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BUNDESTAG/4636: Heute im Bundestag Nr. 501 - 09.10.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 501
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 09. Oktober 2014, Redaktionsschluss: 09.50 Uhr

1. Fachgespräch zu CETA und TTIP
2. Gegen Kinderarbeit auf Kakaoplantagen
3. Kooperationsverbot in Bildung aufheben
4. Nachwuchsmangel in der Nautik



1. Fachgespräch zu CETA und TTIP

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Berlin: (hib/AHE) Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) und das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) stoßen bei Experten auf ein geteiltes Echo. Insbesondere Fragen zum Investorenschutz und zu den Ratifikationsverfahren fanden in einem Fachgespräch im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union am Mittwoch unterschiedliche Bewertung.

Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln bezeichnete die im Freihandel verkörperte Offenheit als "bevorzugtes Konzept zur Schaffung von Wohlstand". Neben ökonomischen Vorteilen und der Möglichkeit, Standards im Welthandel zu setzen, wäre ein solch "transatlantischer Schulterschluss" auch ein wichtiges Zeichen für die Handlungsfähigkeit und den Gestaltungswillen der EU. Auch Jan von Herff vom Chemiekonzern BASF sprach von einem "positiven geostrategischen Effekt". Die Abkommen böten die Möglichkeit der Regelsetzung weit über die jeweils eigenen Wirtschaftsräume der beteiligten Partner hinaus.

Im Anspruch globaler Setzung von Standards sah hingegen die Juristin Isabel Feichtner (Goethe-Universität Frankfurt) eine "völkerrechtlich kritisch" zu bewertende Abkehr vom Prinzip des Multilateralismus. Es bestehe etwa die Gefahr, dass die Welthandelsorganisation WTO ihre Rolle als Forum zur Regelung des Welthandels verliere.

Der Jurist Franz C. Mayer (Universität Bielefeld) nannte CETA und TTIP "umfassende Freihandels- und Investitionsschutzabkommen neuen Typs", die weit über den Abbau von Zollschranken hinaus in den "Welthandel ausstrahlen" würden. Die bisherige Rechtsprechung in diesem Bereich sei deshalb nur unter Vorbehalt übertragbar. Als wichtigste Streitpunkte benannte Mayer die Frage der geplanten Schiedsgerichtsverfahren sowie die Ratifikation der Abkommen innerhalb der EU. Während etwa die EU-Kommission CETA als "EU-only-Abkommen" werte, sähen Mitgliedstaaten darin jeweils national zustimmungspflichtige "gemischte Abkommen".

Ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums stellte klar, dass die Bundesregierung auf die Definition als "gemischte Abkommen" - und damit auf die Ratifikation durch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten - dränge. Die EU-Kommission habe das Vorschlagsrecht, aber es liege "in der Hand des EU-Ministerrates die Definition festzulegen".

IW-Volkswirt Jürgen Matthes brachte angesichts eines zu erwartenden mehrjährigen Ratifikationsprozesses Vorschläge ins Spiel, jene Teile aus den Abkommen, die national zustimmungspflichtig sind, auszukoppeln und die anderen Teile vorläufig anzuwenden. Er machte sich zudem für die umstrittenen Schiedsgerichtsverfahren stark: Fehlten diese, seien bei möglichen Freihandelsverhandlungen mit China solche Regelungen, die dann im erst Recht im Interesse der EU lägen, "einfach nicht argumentierbar".

Isabel Feichtner betonte, dass es Alternativen beim Investorenschutz gebe: Dazu zählten etwa Versicherungslösungen und Streitschlichtungsverfahren "von Staat zu Staat". Auch Franz C. Mayer konstatierte ein "Unbehagen", mit den Schiedsverfahren eine durch die Öffentlichkeit nicht kontrollierte "Paralleljustiz" einzuführen. Zweifelsohne seien in solchen Schiedsverfahren Konflikte schnell und in einem vertraulichen Rahmen beizulegen. Wirklich überzeugend seien solche Verfahren aus seiner Sicht nur bei einem "großen rechtsstaatlichen Gefälle" zwischen den Verhandlungspartnern. Dieses sei im Falle CETA und TTIP nicht erkennbar, sagte Mayer. Vorstellbar sei es, die Schiedsgerichtsverfahren zeitlich begrenzt einzuführen, um ihre Auswirkungen nach Ablauf einer Frist zu überprüfen.

