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BUNDESTAG/3815: Heute im Bundestag Nr. 215 - 18.04.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 215
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. April 2013 Redaktionsschluss: 10:25 Uhr

1. Experten sehen unterschiedliche Effekte des Europäischen Semesters
2. Vorstoß der Koalition zum Bürokratieabbau durch kürzere Aufbewahrungsfristen
3. Die Linke fordert Ende der "völkerrechtswidrigen Besatzung" der Westsahara durch Marokko
4. Linke sieht einseitige Technologieförderung
5. Hightech-Strategie 2020 für Deutschland



1. Experten sehen unterschiedliche Effekte des Europäischen Semesters

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Berlin: (hib/AS) Das Europäische Semester bietet Chancen für eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, berücksichtige aber zu wenig soziale Aspekte und führe zu einer Reihe demokratiepolitischer Probleme. In einer Anhörung des Europaausschusses am vergangenen Mittwoch wurden die Wirkungen des Europäischen Semesters von den geladenen Experten unterschiedlich bewertet. Zur Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 hat die Europäische Kommission einen jährlichen Zyklus zur Koordinierung der Wirtschaftspolitiken eingeführt, Europäisches Semester genannt. Dabei nimmt die Kommission jährlich eine Analyse der Wirtschafts- und Strukturreformprogramme vor und gibt den EU-Staaten anschließend entsprechende Empfehlungen hinsichtlich der Aufstellung des kommenden Haushalts.

Als "größtenteils positiv und als Chance" bewertete Professor Michael Eilfort von der Stiftung Marktwirtschaft das Europäische Semester. Er sehe darin keine Vorstufe für eine Wirtschaftsregierung, sondern eine "politische Umsetzungshilfe" für einzelne Staaten. Man könne Ziele setzen und auch den Druck erhöhen, "aber man sollte nicht die Wege vorschreiben", warnte Eilfort. Das zwingende Ziel müsse sein, ausgeglichene Haushalte zu erreichen. Das müsse auch in Deutschland teilweise noch stärker beherzigt werden: "Wir predigen Wasser und trinken doch auch noch etwas Wein", sagte er. Auch mit Blick auf die demographische Entwicklung in Deutschland sagte er: "Alles, was wir jetzt entscheiden, sollten wir so entscheiden, dass wir es später nicht bereuen."

Auch nach Ansicht von Rolf Kroker vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln habe man aus der Finanzkrise gelernt, dass eine bessere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik notwendig sei. Europa habe die Chance aus der Krise gestärkt hervorzugehen. "Neue Instrumente tragen zu einer stärkeren Koordinierung bei", sagte er. Er gehe davon aus, dass Reformen und neue Regelwerke entsprechende Effekte haben würden. "Wir müssen Geduld haben", erklärte er.

Professor Walter Hanesch von der Hochschule Darmstadt forderte, dass es eine Balance zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik geben müsse. Er sprach dabei das Verhältnis zwischen der europäischen Strategie 2020 und dem Europäischen Semester an. Beim Abstimmungsprozess zwischen den Staaten läge der Schwerpunkt auf der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Folge sei, dass es kein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Wirtschafts- und Finanzpolitik einerseits und der Sozialpolitik andererseits gebe. Er kritisierte in diesem Zusammenhang, dass etwa die Beseitigung von Armut nur noch als Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit definiert werde. Hanesch sprach sich daher dafür aus, dass es künftig neben den Berichten im Rahmen des Europäischen Semesters auch nationale Sozialberichte geben sollte.

Auf die demokratiepolitischen Folgen des Europäischen Semesters ging Professor Andreas Maurer von der Stiftung Wissenschaft und Politik ein. Die Krise habe das technokratische und intergouvernementale Handeln verstärkt und die bereits erreichten Demokratiesierungsschritte durch eine schrittweise Parlamentarisierung der EU "unterhöhlt und teilweise außer Kraft gesetzt", erklärte er. Er kritisierte, dass die Koordinierung durch das Europäische Semester "im Schatten europäischer Entscheidungen" stattfinde. Die Rolle des Europäischen Parlaments sei dabei nicht abgestimmt. Es werde vor allem am Ende des Prozesses des Europäischen Semester aber eher ausgegrenzt und könnte bei der Kontrolle daher nur eine "reaktive Rolle" spielen.

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2. Vorstoß der Koalition zum Bürokratieabbau durch kürzere Aufbewahrungsfristen

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP haben eine wichtige Maßnahme des Bürokratieabbaus erneut eingebracht. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung der Aufbewahrungsfristen sowie zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (17/13082) sollen die bisher zehnjährigen Aufbewahrungsfristen für die Wirtschaft in der Abgabenordnung und im Umsatzsteuergesetz in einem ersten Schritt auf acht Jahre verkürzt werden. Auch die Aufbewahrungsfristen nach dem Handelsgesetzbuch sollen in einem ersten Schritt ebenfalls auf acht Jahre und ab 2015 auf sieben Jahre verkürzt werden. Die Änderung werde ab dem Jahre 2015 zu einem Einsparpotenzial bei den Unternehmen um 2,5 Milliarden Euro führen, schreiben die Koalitionsfraktionen in ihrem Entwurf, der am Freitag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht. Die Maßnahme zum Bürokratieabbau war bereits in dem nicht zu Stande gekommenen Jahressteuergesetz 2013 enthalten.

