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BUNDESTAG/4294: Heute im Bundestag Nr. 158 - 27.03.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 158
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 27. März 2014 Redaktionsschluss: 10:45 Uhr

1. NS-Ballast aus Strafrecht tilgen
2. Verfahren nach Anti-Terror-Paragrafen
3. Weiter Streit über "Pille danach"
4. Integration der Sinti und Roma
5. Zukunft der Urananreicherung
6. EEG-Umlage und Kraft-Wärme-Kopplung



1. NS-Ballast aus Strafrecht tilgen

Recht und Verbraucherschutz/Antrag

Berlin: (hib/KOS) Eine unabhängige Kommission aus Historikern und Strafrechtlern soll unter Einbeziehung des Justizministeriums das Strafgesetzbuch auf Formulierungen aus der NS-Zeit durchforsten und bis Ende 2015 konkrete Vorschläge für eine Bereinigung der entsprechenden Paragraphen unterbreiten. In einem Antrag der Fraktion Die Linke (18/865) heißt es, bestimmte Gesinnungen von Tätern dürften nicht mehr als Grund für eine Strafverfolgung herhalten, stattdessen müssten die Taten als solche beurteilt werden. Die Fraktion begrüßt zwar die Absicht von Justizminister Heiko Maas (SPD), eine Expertenkommission zu berufen, die eine entsprechende Überarbeitung der Paragraphen 211 und 212 prüfen soll, die Mord und Totschlag zum Thema haben. Dieser Auftrag greife aber zu kurz, es müsse vielmehr beim gesamten Strafgesetzbuch untersucht werden, wo sich noch Formulierungen aus der NS-Zeit finden.

"Das heutige Strafrecht ist nicht nationalsozialistisch", betont der Antrag. Allerdings habe man nach 1945 nicht auf die Gesetzeslage von vor 1933 zurückgegriffen, sondern habe sämtliche während der NS-Zeit vorgenommenen Änderungen akzeptiert, sofern sie nicht im einzelnen beispielsweise als rassistisch oder völkisch aufgehoben worden seien. Zwar seien "Gesinnungsmerkmale" im Lauf der Zeit zum Teil bereits aus dem Strafrecht getilgt worden, zum Teil seien sie aber noch vorhanden, kritisiert die Linksfraktion. Die Folge sei, dass manche Paragraphen nach wie vor Gesinnungen und angeblich typische Verhaltensweisen von Tätern und nicht die Tat selbst unter Strafe stellten. So werde bei Mord etwa auf "niedrige Beweggründe", "Mordlust", "Habgier" oder "Heimtücke" abgehoben. Auch bei anderen Straftatbeständen spiele die Gesinnung der Täter eine Rolle, wird im Antrag ausgeführt - so sei bei der Misshandlung von Schutzbefohlenen von "böswillig" und "roh" oder bei schwerer Körperverletzung von "hinterlistig" die Rede.

Die Fraktion bezeichnet es als mit dem in Deutschland geltenden Tatstrafrecht unvereinbar, "wenn bei einzelnen Delikten auf die Täterpersönlichkeit und nicht auf die Straftat abgestellt wird". Der Antrag verweist auf die schleswig-holsteinische Justizministerin Anke Spoorendonk (Südschleswigscher Wählerverband, SSW), die im Herbst 2013 den Anstoß für die jetzt zur Debatte stehende Überarbeitung des Strafgesetzbuchs gegeben hatte. Aus Sicht der Kieler Politikerin ist im Blick auf die Mordparagraphen 211 und 212 das "Ungewöhnliche" an den Formulierungen aus der NS-Zeit der "Hinweis auf einen vermeintlichen Tätertyp des Mörders ... Nach nationalsozialistischer Lesart war ein Mörder schon als solcher geboren und er offenbarte sich sozusagen durch die Tat."

Aus Sicht der Linken stellt die Orientierung an der Gesinnung von Tätern auch deshalb ein Problem dar, weil moralisch-sittliche Wertungen seitens der Richter zur Grundlage von Verurteilungen werden könnten.