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2. Gegen Kinderarbeit auf Kakaoplantagen

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Einwicklung

Berlin: (hib/HAU) Kinderarbeit auf Kakaoplantagen ist inakzeptabel. In dieser Einschätzung waren sich die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung, Vertreter der Bundesregierung und die Schülern der Montessori-Sekundar- und Hauptschule Düsseldorf, die sich in der Initiative SchokoFair engagieren, bei einer öffentlichen Sitzung des Beirates einig. Konkrete Zusagen hinsichtlich der sofortigen Schaffung gesetzlicher Regelungen gegen die Kinderarbeit oder gegen Unternehmen, die mittels Kinderarbeit produzierte Schokoladen vertreiben, vermochten die Politikern den Kindern indes nicht zu geben.

Der Beirat habe sich auf ein Positionspapier geeinigt, sagte der Vorsitzende Andreas Jung (CDU). Darin enthalten sei die Feststellung, dass Kinderarbeit aktiv bekämpft werden müsse sowie Transparenz bei den Lieferketten benötigt werde. Außerdem fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, zu prüfen, welche gesetzlichen Regelungen auf nationaler Ebene möglich seien.

Zu Beginn der Sitzung hatten die SchokoFair-Kinder die Motivation für ihr Engagement gegen die Kinderarbeit auf Kakaoplantagen erläutert und Forderungen an Abgeordnete und Bundesregierung gestellt. In Ghana und der Elfenbeinküste würden Kinder verschleppt und versklavt, sagte Antonuis Speckenbach. Diesen entrechteten Kindern eine Stimme zu geben, sei das Anliegen der Initiative. Nico Kranz ergänzte, dass dies keine Einzelfälle seien. "600.000 Kinder werden dort zur Kinderarbeit gezwungen", sagte er. Die großen Schokoladenhersteller würden sich einer Pflicht zur Kennzeichnung der Herkunft ihrer Produkte verweigern und auf Freiwilligkeit setzen, sagte Pascal Renner und urteilte: "Das bringt aber nichts." Benötigt werde hingegen ein Schokoladen-TÜV, befand er. Sein Mitstreiter Frederic Balzer forderte hohe Bußgeldzahlungen oder gar Verkaufsverbote für Hersteller, die nicht bereits sind, die Herkunft des Kakaos zu kennzeichnen.

Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Thomas Silberhorn (CSU), nannte es wichtig, dass die Herkunft der Produkte erkennbar ist. Gefragt seien hier Hersteller, Handel "aber auch die Verbraucher, die eine große Nachfragemacht haben", sagte er. Silberhorn verwies auf das "Forum für nachhaltigen Kakao" mit rund 80 Mitgliedern aus Industrie, Handel, Politik und Zivilgesellschaft, die sich das Ziel gesetzt hätten, die Situation der Kakaobauern zu verbessern und zu einem nachhaltigem Anbau von Kakao zu gelangen.

Das Kakao-Forum helfe ganz konkret durch die finanzielle Unterstützung von 20.000 Kleinbauern, damit diese nicht ihre Kinder zur Arbeit auf die Plantagen schicken müssten, sagte Maria Flachsbarth (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Gesetzlichen Regelungen gegenüber zeigte sie sich skeptisch. So gebe es beispielsweise in der Elfenbeinküste ein Gesetz gegen Kinderarbeit. Es werde jedoch nicht eingehalten. Das von den Kindern angesprochene Verkaufsverbot für Schokoladenprodukte, die mit Rohstoffen aus Kinderarbeit hergestellt wurden, nannte sie "eine gute Idee". Es stelle sich aber die Frage, wie das kontrolliert werden kann, so die Staatssekretärin. Angesichts von 50 Millionen Menschen, die oft als Kleinstbetriebe organisiert ihr Geld mit dem Kakaoanbau verdienen würden, hätten auch Vertreter der Organisation Fairtrade eingeräumt, dass dies "unendlich schwer ist". Besser sei es, so Flachsbarth, alle Beteiligten zusammenzubringen und sie zu Selbstverpflichtungen aufzufordern.

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3. Kooperationsverbot in Bildung aufheben

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Im Jahr 2006 hat die letzte Große Koalition aus CDU/CSU und SPD das Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert. Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen "hat sich damals dieser fatalen Weichenstellung widersetzt und vor gravierenden Nachteilen für Bildung und Wissenschaft gewarnt", schreiben die Grünen in ihrem Antrag (18/2747). Viele Befürchtungen seien mittlerweile längst eingetreten: Mangels neuer bundesweiter Programme stockten Ganztagsschulausbau und schulische Inklusion.

Die Grünen fordern nun in ihrem Antrag das Junktim zwischen der 25. Novelle des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und der Änderung von Art. 91b Grundgesetz zugunsten sinnvoller und sachlicher Beratungsprozesse für beide Reformvorhaben aufzugeben und das Erfordernis der Einstimmigkeit aus dem Entwurf zu streichen, um die Einigung über Verfahrensregeln in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern nicht unnötig einzuschränken. Ferner erwarten die Grünen von der Bundesregierung, einen Vorschlag vorzulegen, wie das Grundgesetz so geändert werden kann, dass Bund und Länder auch im Bereich der allgemeinen Bildung auf der Grundlage gemeinsamer Vereinbarungen zusammenarbeiten können.

