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BUNDESTAG/4852: Heute im Bundestag Nr. 053 - 30.01.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 053
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 30. Januar 2015, Redaktionsschluss: 10.10 Uhr

1. Rückendeckung für Edathy
2. Linke fordert Wandel in Asylpolitik
3. Verpflichtendes Lobbyistenregister



1. Rückendeckung für Edathy

2. Untersuchungsausschuss (Edathy)

Berlin: (hib/pst) Mehrere Zeugen haben die Glaubwürdigkeit des SPD-Abgeordneten Michael Hartmann erschüttert. Hartmann war von Sebastian Edathy als der Informant benannt worden, der ihn vor laufenden Kinderporno-Ermittlungen gewarnt habe. Dem hatte Hartmann entschieden widersprochen. Nun haben aber fünf von sechs Zeugen bei der letzten Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses Aussagen Edathys bestätigt oder Darstellungen Hartmanns widersprochen.

Vier der sechs Zeugen vernahm der 2. Untersuchungsausschuss aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes in nichtöffentlicher Sitzung, nämlich zwei frühere Leiter von Edathys Bundestagsbüro, einen früheren engen Vertrauten des ehemaligen SPD-Abgeordneten sowie die mit Edathy befreundete ehemalige niedersächsische SPD-Abgeordnete Bärbel Tewes-Heiseke. Letztere sollte ursprünglich, wie alle Funktionsträger, in öffentlicher Zeugenvernehmung aussagen, aber weil sie schon viele Jahre aus der Politik ausgeschieden ist, entsprach der Ausschuss ihrem Wunsch, unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen zu werden.

Bereits nach der Vernehmung der beiden letzten beiden Büroleiter Edathys, Dennis Nocht und Maik Schuparis, kam der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Untersuchungsausschuss, Armin Schuster, zu der Feststellung: "Die Version Edathys klingt immer glaubhafter", und die Obfrau von Bündnis 90/Die Grünen, Irene Mihalic, erklärte: "Es wird für Hartmann immer enger." Nach einhelliger Darstellung aller Fraktionen waren die Aussagen der beiden übereinstimmend und glaubhaft. Demnach hat Edathy die beiden am 25. November 2013 darüber informiert, dass im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen kanadischen Kinderporno-Vertrieb sein Name auf einer Kundenliste aufgetaucht sei und dass der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche sowie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich davon in Kenntnis gesetzt habe und auch die SPD-Spitze Bescheid wisse. Das alles habe er von Hartmann erfahren, habe Edathy ihnen mitgeteilt.

Am 14. November 2013 hatte die kanadische Polizei ihren Schlag gegen den Kinderporno-Vertrieb und die weltweiten Ermittlungen gegen dessen Kunden publik gemacht, worüber auch deutsche Medien berichteten. Am 15. November hatten Edathy und Hartmann am Rande eines SPD-Parteitags darüber gesprochen. Wer dabei allerdings wem was gesagt haben soll, darüber widersprachen sich ihre Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss. Die Aussagen der beiden Büroleiter legen es nach Ansicht der Ausschussmitglieder aber nun nahe, dass Edathy tatsächlich von Hartmann informiert worden war. Der Obmann der Fraktion Die Linke, Frank Tempel, verwies darauf, dass Edathy zu diesem Zeitpunkt noch kein Interesse gehabt haben könne, eine solche Geschichte zu erfinden.

SPD-Obmann Uli Grötsch verwies allerdings darauf, dass die Zeugen zwei zentrale Aussagen Edathys nicht bestätigt hätten: Nämlich, dass Hartmann seine Informationen von BKA-Chef Ziercke erhalten habe und dass Edathy durch Hartmann über den Fortgang der Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten worden sei. Vielmehr hätten die Zeugen den Eindruck gewonnen, dass Hartmanns Anwalt Erkundigungen über den Stand der Ermittlungen einholte. Die Ausschussvorsitzende Eva Högl ergänzte, beide Zeugen hätten bestätigt, dass Edathy zunächst aus der Presse und nicht von Hartmann von den Ermittlungen gegen Kunden der kanadischen Firma erfahren hatte.

