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BUNDESTAG/4737: Heute im Bundestag Nr. 602 - 24.11.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 602 Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 24. November 2014, Redaktionsschluss: 16.15 Uhr

1. Streit um Kosten von Firmenveranstaltungen
2. Überwiegend Lob für neues Pflegezeitgesetz
3. 15 Millionen Euro für neuen Weltbank-Fonds
4. Austausch zwischen BMI und BMZ thematisiert



1. Streit um Kosten von Firmenveranstaltungen

Finanzausschuss/Öffentliche Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Wissenschaftler haben in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag die von der Bundesregierung geplanten Änderungen bei der lohnsteuerlichen Behandlung von Betriebsveranstaltungen kritisiert und Veränderungen gefordert. Die Maßnahmen sind in dem von der Regierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (18/3017) enthalten. Bei Betriebsveranstaltungen sollen danach Zuwendungen des Arbeitgebers keinen Arbeitslohn darstellen, wenn ihr Wert 150 Euro (bisher 110) nicht übersteigt. Die Freigrenze gilt für bis zu zwei Veranstaltungen jährlich. In der Regelung sind allerdings weitere Bedingungen enthalten. Zum Beispiel sollen Gemeinkosten (Miete von Sälen, Technik, Musik) den Arbeitnehmern anteilig angerechnet werden und nicht nur Essen und Trinken.

"Aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers stellen diese Gemeinkosten keine unmittelbare Zuwendung an ihn dar", protestierte die Deutsche Steuer-Gewerkschaft. Auch Jürgen Brandt vom Deutschen Finanzgerichtstag bezeichnete die Einbeziehung der Gemeinkosten als "in hohem Maße fraglich". Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hielt die Regelung für überdehnt, während die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft die Vorschrift weder vom Inhalt noch von der Verfahrensweise her für akzeptabel hielten und die Bundesteuerberaterkammer auf "zahlreiche Zweifelsfragen in der Praxis" verwies. Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine erklärte, die in der Gesetzbegründung behauptete Steuervereinfachung sei "nicht erkennbar".

Die Spitzenverbände von Industrie, Handwerk, Handel, Banken und Versicherungen begrüßten jedoch die von der Regierung geplanten steuerlichen Maßnahmen für die "Kindernotbetreuung". Damit werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt, erklärten die Spitzenverbände in ihrer gemeinsamen Stellungnahme. Nach dem Entwurf soll für zusätzliche, außergewöhnliche Betreuungsleistungen soll ein Freibetrag von 600 Euro im Jahr eingeführt werden. Dabei geht es um Betreuungskosten, "die kurzfristig aus zwingenden beruflich veranlassten Gründen entstehen". Erstmals sollen damit auch Betreuungskosten "in eng umgrenzten Rahmen steuerlich begünstig (werden), wenn sie im Privathaushalt des Arbeitnehmers anfallen". In diesem Zusammenhang wies Professor Frank Hechtner (Freie Universität Berlin) darauf hin, dass die steuerlichen Kinderfreibeträge in diesem Jahr zu niedrig seien und dringend erhöht werden müssten. Auch bestehe Handlungsbedarf, das steuerliche Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern im nächsten Jahr zu erhöhen.

Neu definiert werden soll mit dem Gesetz der Begriff der ersten Berufsausbildung. Bisher sind Ausbildungskosten des Steuerpflichtigen bis zum Abschluss der Erstausbildung bis zu 6.000 Euro als Sonderausgaben abziehbar. Mit der Neuregelung soll vorgeschrieben werden, dass die Erstausbildung für eine gewisse Dauer angelegt sein muss und die zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln hat. Kurse zur Berufsorientierung und zur Erlangung der Fahrerlaubnis für Nutzfahrzeuge oder Gabelstapler sollen nicht als Erstausbildung gelten. Während Jürgen Brandt vom Finanzgerichtstag Sympathie für die Regelung zeigte und meinte, je weniger Zeit eine Ausbildung benötige, desto mehr habe sie den Charakter einer Einweisung, gab es vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine massiven Widerspruch. Neben dem dualen Ausbildungssystem gebe es weitere Ausbildungen, deren Dauer oft weniger als 18 Monate umfasse. Als Beispiele wurden Altenpflegehelfer, Gesundheits- und Krankenpflegehelfer, Sozialassistent oder Tontechniker genannt. Die steuerlichen Konsequenzen wären für die Betroffenen oft drastisch: Die Kosten einer weiteren Ausbildung könnten nicht mehr als Werbungkosten steuerlich geltend gemacht werden. Der DGB schlug einen Kompromiss vor: Alternativ zum Nachweis einer Erstausbildung sollte auch der Nachweis von mindestens vier Jahren Berufstätigkeit mit durchschnittlich 20 Stunden pro Woche genügen, um die Kosten einer sich anschließenden berufsqualifizierenden Ausbildung als Werbungskosten geltend machen zu können.

