Die zur Anwendung kommenden diagnostischen Verfahren sichern keine länderübergreifende Vergleichbarkeit und bieten innerhalb der einzelnen Länder erhebliche Auslegungsspielräume."

Liste der Sachverständigen
  • Jens Bachmann, ehemaliger Pädagogischer Leiter der Weißfrauenschule, Schule mit dem Förderschwerpunkt Sprachheilförderung, Frankfurt am Main
  • Manuela Gregor Sonderschuldirektorin, Schule am Zille-Park, Grundschule und Schule der Sekundarstufe I (Förderschwerpunkt "Lernen"), Berlin
  • Prof. Dr. Ulrich Heimlich, Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Psychologie und Pädagogik, Lehrstuhl für Lernbehindertenpädagogik
  • Prof. em. Dr. Klaus Klemm, Universität Duisburg-Essen
  • Prof. Dr. Rolf Werning, Leibniz-Universität Hannover, Institut für Sonderschulpädagogik
  • Prof. em. Dr. Hans Wocken, Universität Hamburg

Interessierte Besucher können sich beim Sekretariat des Ausschusses (Telefon: 030/227-32861,-33121 Fax: 030/227-36845, E-Mail: bildungundforschung@bundestag.de) unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums anmelden. Zur Sitzung muss ein Personaldokument mitgebracht werden.

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3. Koalitionsfraktionen setzen sich für Stärkung des Mittelstandes ein

Wirtschaft und Technologie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Der deutsche Mittelstand soll weiter zukunftsfest gemacht werden. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP fordern in einem gemeinsamen Antrag (17/12700), den Bürokratieabbau auf nationaler und europäischer Ebene fortzuführen. Außerdem soll die Bundesregierung ihre Fachkräfte-Offensive zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte und die Hightech-Strategie 2020 fortsetzen. Außerdem soll die Bundesregierung das Umfeld für Unternehmensgründungen und Unternehmensübernahmen weiter verbessern, damit mehr Menschen unternehmerisch tätig werden. Die Fraktionen setzen sich auch für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung ein.

Die deutschen kleinen und mittleren Unternehmen würden zu den innovativsten in Europa gehören. 54 Prozent von ihnen hätten zwischen 2008 und 2010 eine Prozess- oder Produktinnovation auf den Markt gebracht. "Das erfreuliche Bild des kraftvollen deutschen Mittelstandes, der einem stürmischen Umfeld strotzt und den unsere europäischen Nachbarn als Vorbild sehen, darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass zukünftige Herausforderungen zu meistern sind", stellen die Fraktionen fest und nennen das demografiebedingte Schrumpfen des Fachkräfteangebots in Deutschland und die stark steigenden Kosten im Bereich der Energieversorgung. "Steuererhöhungen würden gerade den Mittelstand ins Herz treffen und die gute wirtschaftliche Entwicklung im Lande unmittelbar gefährden", warnen die Fraktionen, die sich besonders gegen die Einführung einer Vermögensteuer wenden.

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4. Im Bundestag notiert: Infrastruktur und Mobilität in ländlichen Räumen

Verkehr und Bau/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Über Infrastruktur und Mobilität in ländlichen Räumen will sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (17/12667) informieren. Die Bundesregierung soll unter anderem mitteilen, ob sie finanziell tragfähige Infrastruktur- und Versorgungskonzepte für ländliche Räume entwickeln und diese mehr auf die Bedürfnisse der verbleibenden und zunehmend älter werdenden Bevölkerung ausrichten will.

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5. Im Bundestag notiert: Wohnungsprivatisierung

Verkehr und Bau/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Die Wohnungsprivatisierung in Deutschland ist Thema einer Kleinen Anfrage (17/12664) der Fraktion Die Linke. Die Abgeordneten interessiert unter anderem, welche großen Transaktionen von Wohnungsbeständen (mehr als 800 Wohnungen) an Finanzinvestoren im vergangenen Jahr stattfanden und welche Gründe es für den Verkauf des gesamten Wohnungsbestandes der TLG Wohnen GmbH an einen einzigen Erwerber gab.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 149 - 15. März 2013 - 16:40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2013