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BUNDESTAG/4637: Heute im Bundestag Nr. 502 - 09.10.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 502
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 09. Oktober 2014, Redaktionsschluss: 12.00 Uhr

1. Minister Müller warnt vor Genozid in Syrien
2. Flüchtlinge: Bau von Unterkünften erleichtern
3. Linke fordert Hinrichtungsmoratorium
4. Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern
5. Verbindliche Regeln für Unternehmen



1. Minister Müller warnt vor Genozid in Syrien

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Berlin: (hib/JBB) Für Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) gleicht die Situation in Syrien und Nordirak immer mehr einem Genozid. Bei der Bekämpfung der "größten humanitären Krise der Neuzeit" setzt er dabei auf die Kooperation mit den Vereinten Nationen. Das sagte er am Mittwoch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages. Grundsätzlich seien die weltweit gültigen Menschenrechte Grundlage seiner Arbeit und die seines Ministeriums, sagte Müller. Besonders hob er hier das Recht auf Leben, Nahrung und Bildung hervor. Leider werde jedoch das elementare Recht auf Leben derzeit massiv missachtet, 200.000 Tote im syrischen Bürgerkrieg in den letzten zwei Jahren seien dafür Beweis genug. Auch das Recht auf Würde und gewaltsamen Umgang miteinander werde gebrochen. Deshalb unterstütze sein Ministerium ein Zentrum für traumatisierte Kinder und Frauen in Erbil im Nordirak.

Die Situation in der Region verglich Müller mit einem Völkermord. "Hier findet ein Genozid statt", sagte er. Wie vor 20 Jahren in Ruanda Menschen verfolgt und getötet worden seien, so geschehe das heute mit den Jessiden und Christen dort. "Wir können nicht wegschauen aber wir können prüfen ob wir genug tun", sagte er. Dazu gehöre auch, sich für das Recht auf Notwehr einzusetzen, dem durch die Waffenlieferungen Deutschlands Rechnung getragen würden. Es freue ihn, dass der Haushaltsausschuss noch einmal 60 Millionen Euro für die Entwicklungshilfezugesagt habe, so Müller. Das Geld wolle er dazu verwenden, im Nordirak ein bis zwei Flüchtlingscamps zu errichten, damit die Menschen dort für den Winter Unterkünfte hätten.

Bei der Bekämpfung der vielen weltweiten Krisen setzt Müller auf die Kooperation mit den Vereinten Nationen. Die Hilfsorganisationen der UN seien gut, schnell und effektiv, sagte er, und ermöglichten in vielen Regionen einen Zugang, den deutsche Organisationen nicht hätten. Dabei kooperiere sein Amt gut und eng mit dem Auswärtigen Amt zusammen. Allerdings kritisierte Müller ein "weitgehendes Versagen" der EU in Syrien und im Irak. "Ich sehe die UN und nationale Hilfsorganisationen aber keine Europäische Union. Die zeigt in der größten humanitären Krise der Neuzeit keine Flagge", sagte er.

Weiterhin warnte Müller davor, bei aller Konzentration auf die Situation in Syrien und Nordirak andere Krisenherde aus den Augen zu verlieren. Als Beispiel nannte er Süd-Sudan, die Ost-Ukraine und das von Ebola geplagte Westafrika. Der deutsche Hilfskonvoi mit 750 Tonnen Hilfsgütern sei inzwischen in der Ukraine angekommen und werde dort nächste Woche dezentral verteilt. Und für Westafrika müsse man einen Gesamtansatz entwickeln, um die schweren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Ebola-Epidemie einzudämmen.

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2. Flüchtlinge: Bau von Unterkünften erleichtern

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/JOH) Um die hohe Zahl von Flüchtlingen, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, unterbringen zu können, soll das Bauplanungsrecht nach dem Willen des Bundesrates zeitlich befristet geändert werden. In einem Gesetzentwurf (18/2752) fordert die Länderkammer den Bundestag auf, ein Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz zu erlassen, mit dem die Schaffung öffentlicher Unterbringungseinrichtungen erleichtert werden soll.

In der Begründung heißt es, die Bereitstellung von Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbewerber stelle in Ballungszentren mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt ein großes Problem dar. Flächen, die zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum für den Wohnungsbau benötigt würden, stünden im Regelfall nicht zur Verfügung. Die zeitnahe Nutzung anderer Flächen scheitere aber vielfach an planungsrechtlichen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund seien gesetzgeberische Maßnahmen "dringend geboten".

Unter anderem will der Bundesrat die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften erleichtern, wenn dies "in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs" erfolge. Bisher seien solche Unterkünfte im Außenbereich nur dann zulässig, wenn ihre Einrichtung oder Nutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtige. Dies bedeute, dass der Bau solcher Unterkünfte allenfalls im Ausnahmefall möglich sei. Des Weiteren sollen Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte ausnahmsweise auch in Gewerbegebieten zugelassen werden können.