Die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme (18/3158) geforderte Änderung der Rabatt- und Gutscheinbesteuerung wurde von den großen Wirtschaftsverbänden strikt abgelehnt. Die Länder hatten vorgeschlagen, Gutscheine nicht mehr als Sachlohn, sondern als Barlohn zu behandeln. Das hätte zur Folge, dass Gutscheine nicht mehr unter die steuerliche Freigrenze von 44 Euro fallen. Dazu schreibt die Wirtschaft: "Würde bei Gewährung eines Wertgutscheins künftig Lohnsteuer abzuführen sein, dürfte die Freude des Arbeitnehmers am Geschenk getrübt sein, wenn er am Monatsende feststellt, dass sein Nettogehalt wegen der abzuführenden Lohnsteuer niedriger ausfällt." Auch der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine befürchtete, dass der Länder-Vorschlag zu einer Mehrbelastung führen, "das Steuerrecht verkomplizieren und den Bürokratieaufwand erhöhen" würde. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte: "Die Einschränkung ist nicht sachgerecht, führt zu unnötigen Komplikationen im betrieblichen Alltag und ist gemessen an den geringen zu erwartenden Steuereinnahmen unverhältnismäßig."

Bei einigen geplanten Maßnahmen im Bereich der Unternehmenssteuern warfen die Sachverständigen der Regierung vor, zum Teil weit über das Ziel hinauszuschießen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer erklärte zu den geplanten Maßnahmen zur Neutralisierung der Effekte hybrider Steuergestaltungen, es sollten erst weitere Veröffentlichungen der OECD zu Detailfragen abgewartet werden. So wie die Maßnahme jetzt angelegt sei, könnte sie dem Wirtschaftsstandort Deutschland erheblich schaden und zu Doppelbesteuerungen führen. Kritik wurde auch an einer erst kürzlich geänderten Norm zur steuerpflichtigen Aufdeckung von stillen Reserven laut. So verlangte die Unternehmensberatung Ernst & Young schnelle Änderungen an der zu weitreichenden Regelung, weil Unternehmen schwerwiegende Liquiditätsengpässe drohten. Es komme zu Besteuerungen ohne Anlass.

Der Deutsche Juristinnenbund kritisierte, dass viele Regelungen nicht geschlechtsneutral seien. Der Deutsche Bauernverband äußerte sich erfreut über die Beibehaltung des Systems der Durchschnittssatzgewinnermittlung, was für rund 150.000 kleine Betriebe und Nebenerwerbslandwirte eine Erleichterung bedeute. Der bisher mögliche Abzug von betrieblich Schuld- und Pachtzinsen sollte aber nicht gestrichen werden.

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2. Überwiegend Lob für neues Pflegezeitgesetz

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Der von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vorgelegte Gesetzentwurf "zur besseren Vereinbarkeit von Familien, Pflege und Beruf" (18/3124) stößt bei Experten und Interessenvertretungen auf überwiegend gute Resonanz. Die Zielsetzung des Gesetzes sei ebenso zu begrüßen wie viele Bestandteile des Gesetzes. Zugleich warnen sie jedoch vor übertriebenen Erwartungen an das Gesetz. Dies war der Grundtenor einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag. Vor allem die geplante Einführung eines Rechtsanspruchs auf die Familienpflegezeit und die Gewährung eines zinslosen Darlehens während dieser Zeit zur Finanzierung des Lebensunterhaltes sowie die Zahlung einer Lohnersatzleistung während einer zehntägigen beruflichen Auszeit zur Organisation der Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen wurden durchgängig positiv bewertet.

Unterschiedlich bewerteten die geladenen Sachverständigen die Regelung, dass der Rechtsanspruch auf die maximal zweijährige Familienpflegezeit, in der Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden verringern können, nur für Angestellte von Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten gelten soll. Sandra Hartig vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) betonte, dass dieser Rechtsanspruch Unternehmen zusätzliche organisatorische Belastungen aufbürde und ihre Flexibilität bei der Personalplanung weiter einschränke. Davon seien vor allem kleine und mittlere Unternehmen stark betroffen. Der DIHK plädiere deshalb dafür, den Rechtsanspruch erst ab einer Betriebsgröße von 50 Beschäftigten zu gewähren.

Dieser Forderung widersprach die Vertreterin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Anja Weusthoff. Die Beschränkung des Rechtsanspruchs auf Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 15 Angestellten müsse vielmehr aufgehoben werden. Noch immer seien es vor allem Frauen, die die Pflege von Angehörigen übernehmen. Frauen würden aber zum überwiegenden Teil in kleineren und mittleren Betrieben arbeiten, führte Weusthoff aus. Deshalb konterkariere die Beschränkung des Rechtsanspruchs die Zielsetzung des Gesetzes. Auch Barbara König vom Zukunftsforum Familie sprach sich gegen die Anhebung des Schwellenwertes von 15 Beschäftigen aus.

