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BUNDESTAG/4310: Heute im Bundestag Nr. 174 - 02.04.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 174
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 2. April 2014 Redaktionsschluss: 17:30 Uhr

1. Gemischte Zwischenbilanz zu ISAF
2. Weniger neue Schulden geplant
3. Stärkung der Binnennachfrage
4. Transparenz bei Fördermittelvergabe
5. NS-Erinnerungspolitik im Blick



1. Gemischte Zwischenbilanz zu ISAF

Auswärtiger Ausschuss

Berlin: (hib/AHE) Wenige Tage vor der afghanischen Präsidentschaftswahl haben Experten am Mittwoch in einer Anhörung des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag eine gemischte Zwischenbilanz nach zwölf Jahren der Präsenz internationaler Truppen am Hindukusch gezogen: Von einem "verlorenen Krieg" bis zur einer "positiven Bilanz der Entwicklung" zumindest einiger Landesteile reichten die Einschätzungen der Gäste, die ihren Blick nicht nur auf Fehleinschätzungen, etwaige Misserfolge und mögliche Erfolge des ISAF-Einsatzes seit 2001 richteten, sondern auch auf die Perspektiven des Landes nach dem geplanten Truppenabzug bis Ende 2014.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), bezeichnete zum Auftakt der Anhörung 2014 als "Schlüsseljahr" für Afghanistan: Das Land sei zwar "stabiler, aber nicht stabil" geworden und bedürfe auch weiterhin der Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Ein Erfolg des Afghanistan-Einsatzes sei deshalb nicht heute messbar, sondern werde erst auf Jahre hinaus daran zu messen sein, ob eine Stabilisierung des Landes mit der "Befähigung zur Eigenverantwortung" gelinge.

Der Sachverständige Otto Jäckel nannte die Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Kräfte - und damit perspektivisch eine Rückkehr zu staatlicher Souveränität einen "prinzipiell richtigen Weg". Allerdings seien die Erfolgsaussichten fraglich: Das von der internationalen Gemeinschaft etablierte Regierungssystem leide unter "schweren, strukturellen Mängeln". Das bisherige "Regime" unter Präsident Hamid Karzai stehe für Inneffektivität, "Überzentralisierung" und Korruption, es lähme die "subnationale Ebene" und marginalisiere das Parlament. Vor allem aber werde es - genauso wie die aussichtsreichsten Kandidaten als Nachfolger Karzais - als "einseitige Interessenwahrnehmung der ehemaligen Nordallianz" wahrgenommen, was einem Versöhnungsprozess in Afghanistan im Wege stehe. Die internationale Staatengemeinschaft habe von Anfang an den Fehler gemacht, auf Warlords mit ihren Truppen zu setzen, statt diese zu entwaffnen und eine allgemeine Wehrpflicht einzuführen. Zu einem Versöhnungsprozess gehöre zudem, Gesprächsangebote auch der Taliban wahrzunehmen und diese einzubinden, sagte Jäckel.

Jan Köhler vom Sonderforschungsbereich "Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit" am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin warnte indes davor, "die Chance auf die Entwicklung einer legitimen Ordnung nach Wahl schon jetzt abzuschreiben". Es sei - unterschiedlich ausgeprägt in den Regionen - manches erreicht worden bei staatlichen Basisleistungen wie Grundbildung, Gesundheit, Zugang zu Trinkwasser und Energie. Dort wo der Staat auf lokaler Ebene mit solchen Angeboten besser funktioniere als andere Kräfte, könne er auch von einer "Legitimationsdividende" profitieren. Entscheidend sei, ob das bisher Erreichte auch nach Abzug der internationalen Truppen bewahrt werden könne.

"Mehr Realismus statt Zweckoptimismus" fordert Thomas Ruttig vom "Afghanistan Analysts Network" in Kabul. Große Teile der afghanischen Bevölkerung hätten sich von einer Mission abgewendet, die sie anfangs noch unterstützt hätten. Wichtige politische Weichenstellungen hätten seit 2001 in die falsche Richtung gewiesen, darunter etwa der Verzicht auf die Wehrpflicht als Instrument des "Nation-building" oder die Einführung eines Präsidialsystems mit seiner starken Machtzentrierung. Zwar blieben nach mehr als zwölf Jahren ISAF "Freiheitserfahrungen" und "Bildungsfortschritte", aber die Grundbildung bleibe in der Breite nach wie vor unzureichend, gute Bildungsangebote seien hingegen teuer und nur für einen kleinen Teil der Afghanen überhaupt erreichbar. Auch Fortschritte beim Aufbau der Wirtschaft blieben fraglich, solange diese nicht beim Großteil der Bevölkerung ankommen würden. Afghanistan sei immer noch eines der ärmsten Länder: Rund ein Drittel der Bevölkerung lebe in Armut, etwa die Hälfte der Kinder seien unter- und mangelernährt, argumentierte Ruttig.