Der Deutsche Anwaltsverein hatte die Initiative aus Schleswig-Holstein begrüßt und ebenfalls für eine Reform der Paragraphen 211 und 212 im Strafgesetzbuch plädiert.

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2. Verfahren nach Anti-Terror-Paragrafen

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/KOS) Im Jahr 2013 wurden nach den im Strafgesetzbuch verankerten Anti-Terror-Paragrafen 129, 129a und 129b nur in begrenztem Rahmen Ermittlungsverfahren eingeleitet und auch nur wenige Anklagen erhoben. Viele dieser Ermittlungen wurden wieder eingestellt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/759) auf eine Kleine Anfrage der Linken (18/663) hervor. Die Fraktion hatte ausgeführt, dass Strafverteidiger und Bürgerrechtsgruppen schon seit Jahren die Abschaffung dieser umstrittenen Regelungen fordern.

Wie es in der Antwort der Regierung heißt, wurden im Bereich Linksterrorismus 2013 vom Generalbundesanwalt nach dem Paragrafen 129a keine neuen Ermittlungen unter dem Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder der Werbung für solche Gruppierungen eingeleitet. Auch habe die Karlsruher Behörde keine Verfahren dieser Art von den Staatsanwaltschaften der Länder übernommen. Im Blick auf Rechtsterrorismus eröffnete 2013 laut Antwort der Generalbundesanwalt nach Paragraf 129a zwei Ermittlungsverfahren gegen acht Beschuldigte. V-Leute seien in diesen neuen Verfahren weder angeworben noch eingesetzt worden. Gegen keinen Beschuldigten wurde nach Angaben der Regierung Untersuchungshaft angeordnet. Anklagen wurden im zurückliegenden Jahr nicht erhoben.

Nach Paragraf 129, bei dem es um kriminelle Vereinigungen geht, wurde laut Antwort im vergangenen Jahr vom Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen drei Beschuldigte neu eröffnet. Zur Erhebung von Anklagen kam es 2013 nicht.

Etwas anders sieht es nach den Erläuterungen der Regierung beim Paragrafen 129b aus, der sich mit kriminellen und terroristischen Vereinigungen befasst, die im Ausland ihre Wurzeln haben. Danach wurden 2013 vom Generalbundesanwalt oder von Staatsanwaltschaften auf Länderebene insgesamt 59 Ermittlungsverfahren gegen 80 Beschuldigte neu eingeleitet. Dabei sei gegen acht Personen Untersuchungshaft angeordnet worden. Wie aus der Antwort hervorgeht, wurden vergangenes Jahr 60 Ermittlungsverfahren gegen 63 Beschuldigte eingestellt, wobei diese Verfahren auch aus Vorjahren datieren können. Wegen Straftaten im Zusammenhang mit Paragraf 129b habe der Generalbundesanwalt 2013 Anklagen gegen sechs Personen erhoben, all diese Klagen seien zur gerichtlichen Hauptverhandlung zugelassen worden. Laut Regierung wurden 2013 zehn Urteile gegen zwölf Angeklagte gefällt, wobei die Prozesse schon im Vorjahr begonnen haben können. In fast allen Fällen wurden mehrjährige Freiheitsstrafen verhängt. Die Anklagen betrafen nach den Ausführungen in der Antwort mehrere ausländische terroristische Vereinigungen wie etwa al-Qaida, die kurdische PKK oder die Islamische Dschihad Union.

In ihrer Anfrage hatte die Linke angezweifelt, dass angesichts der hohen Zahl von eingestellten Ermittlungsverfahren einerseits und der erheblichen negativen Folgen für die Betroffenen solcher Ermittlungen beispielsweise im Berufsleben andererseits bei den Anti-Terror-Paragrafen noch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gelte. Dazu heißt es in der Antwort: "Die Bundesregierung hält den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für gewahrt." Im Übrigen könnten Betroffene etwaige Entschädigungsansprüche rechtlich geltend machen.

