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BUNDESTAG/3820: Heute im Bundestag Nr. 220 - 22.04.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 220
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 22. April 2013 Redaktionsschluss: 15:15 Uhr

1. Banken und Wirtschaft protestieren gegen "Trennbankensystem"
2. Linksfraktion will alle Steueroasen trockenlegen
3. Linke fragt nach Beschäftigungsverhältnissen in Forschung und Wissenschaft



1. Banken und Wirtschaft protestieren gegen "Trennbankensystem"

Finanzausschuss/Öffentliche Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Bankenverbände und Wirtschaft haben gegen die von der Bundesregierung geplante Einführung eines Trennbankensystems zur Vermeidung weiterer Finanzkrisen protestiert. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der deutschen Bankenverbände, in ihrer Stellungnahme: "Die Einführung von Trennbankensystemen leistet keinen Beitrag zur Risikominderung."

Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (17/12601). Danach werden systemrelevante Geldhäuser verpflichtet, den spekulativen Handel in rechtlich selbstständige Einheiten auszulagern. Das abgetrennte Finanzhandelsinstitut muss sich eigenständig und ohne Garantien des übergeordneten Unternehmens refinanzieren. Vorgeschrieben werden soll das Trennbankensystem für Institute, deren Handelsaktivitäten mehr als 20 Prozent der gesamten Bilanzsumme ausmachen und größer sind als 100 Milliarden Euro. Zudem sollen die Strafen für Banker bei Verletzung von wesentlichen Risikomanagementpflichten verschärft werden. So drohen künftig bei Missmanagement bis zu fünf Jahre Haft. Außerdem sollen Banken in Zukunft Vorkehrungen für ihre eigene Abwicklung treffen. Im Einzelnen sollen "global und national systemrelevante Kreditinstitute" Sanierungspläne erstellten, die der Vorbereitung auf einen Krisenfall dienen.

Die Bankenverbände warnten vor negativen Folgen für den Finanzplatz Deutschland und für die deutsche Wirtschaft und forderten eine Beibehaltung des deutschen Universalbankensystems. Ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe nicht, und außerdem bestehe angesichts der bereits auf EU-Ebene entfalteten Aktivitäten "keine Notwendigkeit für die Eile, mit der dieses Gesetzesvorhaben auf Bundeseben betrieben wird". Zudem wandte sich die Kreditwirtschaft gegen die vorgesehene Strafbarkeit im Risikomanagement. Auch der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) hält die Strafnorm für "unverhältnismäßig und zu diesem Zeitpunkt für nicht erforderlich". "Nicht jede zivilrechtliche Pflichtwidrigkeit ist strafwürdig", argumentierte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und forderte: "Die unternehmerische Freiheit muss gewahrt bleiben."

Wie die Banken sah auch der BDI in der Frage des Trennbankensystems "keine Veranlassung, übereilt im nationalen Alleingang ohnehin geplanten EU-Entwicklungen vorzugreifen" und stellte fest: "Die geplante Separierung des Handelsgeschäfts ist fraglos ein schwerwiegender Eingriff in die Geschäftspolitik und Vertragsfreiheit der Banken, die ordnungspolitisch kaum begründbar ist und an den hohe Anforderungen gestellt werden müssen." Zudem sei ein "positiver Beitrag zur Systemstabilität" nicht sicher. Der Verband der Auslandsbanken empfahl eine europäische Lösung zur Sanierung und Abwicklung, denn die Problematik bestehe nahezu unvermindert fort, "wenn systemrelevante Institute im Ausland keine entsprechenden Mechanismen vorhalten".

Kritisch zur Trennung von Bankaktivitäten äußerte sich Professor Jörg Rocholl (European School of Management and Technology Berlin). Die Abtrennung riskanter Geschäftsbereiche lasse eine wesentliche Ursache für die Probleme bei der Abwicklung von Finanzinstituten außen vor, "nämlich deren enge Verflechtung und Vernetzung". 80 Prozent des Portfolios deutscher Banken würden aus Investitionen in Wertpapiere anderer Banken bestehen. Professor Joseph Huber (Martin-Luther-Universität Halle) erklärte in seiner Stellungnahme, "was die Erwartung einer Risikoabschirmung durch Trennung von Geschäftsbereichen angeht, kann sich diese nur unter bestimmten Voraussetzungen erfüllen".

Von anderen Sachverständigen wurden die Pläne der Bundesregierung als nicht weitreichend genug kritisiert. "Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Trennung unterschiedlicher Bankaktivitäten wird kaum Auswirkungen auf die Praxis haben", argumentierte "Finance Watch" und sagte voraus, "dass deutsche Steuerzahler künftig an der Finanzierung von Rettungspaketen ausländischer Banken beteiligt werden". Für Professor Rudolf Hickel (Universität Bremen) geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung, greift aber zu kurz: "Vor allem wird die angestrebte Reduktion des spekulativen Handelsvolumens zur Entschärfung systemrelevanter Geschäftsbereiche nicht erreicht." Die Organisation weed (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung) bezeichnete den Entwurf als "Papiertiger". Wie weed argumentierte auch der Verbraucherzentrale Bundesverband, dass angesichts der hohen Voraussetzungen für eine Abtrennung nur wenige Institute betroffen sein würden. Vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hieß es, dass auch ein Trennbankensystem allein die Realwirtschaft nicht sicher von den Risiken im Finanzdienstleistungssektor abschirmen könne.