Zu den weiteren in dem Entwurf enthaltenen Maßnahmen gehört die steuerliche Behandlung des Wehrsoldes für freiwillig Wehrdienstleistende. Der Gehaltsbestandteil Wehrsold soll auch in Zukunft steuerfrei bleiben. Weitere Bezüge der freiwillig Wehrdienstleistenden wie der Wehrdienstzuschlag und besondere Zuwendungen sowie die unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung werden dagegen steuerpflichtig (für freiwilligen Wehrdienst Leistende, die ihren Dienst nach dem 31. Dezember 2013 beginnen). Der Wehrsold beträgt zur Zeit etwa 280 bis 350 Euro monatlich. "Vor dem Hintergrund der mit der Unterbrechung des normalen Berufslebens für die betroffenen Reservisten verbundenen besonderen Belastung werden die Bezüge der Reservisten wie bisher nicht besteuert", schreiben die Fraktionen.

Nach dem Gesetzentwurf wird ferner das für den Bundesfreiwilligendienst ab dem 1. Januar 2013 gezahlte Taschengeld (zur Zeit maximal 348 Euro im Monat) steuerfrei gestellt. Weitere Bezüge wie die unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung sollen allerdings steuerpflichtig sein. Die Bezüge für den Bundesfreiwilligendienst seien nach der bisherigen Gesetzeslage voll steuerpflichtig gewesen und nur aufgrund einer Billigkeitsregelung der Verwaltung steuerfrei gestellt worden, um eine Benachteiligung gegenüber den Bezügen für die freiwillig Wehrdienstleistenden zu vermeiden. "Mit dieser Gesetzesänderung ist die Billigkeitsregelung grundsätzlich entbehrlich", schreiben die Koalitionsfraktionen. Taschengeld oder vergleichbare Geldleistungen für andere Dienste wie den Jugendfreiwilligendienst sollen ebenfalls von der Steuerpflicht befreit sein.

Im Lohnsteuerabzugsverfahren ist eine Erleichterung für Arbeitnehmer geplant. Die Antragsmöglichkeit für Freibeträge kann auf zwei Kalenderjahre verlängert werden. Damit müssten Arbeitnehmer den Antrag nicht mehr jährlich stellen, heißt es in dem Koalitionsentwurf. Zu den weiteren entlastenden Maßnahmen gehören zum Beispiel Umsatzsteuerbefreiungen für rechtliche Betreuer sowie für Bühnenregisseure und -choreographen

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3. Die Linke fordert Ende der "völkerrechtswidrigen Besatzung" der Westsahara durch Marokko

Menschenrechte und humanitäre Hilfe/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke setzt sich für ein Ende der "völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik Marokkos in der Westsahara" und die baldige Durchführung eines Referendums über die Unabhängigkeit der Westsahara ein. "Gibt es innerhalb der nächsten Monate keine deutlichen Fortschritte bei der Umsetzung des UN-Friedensplans von 1990, wird das Risiko eines neuen bewaffneten Konfliktes" in Kauf genommen, heißt es in einem Antrag (17/13089), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Die Abgeordneten verweisen in diesem Zusammenhang auf eine "sich massiv verschlechternde Sicherheitslage in der Sahara und dem Sahel insgesamt".

Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, "dass die Einhaltung der Menschenrechte in Marokko Voraussetzung für vertragliche Vereinbarungen und die Vertiefung der Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Nachbarschaft zwischen der EU und Marokko sind". Zudem solle die Bundesregierung die "schwerwiegenden, anhaltenden Menschenrechtsverletzungen" in der Westsahara im UN-Menschenrechtsrat thematisieren und auf Ausbildungs- und Ausstattungshilfen für die marokkanische Polizei und Armee verzichten, "bis die völkerrechtswidrige Besatzung der Westsahara beendet ist".

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4. Linke sieht einseitige Technologieförderung

Bildung und Forschung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes hat in den vergangenen Jahren eine starke Aufstockung erfahren. Insgesamt gab die Bundesregierung im Jahr 2011 etwa 17,6 Milliarden Euro für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung aus. Dieser Zuwachs fand im Rahmen der Hightech-Strategie mit dem erklärten Ziel statt, die Technologieführung der deutschen Wirtschaft auf den wichtigsten Exportmärkten zu sichern, schreibt die Linke in ihrem Antrag "Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes nachhaltig gestalten - Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft ausbauen" (17/13090).