Mehr Realismus forderte auch der Publizist und langjährige Auslandskorrespondent Peter Scholl-Latour. Bei den anstehenden Wahlen würde weiterhin vor allem nach Clan-Zugehörigkeit abgestimmt: "Wir können die Leute nicht in unsere Schablonen pressen", sagte Scholl-Latour. Zu einer Bestandsaufnahmen gehöre zudem das Eingeständnis, dass der Krieg in Afghanistan verloren und das Konzept des "Nation-building" gescheitert sei. Scholl-Latour lenkte zudem den Blick auf Russland, das in der Betrachtung Afghanistans zu kurz komme. Ein zerfallendes oder im Bürgerkrieg versinkendes Afghanistan würde das gesamte Gefüge im postsowjetischen asiatischen Raum ins Wanken bringen: "Russland ist der eigentlich Bedrohte."

Den pessimistischen Einschätzungen setzte Adrienne Woltersdorf von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kabul eine Reihe von aus ihrer Sicht positiven Entwicklungen entgegen. Trotz gegenteiliger Unkenrufe wählen die Afghanen am Wochenende eine neuen Präsidenten, und die Tatsache, dass einige der Kandidaten durchaus fragwürdig seien, werde auch in der afghanischen Zivilgesellschaft lautstark kritisiert. "Das ist ein Erfolg." Woltersdorf sprach zudem von einer "neuen Art der Kompromisskultur". Es gehe es nicht mehr nur um das Prinzip "eine Ethnie gegen die andere", die Kandidaten hätten sich mit ihren Vizekandidaten über die ethnischen Grenzen hinweg aufgestellt. Woltersdorf forderte zudem insbesondere mehr Engagement für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes: 65 Prozent der Bevölkerung seien unter 25 Jahre alt - und wenn diese keine Perspektiven sähen, nützen Fortschritte bei Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit wenig.

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2. Weniger neue Schulden geplant

Haushalt/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/MIK) Die Bundesregierung will in diesem Jahr die Nettoneuverschuldung auf 6,5 Milliarden Euro (2013: 22,1 Milliarden Euro) senken. Das geht aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Haushalt 2014 (18/700) hervor, den der Bundestag in der kommenden Woche in erster Lesung beraten will. Von der geplanten Neuverschuldung entfallen allein 4,3 Milliarden Euro auf die letzte Einzahlung an den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Damit ist der Haushalt nach den Regeln der Schuldenbremse nicht nur strukturell ausgeglichen, sondern weist einen leichten Überschuss von 0,07 Prozent aus.

Die Ausgaben sollen laut Regierungsentwurf von 307,8 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 298,5 Milliarden Euro in diesem Jahr fallen. Die Steuereinnahmen sollen von 260,6 Milliarden Euro auf 268,9 Milliarden Euro ansteigen. Die Schulden des Bundes sollen in diesem Jahr 30,07 Milliarden Euro betragen (32,98 Milliarden Euro).

Über den größten Einzeletat verfügt auch in diesem Jahr das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit 122,32 Milliarden Euro. Die Ausgaben sollen damit um 3,09 Milliarden Euro steigen(119,23 Milliarden Euro). Die Ausgaben für das Bundesministerium für Verteidigung sollen von 33,26 Milliarden Euro auf 32,84 Milliarden Euro sinken. Das neue Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur soll über 22,78 Milliarden Euro verfügen. Das sind 3,62 Milliarden Euro weniger als das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hatte (26,41 Milliarden Euro).

Die größten Verschiebungen in den Etats der Bundesregierung ergaben sich durch den Neuschnitt einiger Bundesministerien. So gingen aus dem Etat des früheren Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung alleine 808 Millionen Euro an Mittel für Energieeinsparungen an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Im Gegenzug erhielt das neue Ministerium zwölf Millionen Euro vom Wirtschaftsministerium für den Bereich "Digitale Infrastruktur". Einnahmen in Höhe von 474 Millionen Euro und Ausgaben in Höhe von 2,28 Milliarden Euro an Mittel für Bauwesen und Stadtentwicklung gingen vom ehemaligen Bauministerium an das neue Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

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3. Stärkung der Binnennachfrage

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung soll für eine Erhöhung der öffentlichen und privaten Investitionen sorgen und die Binnennachfrage in Deutschland ankurbeln. Dazu müssten entsprechende Maßnahmen in das Nationale Reformprogramm aufgenommen werden, fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag, der an diesem Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht. Gefordert wird unter anderem die Vereinbarung klarer politischer Ziele bei der Energiewende, ökologischen Produkten und dem Breitbandausbau, um damit verlässliche Rahmenbedingungen für private Investitionen zu schaffen. Diese Ziele sollen unter anderem durch die Auflage eines nationalen Energiesparfonds erreicht werden. Durch den Fonds soll zum Beispiel die bezahlbare energetische Sanierung insbesondere in Wohnquartieren mit hohem Anteil einkommensschwacher Haushalte erhöht werden. Auch die Stromeffizienz sowie die Markteinführung besonders sparsamer strombetriebener Geräte und Maschinen soll gefördert werden. Die Finanzierung soll über den Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen erfolgen. Für Unternehmen soll eine steuerliche Forschungsförderung eingeführt werden.