Eine positive Bewertung gab die Deutsche Bundesbank ab. Da die abzutrennenden Bank-Einheiten weiterhin zur Bankengruppe gehören könnten, werde kein striktes Trennbankensystem eingeführt, sondern das Universalbankensystem bleibe im Prinzip erhalten. Die angestrebte funktionale Trennung könne dazu beitragen, "das in Einlagenkreditinstituten betriebene klassische Bankgeschäft einschließlich des Zahlungsverkehrsgeschäfts vor Risiken zu schützen, die sich aus besonders riskanten Geschäften ergeben".

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2. Linksfraktion will alle Steueroasen trockenlegen

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Nach dem Willen der Fraktion die Linke sollen alle Steueroasen trockengelegt werden. In einem Antrag (17/13129), der am Freitag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht, verlangt die Fraktion den Aufbau einer Bundesfinanzpolizei für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung. Außerdem soll sich die Regierung dafür einsetzen, dass alle Bundesländer ihren Steuervollzug verbessern, etwa durch die Einstellung von mehr Fachpersonal. Die Regierung soll das Steuerrecht so reformieren, "dass deutsche Staatsangehörige, unabhängig von ihrem tatsächlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, mit ihrem Welteinkommen und ihrem Weltvermögen in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind".

Banken, sonstige Finanzinstitute und Finanzdienstleister sollen zur Herausgabe von steuerrelevanten Informationen herangezogen werden können. Sofern die Informationen nicht gegeben werden, sollen Banken und Institute mit einer Strafquellensteuer in Höhe von 50 Prozent belegt werden. Die Steuer "wird auf sämtliche Zahlungen aus Deutschland erhoben, die an nicht kooperative Finanzinstitute oder an dubiose Empfängerinnen beziehungsweise Empfänger im Ausland fließen", fordert die Fraktion. In Doppelbesteuerungsabkommen soll der automatische Informationsaustausch in Steuersachen als verpflichtender Standard eingeführt werden. "Bestehende Abkommen mit nicht kooperativen Staaten sind zu kündigen", wird gefordert.

Die Linksfraktion erinnert in ihrem Antrag unter anderem an die "Offshore Leaks" genannte Veröffentlichung, die die Dimension des weltweiten Steuerhinterziehungs- und Steuerumgehungssystems offenbart habe. "Es enthüllt, wie und in welchem Umfang es Reichen in Zusammenspiel mit Finanzinstituten und Steueroasen gelingt, Steuern zu hinterziehen und durch die offensive Nutzung von Steuerschlupflöchern zu umgehen", schreiben die Abgeordneten und verweisen auf Berechnungen von "Tax Justice Network", wonach den Staaten weltweit mindestens 148 Milliarden Euro pro Jahr an Steuereinnahmen durch internationale Steuerhinterziehung entgehen.

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3. Linke fragt nach Beschäftigungsverhältnissen in Forschung und Wissenschaft

Bildung und Forschung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Die Zahl der beamteten Professoren ist aus Sicht der Fraktion Die Linke trotz steigender Studentenzahlen in den vergangenen Jahren kaum gestiegen, gleichzeitig habe die Zahl der Angestellten und frei- und nebenberufliche Beschäftigten an Hochschulen stark zugenommen. Angestelltes Personal in Hochschulen ist zu fast 90 Prozent befristet beschäftigt, schreibt die Fraktion in ihrer Kleinen Anfrage "Perspektiven guter Arbeit in Forschung und Wissenschaft" (17/13050). Die Abgeordneten möchten von der Bundesregierung wissen, wie sich das Verhältnis von befristeten zu unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen angestellter Wissenschaftler in der außeruniversita—ren Forschung seit 2005 entwickelt habe.

Zudem fragt die Fraktion, wie sich das Verhältnis von beamteten zu angestellten Wissenschaftlern in der außeruniversita—ren Forschung seit 2005 verändert habe und welche Maßnahmen die Bundesregierung plane, um die Vertragslaufzeiten von befristet beschäftigten Wissenschaftlern an die Dauer von Qualifikationsphasen beziehungsweise Drittmittelprojekten zu binden. Zudem interessiert die Linke, was die Bundesregierung plane, um gemeinsam mit den Ländern die Juniorprofessur durch eine Assistenzprofessur mit verlängerter Beschäftigungsperspektive zu ersetzen. Die Bundesregierung soll weiterhin angeben, ob sie plane, gemeinsam mit den Ländern die neue Personalkategorie der unbefristeten Associate-Professur einzuführen.

Die problematische Situation an Universitäten werde durch mangelnde Karriereperspektiven verschärft, die für viele nach der im Wissenschaftszeitvertragsgesetz geregelten "12-Jahres-Grenze" den Ausstieg aus der öffentlichen Wissenschaft erzwinge, schreiben die Abgeordneten. Eine ähnliche Situation finde sich auch an außeruniversita—ren Forschungseinrichtungen.

Dieser Zustand sei nicht nur von Bescha—ftigtenvertretungen und Gewerkschaften, sondern auch im Bundestag immer wieder diskutiert und als Problem erkannt worden. Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP hätten im April 2012 in ihrem Antrag "Exzellente Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs fortentwickeln" (17/9396) Forderungen an die Bundesregierung formuliert, Maßnahmen für bessere Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft umzusetzen. Auch von der Opposition lägen weitergehende Vorschläge vor.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 220 - 22. April 2013 - 15:15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2013