Entsprechend sei die Förderung auf Produkte und Technologien fokussiert, die Chancen auf den globalen Märkten versprächen. Selbst die regierungsnahe und wettbewerbsfreundliche "Expertenkommission Forschung und Innovation" kritisiere dies in einem Gutachten als Problem: Es liege eine "starke Orientierung an relativ kurzfristigen kommerziellen Interessen" (EFI 2008, 56) vor, zitiert die Linke in ihrem Antrag. Die EFI halte eine Neufassung der Strategie und eine transparente Evaluierung der Innovations- und Technologieförderung des Bundes für notwendig. Doch auch in der Neuauflage der Hightechstrategie im Jahr 2010 bleibe die Bundesregierung bei diesem Muster, Deutschland im internationalen Wettbewerb "um Talente, Technologien und Marktführerschaft" ganz vorn zu platzieren. Diese Ausrichtung der Forschungs- und Technologieförderung lasse sich kaum mit den Herausforderungen einer Transformation zu mehr ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit in Einklang bringen. Das Modell des stetigen Exportwachstums von Technologieprodukten sei mit der Krise in Europa und den globalen Umwelt- und Klimaproblemen ökologisch und ökonomisch gescheitert.

Die Linke fordert die Bundesregierung unter anderem dazu auf, in die Beratungs- und Steuerungsgremien zur Forschungs- und Innovationspolitik den Sachverstand der organisierten gemeinnützigen Zivilgesellschaft gleichberechtigt mit Wirtschaft und institutioneller Wissenschaft einzubeziehen. Ferner sollen Forschungsprogramme zukünftig in einem transparenten und partizipativen Prozess entwickelt werden, der neben Expertenwissen auch geeignete, etwa digitale Formen der Mitsprache der Allgemeinheit einbinde. Die Vergabe von öffentlichen Forschungs- und Innovationsfördermitteln müsse mit Hilfe von öffentlich einsehbaren, übersichtlichen und aggregierbaren Daten transparent gemacht werden. Der Open Access, also das Digitale kostenfrei zugänglich machen und die Weitergabe von veröffentlichten Forschungsdaten und Ergebnissen müsse zum Grundprinzip öffentlicher Forschungsförderung werden.

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5. Hightech-Strategie 2020 für Deutschland

Bildung und Forschung/Unterrichtung

Berlin: (hib/ROL) Ob die Erfindung des Buchdrucks oder des Automobils in früheren Zeiten oder aber die Entwicklung von nachhaltiger Mobilität, digitaler Produktion und individualisierter Medizin heute: Innovationen verändern die Welt. Die Hightech-Strategie versammelt die wichtigsten Akteure des Innovationsgeschehens hinter dieser Idee. Mit ihr soll Deutschlands Innovationskraft gestärkt werden, heißt es in der Unterrichtung der Bundesregierung "Hightech-Strategie 2020 für Deutschland - Bilanz und Perspektiven" (17/13075).

Seit dem Beginn der Hightech-Strategie im Jahr 2006 werde mit der Hightech-Strategie erstmals eine nationale Strategie verfolgt, die politikfeld- und themenübergreifend eine Vielzahl der Forschungs- und Innovationsaktivitäten über alle Ressorts hinweg bündele. Mit der Hightech-Strategie 2020 wurde diese weiterentwickelt und auf fünf Bedarfsfelder fokussiert: Klima/Energie, Gesundheit/Ernährung, Mobilität, Sicherheit und Kommunikation zu finden.

Der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt sei auf 2,9 Prozent angewachsen, schreibt die Bundesregierung in ihrer Unterrichtung. Insgesamt sei der Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt deutlich gestiegen - von 2,5 Prozent im Jahr 2005 auf 2,9 Prozent im Jahr 2011. Damit komme Deutschland dem 3-Prozent-Ziel sehr nahe. Dies sei umso beachtlicher, da das BIP im Jahr 2011 insgesamt um 3,9 Prozent zugenommen hat. Bund und Länder hätten wiederholt bekräftigt, dass sie sich auch weiterhin gemeinsam mit der Wirtschaft für das Erreichen des 3 Prozent-Ziels einsetzen.

Die globale Innovationslandschaft verändere sich grundlegend, machte die Bundesregierung deutlich. Der weltweite Wettbewerb um Ideen, Talente und Technologiemärkte beschleunige sich. Neue wirtschaftliche und technologische Zentren entstünden weltweit. Länder wie Brasilien, China und Indien investierten stärker in Forschung und Entwicklung als jemals zuvor und forderten die bisherige Weltspitze in Forschung und Innovation heraus. Gleichzeitig beschleunigten sich Innovations- und Produktzyklen. Wissen veraltere in immer kürzeren Zeiträumen.

In einem wissensbasierten und exportorientierten Land wie Deutschland seien Forschung und Innovation deshalb von zentraler Bedeutung. Entsprechend groß seien auch die Herausforderungen, die in der Unterrichtung umrissen werden. Die Rahmenbedingungen für Hightech-Gründungen und den innovativen Mittelstand müssten verbessert werden. Schlüsseltechnologien müssten gezielt gefördert werden. Das Wissenschaftssystem müsste gestärkt werden, Fachkräftepotentiale müssten aktiviert werden, Deutschland international vernetzt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 215 - 18. April 2013 - 10:25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2013