Acht Jahre nach der Entscheidung für das Kooperationsverbot liege dem Parlament nun ein Vorschlag der Bundesregierung vor, wonach in der Wissenschaft die Kooperation wieder in die Entscheidungsbefugnis von Bund und Länder gelegt werden. Allerdings gehe die Bundesregierung damit nur die Hälfte des Problems an. In der Bildung ändere sich nichts, die verfassungsrechtliche Barriere bliebe bestehen. Die Große Koalition vergäbe damit die historische Chance, aus einer Verbotsverfassung eine Ermöglichungsverfassung zu machen. Statt ihre verfassungsändernde Mehrheit zu nutzen und die Republik von Selbstblockaden vollständig zu befreien, beschränke sie ihren Vorschlag zur Verfassungsänderung auf die längst überfällige Aufhebung im Wissenschaftsbereich. Für schulische Bildung solle sich nach dem Regierungsentwurf der Bund auch weiterhin nicht engagieren dürfen - die gesamtstaatliche Bildungsbremse bliebe wirksam. Diese eklatante Unterfinanzierung gerade im Bildungsbereich habe

schwerwiegende Folgen für Schüler, Studenten und Beschäftigte: Vielerorts seien Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Forschungsinstitute in einem baulich maroden Zustand. Gute Bildungs- und Forschungspolitik sei immer auch Sozial-, Wirtschafts- und Integrationspolitik. In der Bildung müssten Kooperationswege geöffnet werden, um mehr Teilhabe- und Aufstiegschancen zu erreichen sowie die Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungswesens zu steigern. Eine Modernisierung und kluge Gestaltung des Bildungsföderalismus sei mehr als überfällig.

Nach Aussage der Bundesregierung soll der Änderungsentwurf eine "neue Ära der Kooperation" einläuten. Die Grünen sind hingegen der Meinung, dass diese Aussage ihre Glaubwürdigkeit verliere, wenn zugleich die angekündigte Entlastung der Länder von ihrem Finanzierungsanteil beim Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) daran gekoppelt werde, dass diese im Bundesrat der Grundgesetzänderung zustimmen. Eine solche Zwangslage konterkariere den ausgerufenen Auftakt zu mehr vertrauensvoller Kooperation, kritisieren die Grünen.

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4. Nachwuchsmangel in der Nautik

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Anzahl der Studenten im Studienfach Nautik und angrenzender Ausbildungsberufe nimmt seit einigen Jahren drastisch ab. Der Nachwuchsmangel macht sich auch bei den Lotsen bemerkbar, die bis 2024 zu über einem Drittel in Rente gehen werden, schreibt Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag (18/2748). Es bestehe das Risiko, eine langfristige und qualitativ hohe Ausbildungsmöglichkeit in Deutschland auf Dauer nicht mehr aufrechterhalten zu können. Es drohe langfristig gar der Verlust maritimen Know-Hows.

In ihrem Antrag fordern die Grünen ein bedarfsorientiertes maritimes Ausbildungskonzept zusammen mit den Küstenländern für eine nachhaltige Neuausrichtung der maritimen Ausbildungsberufe zu erarbeiten. Bis zur Maritimen Konferenz 2015 soll dem Bundestag ein Ergebnis vorgelegt werden. Dabei sollten Küstenländer und der Seeverkehrswirtschaft darauf hinwirken, dass die existierenden Ausbildungs- und Studiengänge evaluiert und gegebenenfalls die Angebote im Hinblick auf eine stärkere Verzahnung zwischen Praxis und Hochschulausbildung durch duale Studiengänge überarbeitet und ergänzt werden. Es sollten nach Ansicht der Grünen geeignete Maßnahmen zur Steigerung der Bereitschaft der Reeder geprüft werden, Auszubildende und Praktikanten einzustellen. Dabei schlagen die Grünen auch eine Anpassung des Flaggenrechtsgesetzes vor, die Verwendungsmöglichkeiten der Ausbildungsfördermittel zu erweitern, die durch die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland verwaltet werden. Insbesondere Praktika für Studienanfänger sollten auch auf Schiffen unter europäischer Flagge ermöglicht werden. Um dem drohenden Nachwuchsmangel bei den See- und Hafenlotsen zu begegnen, bringen die Grünen auch eine Anpassung des Seelotsengesetzes ins Spiel.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 501 - 9. Oktober 2014 - 09.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2014