Außerdem soll die Bundesregierung die notwendigen Investitionen für Erhalt und Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen Energie, Breitband, Verkehr und Bildung tätigen und diese Aufgabe angesichts der guten konjunkturellen Lage und der historisch niedrigen Zinsen nicht zukünftigen Generationen überlassen. Die deutschen Kommunen sollen sofort um eine Milliarde Euro entlastet werden, um Investitionen tätigen zu können. Zur Steigerung der Nachfrage soll "zügig und flächendeckend" der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde eingeführt werden. Außerdem werden Maßnahmen zur Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse wie Scheinwerkverträge, Leiharbeit, Minijobs und Praktika verlangt.

In der Begründung des Antrages verwies die Fraktion auf die von der EU-Kommission ausgesprochene Stabilitätswarnung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, da der Leistungsbilanzüberschuss seit über drei Jahren den kritischen Schwellenwert von sechs Prozent überschreitet. Die EU-Kommission sehe drei Hauptfaktoren als Ursachen des deutschen Leistungsbilanzüberschusses: fehlende Investitionen im privaten Sektor, fehlende Investitionen im öffentlichen Bereich und die im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zu geringe Binnennachfrage und Kaufkraft. Deutschland müsse daher seine Überschüsse reduzieren, "durch mehr inländische private und öffentliche Investitionen sowie die Stärkung der Binnenwirtschaft", wird gefordert.

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4. Transparenz bei Fördermittelvergabe

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Nach europäischem Vorbild soll die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln auch in Deutschland transparenter werden. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/980), der an diesem Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestage steht. Danach soll die öffentliche Hand verpflichtet werden, ihre Förderleitlinien zu veröffentlichen. Die öffentliche Hand soll außerdem verpflichtet werden, "Informationen über die Vergabe von Fördermitteln, die an juristische Personen, Personengesellschaften und Einzelunternehmen geflossen sind, zu veröffentlichen. Dabei soll eine Abwägung zwischen dem Transparenzinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten der Fördermittelempfängerinnen und -empfänger erfolgen, indem die Erforderlichkeit der Veröffentlichung nach Bezugsdauer, Häufigkeit sowie Art und Umfang der Zuwendungen geprüft wird", heißt es in dem Antrag der Fraktion.

Dass mehr Transparenz möglich sei, beweise der Erfolg der Europäischen Transparenzinitiative, durch welche die EU-Mitgliedstaaten seit April 2009 verpflichtet seien, Informationen über die Empfänger der Gemeinschaftsmittel aus den EU-Agrarfonds zu veröffentlichen, schreibt die Fraktion weiter. Der Vorschlag für mehr Transparenz über die Fördermittelvergabe des Bundes orientiere sich deshalb an dieser europäischen Initiative. Zum Schutz der personenbezogenen Daten wird ausgeführt, dieser betreffe vor allem natürliche Personen und solle aber auch im Falle von kleineren Kapitalgesellschaften, die mit einer oder mehreren natürlichen Personen identisch seien, im vollen Umfang berücksichtigt werden. Nur in begründeten Fällen, in denen es durch die Veröffentlichung der Förderdaten zu einer Offenlegung von besonders sensiblen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kommen könne, soll es Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht geben können.

Die derzeitige Praxis der Vergabe öffentlicher Fördermittel sei "intransparent und durch Zivilgesellschaft und Parlamente daher kaum kontrollierbar. Eine gute und transparente Datenlage ist unerlässlich für effiziente politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse über die erstmalige Bewilligung, Weiterführung, Neuzuschnitt beziehungsweise Beendigung von Förderprogrammen", stellt die Fraktion fest.

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5. NS-Erinnerungspolitik im Blick

Kultur und Medien/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Die Linke verlangt Auskunft über die Vorhaben der Bundesregierung zur NS-Erinnerungspolitik. In einer Kleinen Anfrage (18/837) will sie unter anderem wissen, ob die Regierung die finanzielle und personelle Ausstattung der vom Bund geförderten Gedenkstätten zu den nationalsozialistischen Verbrechen für ausreichend hält. Zudem will die Fraktion erfahren, ob die Regierung eine Form der Entschädigung für sowjetische Kriegsgefangene, die Zwangsarbeit leisten mussten, anstrebt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 174 - 2. April 2014 - 17:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2014