Der Arbeitsrechtler Gregor Thüsing hingegen bezeichnete die Beschränkung des Rechtsanspruchs als vertretbar. Der Schwellenwert von 15 Beschäftigen sei in der Gesetzgebung etabliert. Zudem sei davon auszugehen, dass in kleinen und mittleren Betrieben einvernehmliche Lösungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einfacher herzustellen seien.

Anja Ludwig vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) warnte davor, die Wirkung des geplanten Gesetzes zu überschätzen. Die Situation von pflegebedürftigen Menschen und ihren pflegenden Angehörigen seien zu unterschiedlich, als dass dafür eine Pauschallösung gefunden werden könne. Die Weiterentwicklung des Familienpflegezeitgesetzes sei zwar ein richtiger Schritt, könne aber nur eine Maßnahme in einem Gesamtpaket sein, um die Pflegesituation in Deutschland zu verbessern. In diesem Sinne äußerte sich auch Gabriele Kuhn-Zuber vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Es bestehe die Gefahr, dass die Rückzahlung des zinslosen Darlehens zur Finanzierung des Lebensunterhaltes während der Familienpflegezeit nur von Menschen mit guten oder besseren Einkommen gestemmt werden kann. Kuhn-Zuber sprach sich deshalb ebenso wie die DGB-Vertreterin Weusthoff für die Zahlung einer Lohnersatzleistung während der Familienpflegezeit nach dem Vorbild des Elterngeldes aus. Elisabeth Fix vom Deutschen Caritasverband plädierte dafür, für die Rückzahlung des Darlehens zumindest Härtefallregelungen zum Beispiel im Fall von Langzeitarbeitslosigkeit oder andauernden Erkrankungen einzuführen.

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3. 15 Millionen Euro für neuen Weltbank-Fonds

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Deutschland wird sich voraussichtlich mit bis zu 15 Millionen Euro an einem neuen Weltbank-Fonds, der "Pilot Auction Facility" (PAF), beteiligen, der Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern fördern soll, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (18/3209) auf eine Kleine Anfrage (18/3001) der Fraktion Die Linke. Sie prüfe derzeit die Machbarkeit eines deutschen Engagements, heißt es darin. Die Weltbank erwarte, dass 100 Millionen US-Dollar für die PAF eingeworben werden können.

Bislang können Industriestaaten oder Privatinvestoren aus Industriestaaten Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern über den internationalen CO2-Zertifikatehandel (Clean Development Mechanism/CDM) finanzieren, indem sie über die Vereinten Nationen Emissionsgutschriften (CER) in Höhe der eingesparten Treibhausgasemissionen erhalten. Jedoch ist die private Nachfrage nach den Zertifikaten wegen eines massiven Preisverfalls eingebrochen. Viele Projekte stünden vor dem Aus, betont die Bundesregierung. Für einige dieser Projekte, die ausschließlich auf Einnahmen aus dem Zertifikatehandel angewiesen seien, solle daher der neue Fonds einspringen. Damit solle die Zeit bis zum Inkrafttreten eines neuen Klimaabkommens überbrückt werden. Erst dann sei wieder mit einer höheren Nachfrage auf dem internationalen Klimaschutz-Markt zu rechnen.

Der Fonds solle zunächst Klimaschutzprojekte aus den Bereichen Abwasserbehandlung, Deponien und organische Abfälle fördern, heißt es in der Antwort weiter. Die vorgesehenen Projekte seien "in besonderem Maße sozial und ökologisch nachhaltig". Ihre Zusätzlichkeit werde durch das Überprüfungsverfahren der Vereinten Nationen mit dauerhaften Monitorings und unabhängiger Zertifizierung gesichert. Die Zahlung erfolge nach dem Erhalt der verifizierten Emissionsminderungszertifikate.

Die Linksfraktion verweist indes auf Befürchtungen von Kritikern, dass durch die PAF der "ohnehin umstrittene CDM-Mechanismus nun auch noch von öffentlichen Haushalten subventioniert werden solle". Der CDM-Mechanismus schafft ihrer Ansicht nach keinen zusätzlichen Klimaschutz, sondern stellt "emissionsseitig im besten Fall ein Nullsummenspiel" dar.

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4. Austausch zwischen BMI und BMZ thematisiert

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke will wissen, welchen Beitrag die Entwicklungszusammenarbeit nach Ansicht der Bundesregierung bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern spielen sollte. In einer Kleinen Anfrage (18/3207) erkundigt sich die Fraktion zudem danach, welche Gremien zwischen Vertretern des Bundesinnenministeriums (BMI) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) bestehen, "um sich regelmäßig zu Migrationsthemen auszutauschen". Auch fragen die Abgeordneten unter anderem danach, welche Rolle die Kooperationsbereitschaft der Partnerländer bei der Rückübernahme von Flüchtlingen in der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union spielt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 602 - 24. November 2014 - 16.15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2014