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BUNDESTAG/4694: Heute im Bundestag Nr. 559 - 05.11.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 559
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 05. November 2014, Redaktionsschluss: 16.00 Uhr

1. Weg zur europäischen Bankenunion ist frei
2. Rentenbeiträge: Linke gegen Schwankungen
3. Linke: Mehr Schutz für Whistleblower
4. Öffentliche Ausschusssitzungen



1. Weg zur europäischen Bankenunion ist frei

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat am Mittwoch den Weg zur Schaffung der europäischen Bankenunion frei gemacht. Mit der Zustimmung zu zwei Gesetzentwürfen der Bundesregierung werden die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten in Schieflagen europäisch gemeinsam geregelt. Ziel ist es, eine Gefährdung der Finanzstabilität zu verhindern. Außerdem wird ein europäischer Abwicklungsfonds geschaffen.

Die CDU/CSU-Fraktion sprach von einem weiteren "Meilenstein" in der europäischen Finanzmarktregulierung, nachdem bereits mit Wirkung zum 4. November 2014 die Europäische Zentralbank (EZB) für die Aufsicht über die wichtigsten Banken zuständig geworden sei. Ein Sprecher verwies auf die neuen Haftungskaskaden, die das Ziel hätten, dass der Steuerzahler nicht zur Bankenrettung herangezogen wird. Zum europäischen Abwicklungsfonds erklärte er, der schon existierende nationale Abwicklungsfonds sei die "Blaupause für Europa" gewesen. Die SPD-Fraktion schloss sich dem Begriff "Meilenstein" an. Noch vor wenigen Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, dass solche gemeinsamen Regelungen geschaffen werden könnten. Es sei wichtig, dass sich die Finanzmarktkrise nicht wiederholen könne. Und es sei wichtig, dass der Steuerzahler "nicht wieder der Dumme" sei und bei Bankenschieflagen haften müsse.

Der Sprecher der Linksfraktion erinnerte daran, dass Meilensteine Steine seien und auch zu "Stolpersteinen" werden könnten. Er bezeichnete es als falsche Entscheidung, der EZB die Aufsicht über die Banken zu übertragen. Die Neuregelung der Bankenabwicklung sei auf den Euroraum beschränkt und lasse Großbritannien mit dem besonders wichtigen Finanzplatz London außen vor. Und schließlich sei auch nach der Neuregelung ein Finanzkonglomerat wie die Deutsche Bank nicht beherrschbar. Zudem kritisierte die Linksfraktion, dass Genossenschaftsbanken und Sparkassen in einen Fonds einzuzahlen hätten, aus dem sie wegen ihrer eigenen Sicherungssysteme nie etwas haben würden.

Die Schaffung einer europäischen Aufsicht und eines europäischen Bankenabwicklungsmechanismus habe man seit Jahren gefordert, erklärte ein Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bei Schieflagen von ganz großen Banken werde die Regelung aber nicht funktionieren. Diese Institute seien zu groß und müssten daher kleiner werden. Bündnis 90/Die Grünen sprachen sich für die Neuregelung aus, lehnten aber die Teile ab, in denen es um die Verlängerung des Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin ging.

Mit Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie von Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen der Linksfraktion beschloss der Ausschuss den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines BRRD-Umsetzungsgesetzes (18/2575, 18/2626). Mit dem Entwurf wird die EU-Abwicklungsrichtlinie umgesetzt. Kreditinstitute haben in Zukunft Sanierungspläne zur Vorbereitung auf den Krisenfall zu erstellen. In dem Plan sollen Handlungsoptionen beschrieben werden, die die Geschäftsleistung ergreifen will, um die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren und die Überlebensfähigkeit des Instituts zu sichern, "ohne dass es auf aus Steuergeldern finanzierte Stabilisierungsmaßnahmen angewiesen ist".

Mit dem Gesetzentwurf soll die Abwicklungsbehörde weitreichende Befugnisse erhalten, um im Fall einer Bestandsgefährdung eines Instituts eine geordnete Abwicklung betreiben zu können und dabei die Finanzstabilität zu wahren sowie öffentliche Mittel und gedeckte Einlagen der Kunden zu schützen. "Zu den Befugnissen der Abwicklungsbehörde gehören insbesondere die Instrumente der Gläubigerbeteiligung, der Unternehmensveräußerung, der Übertragung auf ein Brückeninstitut und der Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft", schreibt die Bundesregierung. Die derzeit erhobene Bankenabgabe soll durch die Einführung einer neuen, den Vorgaben der Richtlinie entsprechenden Bankenabgabe abgelöst werden. Das Geld soll im Restrukturierungsfonds gesammelt werden und zur Finanzierung künftiger Abwicklungsmaßnahmen herangezogen werden können. Zuvor hatte die Koalition mit noch 47 Änderungsanträge eingebracht, die vom Ausschuss beschlossen wurden.

Ebenfalls mit Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linksfraktion stimmte der Finanzausschuss dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (18/2576, 18/2627) zu. Die bisher in nationaler Regie geführten nationalen Abwicklungsfonds für in Schieflage geratene Banken sollen auf den einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds übertragen werden. Hauptziel des Abwicklungsregimes ist es nach Angaben der Bundesregierung, "dass in Zukunft nicht mehr die Steuerzahler, sondern vorrangig die Finanzinstitute selbst für die Kosten von Bankenproblemen aufkommen".

Von der Koalitionsmehrheit abgelehnt wurden drei Anträge der Fraktion Bündnis/90 Die Grünen zur Bankenunion (18/97, 18/98, 18/774).