In ihrer Stellungnahme unterstützt die Bundesregierung den Gesetzentwurf des Bundesrates. Jedoch schlägt sie einige Änderungen vor. So zieht sie es vor, die neuen Regelungen in das Baugesetzbuch zu integrieren. Ein parallel zum Baugesetzbuch bestehendes Maßnahmengesetz würde die Planungs- und Genehmigungspraxis eher erschweren und zu Rechtsunsicherheit bei der Anwendung geltender bauplanungsrechtlicher Regelungen führen, argumentiert sie. Die Neuregelungen sollten außerdem bundesweit gelten, betont die Bundesregierung, Befristungen sollten nicht bei solchen Regelungen vorgesehen werden, die im Wesentlichen klarstellender Natur seien.

Darüber hinaus bedarf es nach Ansicht der Regierung bei der Genehmigungsfähigkeit von Flüchtlingsunterkünften in Gewerbegebieten einer anderen Regelung, um dem Anliegen des Bundesrates rechtssicher zu entsprechen. Da es sich bei den Einrichtungen um wohnähnliche Nutzungen handle, drohten bei der vorgeschlagenen Regelung unbeabsichtigte Nutzungskonflikte. Die Bundesregierung schlägt vor, in das Baugesetzbuch eine zeitlich befristete Befreiungsmöglichkeit einzuführen. Voraussetzung solle es sein, dass an dem betreffenden Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind. Außerdem solle die Befreiung auch unter Würdigung nachbarschaftlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sein.

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3. Linke fordert Hinrichtungsmoratorium

Menschenrechte und humanitäre Hilfe/Antrag

Berlin: (hib/JBB) Die Bundesregierung soll sich für ein weltweites Hinrichtungsmoratorium sowie eine UN-Resolution zur internationalen Ächtung aller Formen der Todesstrafe einsetzen. Das fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (18/2740). Gleichzeitig soll die Lieferung von Polizeiausstattungen an Länder, die die Todesstrafe praktizieren, verboten werden und sich die Bundesregierung dafür auch im Rahmen der EU einsetzen. Zusätzlich sollen die deutschen Botschaften in den betroffenen Staaten bei Verhängung der Todesstrafe grundsätzlich protestieren.

Als weiteren Punkt verlangt die Fraktion, dass die "extralegalen Tötungen" durch Spezialkommandos der Militärs, paramilitärische Einheiten oder bewaffnete Drohnen weltweit geächtet und die Täter verurteilt werden. Diese Form des Tötens sei eine "Ermordung von Menschen ohne Gerichtsurteil", schreiben die Antragssteller.

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4. Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD machen sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern stark. "Die Produktions- und Lieferketten von international agierenden Unternehmen sind zunehmend global verzweigt und durch internationale Arbeitsteilung gekennzeichnet", schreiben die Fraktionen in einem Antrag (18/2739), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Multinationale und international agierende Unternehmen könnten einen "erheblichen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten" - wobei verantwortungsbewusste Unternehmen ihre Ziele "freiwillig und aus eigenem Interesse auch nach sozialen, menschenrechtlichen und ökologischen Kriterien" ausrichteten.

Der Einsturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 habe aber "beispielhaft erneut gezeigt, dass es in einigen Entwicklungsländern Probleme mit der staatlichen Schutzpflicht gibt und dass einige multinational agierende Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung und Sorgfaltspflicht für ihre Lieferkette nicht ausreichend nachkommen".

Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, sich weiter für die Entschädigung der Unglücksopfer des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch einzusetzen, "indem sie Einfluss auf die verantwortlichen Textilimporteure nimmt, in den von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO koordinierten Entschädigungsfonds einzuzahlen". Zudem soll sie bei der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der "UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte" für staatliche und private Wirtschafts- und Handelskooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern international vereinbarte Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards stärken. Auf europäischer Ebene fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, sich für die Aufnahme verbindlicher, international anerkannter Sozial- und Umweltstandards wie die ILO-Kernarbeitsnormen in Handelsabkommen einzusetzen. Zudem wollen die Abgeordneten mehr Transparenz im globalen Handel mit Rohstoffen, insbesondere mit sogenannten Konfliktmineralien. Die Bundesregierung soll rohstofffördernde Länder und Unternehmen ermutigen, bestehenden Initiativen wie etwa der Initiative für Transparenz in der Rohstoffgewinnenden Wirtschaf (EITI) beizutreten.

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5. Verbindliche Regeln für Unternehmen

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert verbindliche Regeln zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards bei transnationale Unternehmen. Die Prinzipien der vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen angenommenen "Guiding Principles on Business and Human Rights" - und die damit verbundenen sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Standards müssen durchgesetzt werden, schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (18/2746), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, "die international anerkannten Menschenrechtsabkommen, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und die Kernbestandteile der internationalen Umweltabkommen auch für Unternehmen verbindlich zu machen". Bei Verstößen sollen die Opfer über das nationale Deliktsrecht Entschädigungsansprüche geltend machen können. Zudem sollen die im deutschen Recht bestehenden Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten von Unternehmen "auf soziale, ökologische und menschenrechtliche Risikolagen" ausgeweitet werden, so dass Unternehmen verpflichtet sind, "durch angemessene und geeignete Maßnahmen" dafür zu sorgen, dass die Standards eingehalten werden. Außerdem soll die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, "der die strafrechtliche Ahndung von rechtswidrigen Handlungen, die aus Unternehmen heraus begangen werden, verbessert und das Einstehen juristischer Personen für diese Taten sicherstellt".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 502 - 9. Oktober 2014 - 12.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2014