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3. Weiter Streit über "Pille danach"

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Bundesregierung will die "Pille danach" mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) vorerst weiter rezeptpflichtig halten und stellt sich dabei auch gegen einen Beschluss des Bundesrates. Die Länderkammer hatte im November 2013 beschlossen, zwei turnusmäßig geänderten Verordnungen nur zuzustimmen, wenn die Notfallverhütung aus der Verschreibungspflicht entlassen würde. Da dies nun nicht geschieht, treten die beiden betreffenden Verordnungen insgesamt einstweilen nicht in Kraft, wie die Regierung in ihrer Antwort (18/878) auf eine Kleine Anfrage (18/698) der Fraktion Die Linke schreibt.

Es geht den Angaben zufolge um die in der Länderkammer zustimmungspflichtige Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung sowie um eine Verordnung zur Umsetzung der Regelungen der Europäischen Union über die Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten ausgestellten ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Die Bundesregierung prüfe derzeit "das weitere Vorgehen im Hinblick auf die vom Bundesrat zu den Verordnungen gefassten Maßgabebeschlüsse vom 8. November 2013", schreibt die Regierung.

Auf nationaler Ebene kämen für eine Entlassung aus der Rezeptpflicht im Übrigen nur Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff LNG infrage. Der alternative Wirkstoff Ulipristalacetat sei von der Europäischen Kommission zugelassen worden. Eine Empfehlung, hier auf die Verschreibungspflicht zu verzichten, müsse in dem Fall daher auch von der Kommission ausgesprochen werden. Auf EU-Ebene liege ein Antrag auf Entlassung von Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat vor, mit einer Entscheidung sei aber frühestens im Sommer 2014 zu rechnen.

Der Sachverständigenausschuss im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die Behörde selbst empfehlen, LNG aus der Rezeptpflicht zu entlassen, da das Hormonmittel ausreichend getestet sei und praktisch keine unerwünschten Nebenwirkungen entfalte. Das Bundesgesundheitsministerium, die Unionsfraktion und auch ärztliche Fachverbände wollen an der Rezeptpflicht für die "Pille danach" hingegen festhalten. Sie argumentieren vor allem mit

der wichtigen Beratung der Frauen, die nur von Ärzten so umfassend geleistet werden könne.

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4. Integration der Sinti und Roma

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Teilhabe und Integration der Sinti und Roma in Deutschland" lautet der Titel einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/885). Darin erkundigen sich die Abgeordneten danach, in welchen gesellschaftlichen oder staatlichen Bereichen nach Kenntnis der Bundesregierung Sinti und Roma benachteiligt werden oder unterrepräsentiert sind. Auch möchten sie unter anderem wissen, welche Sinti- beziehungsweise Roma-Organisationen in den Jahren 2009 bis 2013 Bundesmittel in welcher Höhe zu Kulturförderung beziehungsweise zur Pflege, Förderung und Verbreitung ihrer Minderheitensprache erhielten.

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5. Zukunft der Urananreicherung

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Für die Zukunft der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Urananreichungsfirma URENCO interessiert sich die Fraktion Die Linke in einer kleinen Anfrage (18/880). URENCO gehört nach Angaben der Fraktion den Staaten Deutschland, Großbritannien und Niederlande sowie den Energieversorgern RWE und E.ON. Die Bundesregierung soll unter anderem mitteilen, wie der Stand der Verkaufsverhandlungen ist und bis wann der Verkauf erfolgen könnte. Außerdem wird danach gefragt, wie die Bundesregierung vor dem Hintergrund des vereinbarten Atomausstiegs in Deutschland zum bislang zeitlich unbegrenzten Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage Gronau steht. In der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage heißt es, in Gronau werde für nahezu jedes zehnte Atomkraftwerk weltweit das Uran für die Brennelementefertigung angereichert. Die Anlage sei nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima sogar noch erweitert worden.

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6. EEG-Umlage und Kraft-Wärme-Kopplung

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Welche Auswirkungen die geplante Aufhebung der Befreiung von selbst genutztem Strom aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) von der Umlage nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) haben könnte, will die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage (18/901) erfahren. Dazu werden zahlreiche Angaben erwartet, etwa die Entwicklung der Zahl der KWK-Anlagen und die Menge des selbst verbrauchten Stroms.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 158 - 27. März 2014 - 10:25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2014