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2. Rentenbeiträge: Linke gegen Schwankungen

Arbeit und Soziales/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Die Linke verlangt eine "Stabilisierung der Beitragssätze" der Rentenversicherung und hat deshalb einen Gesetzentwurf (18/3042) vorgelegt, der am Donnerstag erstmals vom Bundestag beraten wird. Der Entwurf soll erreichen, die jährlichen Schwankungen der Beitragssätze zu verhindern, um mehr Geld in die Rentenkasse zu spülen. In dem Entwurf heißt es: "Durch einen Verzicht auf die Begrenzung der Rücklagen bei gleichzeitiger Stabilisierung der derzeit gültigen Beitragssätze wird der Automatismus zur Senkung der Beitragssätze außer Kraft gesetzt." Damit würden zugleich neue Handlungsspielräume für dringend nötige Leistungsverbesserungen geschaffen, die bereits durch die "Fehlfinanzierung" der "Mütterrente" aus Beiträgen stark eingeschränkt worden seien, schreibt die Fraktion. Die Linke will außerdem die Untergrenze der Nachhaltigkeitsrücklage (Mindestreserve) von derzeit 0,2 Monatsausgaben auf 0,5 Monatsausgaben anheben, um einen ausreichenden "Schwankungspuffer" bei den Einnahmen und Ausgaben im Jahresverlauf zu schaffen. Eine Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben sichere bei konjunkturellen Einbrüchen die Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausreichend, heißt es in dem Gesetzentwurf zur Begründung.

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3. Linke: Mehr Schutz für Whistleblower

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Die Fraktion Die Linke fordert einen umfassenden Schutz von sogenannten Hinweisgebern (Whistleblower). In einem Antrag (18/3043) verlangt sie von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die gesellschaftliche Bedeutung von Hinweisgebern anerkennt und sie vor Vergeltungsmaßnahmen schützt, nachdem sie auf Missstände zum Beispiel in ihrem beruflichen Umfeld hingewiesen haben. Außerdem soll das Gesetz Whistleblowing als "gutgläubige Weitergabe von Informationen, insbesondere über widerrechtliche Handlungen, Fehlverhalten oder allgemeine Gefahren", die eine Bedrohung der Interessen anderer oder der Gesellschaft insgesamt darstellen, definieren.

Das Gesetz müsse zum einen Probleme im Arbeits- und Beamtenrecht, im Strafrecht und im Medienrecht lösen, schreibt Die Linke. So sollen unter anderem im Arbeitsrecht ungerechtfertigte Entlassungen und Vergeltungsmaßnahmen wie Strafversetzungen und Mobbing verhindert werden. Dem Arbeitgeber soll ferner die Beweislast obliegen, dass solche Maßnahmen aus anderen Gründen als dem Whistleblowing erfolgten. Bezogen auf das Strafrecht fordert Die Linke, dass auch die Veröffentlichung militärischer oder geheimdienstlicher Informationen möglich sein soll, wenn sie Verletzungen von Menschenrechten, des deutschen und internationalen Rechts betreffen und nach begründeter Einschätzung des Hinweisgebers interne Berichtswege keine Aussicht auf Erfolg versprechen. Das Gesetz soll außerdem die Einrichtung verlässlicher Berichtswege garantieren, unter anderem durch die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle für Hinweisgeber und durch die Installierung eines internen Hinweis-Systems in Unternehmen, Behörden und Organisationen. Schließlich verlangen die Abgeordneten "flankierende" Maßnahmen wie die Förderung von Zivilcourage, die Aufklärung über Möglichkeiten des persönlichen Engagements und die Gewährung von Asyl für den us-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden. Der Antrag der Linken wird am Freitag, 7. November, in erster Lesung vom Bundestag beraten.

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4. Öffentliche Ausschusssitzungen

Bundestagsnachrichten/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben einen gemeinsamen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages "zwecks Herstellung der Ausschussöffentlichkeit" (18/3045) vorgelegt. Danach sollen die Beratungen der Ausschüsse grundsätzlich öffentlich sein. "Die Öffentlichkeit ist hergestellt, wenn der Presse und sonstigen Zuhörerinnen und Zuhörern im Rahmen der Raumverhältnisse der Zutritt gestattet wird", heißt es in der Vorlage. Auch sollen öffentliche Sitzungen nach dem Willen der beiden Oppositionsfraktionen "als Echtzeitübertragung (Livestream) im Internet übertragen werden". Soweit bestimmte Geheimhaltungsbedürfnisse oder schutzwürdige Interessen Einzelner das Interesse an der öffentlichen Beratung überwiegen, soll der Ausschuss laut Vorlage die Öffentlichkeit "für einen bestimmten Verhandlungsgegenstand oder Teile desselben" ausschließen.

Ferner sollen dem Antrag zufolge die Protokolle öffentlicher Sitzungen und die "zugänglichen Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen sowie alle Ausschussdrucksachen und sonstigen Beratungsunterlagen, die keine Verschlusssachen im Sinne der Geheimschutzordnung sind", öffentlich zugänglich gemacht und zeitnah im Internet veröffentlicht werden.

In der Begründung verweisen die beiden Fraktionen darauf, dass der Bundestag öffentlich verhandele, während die Beratungen seiner Ausschüsse bisher grundsätzlich nicht öffentlich seien. Von der seit 1969 geltenden Möglichkeit, Ausschusssitzungen im Einzelfall öffentlich durchzuführen, werde nur selten Gebrauch gemacht. Dies könne "aus Gründen der Nachvollziehbarkeit des gesamten demokratischen Prozesses nicht hingenommen werden".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 559 - 5. November 2014 - 16.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2014