Edathys Aussage bei seiner letzten Vernehmung, Hartmann habe ihm von ergebnislosen Erkundigungen bei einem Bekannten im Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz berichtet, führte den Ausschuss zum ersten öffentlich gehörte Zeugen des Tages. Hartmann hatte nämlich in seiner Vernehmung erklärt, sich nur um Edathys gesundheitlichen und seelischen Zustand gesorgt zu haben. Nach Edathys Aussage teilte er aber auf Nachfrage dem Ausschussbüros mit, dass es sich bei seiner Kontaktperson um LKA-Präsident Wolfgang Hertinger handele. Beide hatten einige Jahre gemeinsamer Dienstzeit im Mainzer Innenministerium verbracht. Hertinger bestätigte, Ende Januar 2014 einen Anruf Hartmanns erhalten zu haben. Dieser habe sich nach dem "Verfahren, über das in der Presse berichtet wurde" erkundigt und Interesse am Umgang mit den unterschiedlichen Kategorien kinderpornografischer Darstellungen geäußert. Er sei konsterniert gewesen und habe Hartmann zunächst hingehalten. Nach zwei weiteren Anrufen innerhalb weniger Tage habe er Hartmann schließlich mitgeteilt, dass er ihm keine Auskunft geben werde. Hartmann bringe mit seinen Fragen "sich und mich in Schwierigkeiten". Wenige Tage danach sei dann Edathy zurückgetreten, was ihn zu der Vermutung gebracht habe, dass Hartmanns Anrufe damit zu tun hatten. Auf Nachfrage erklärte Hertinger, er habe das Gefühl gehabt, dass Hartmann wusste, worum es in dem Verfahren ging.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs berichtete als zweiter Zeuge im öffentlichen Sitzungsteil von einem Gespräch über Edathy. Kahrs ist einer der Sprecher des Seeheimer Kreises innerhalb der SPD-Fraktion, dem auch Edathy angehörte, Edathys früherer Büroleiter Dennis Nocht ist seit Oktober 2012 Geschäftsführer der "Seeheimer". Ende November oder Anfang Dezember 2013, erzählte Kahrs, habe er beim Gang von einem Parlamentsgebäude zum anderen mit Nocht über Postenbesetzungen gesprochen, die nach der Regierungsbildung anstanden. Dabei habe Nocht ihm mitgeteilt, dass Edathy keine Führungsposition wolle, weil es "da irgendwelche Probleme" gebe. "Ich glaube, er sprach von rechtlichen Problemen", berichtete Kahrs und ergänzte auf Nachfrage, dass es "etwas mit Internet" gewesen sei. Von Kinderpornografie sei aber nicht die Rede gewesen. Auf zahlreiche Nachfragen der Ausschussmitglieder nach Gesprächen über oder mit Edathy kamen aber von Kahrs kaum präzise Antworten, was dieser mit den vielen Gesprächen in der "bewegten Zeit" der Koalitionsbildung begründete. Er sprach von einer "Gerüchteküche" in der Fraktion wegen Edathys langer Abwesenheit und sagte, "ab Anfang Januar konnte man es ja von allen Seiten hören". Danach gefragt, was mit "es" gemeint war und welche Gerüchte es gab, verweigerte Kahrs unter Berufung auf fehlende Erinnerung eine Antwort.

In der danach wieder nichtöffentlichen Vernehmung stellte sich Teilnehmern zufolge die ehemalige Landtagsabgeordnete Bärbel Tewes-Heiseke als gute Freundin Edathys dar. Edathy habe sie am 15. oder spätestens 16. November 2013 angerufen und ihr von seiner Befürchtung berichtet, ins Visier von Ermittlungen zu geraten. Allerdings habe sie wenig Details berichten können, und ihre Vernehmung war auch schon nach kurzer Zeit beendet.

Umso länger saß dafür Jens Jenssen hinter verschlossenen Türen, am Ende sogar, nach einem Umzug des Untersuchungsausschusses, in einem abhörsicheren Sitzungssaal, weil Fragen nach dem persönlichen Verhältnis zu Edathy als vertraulich eingestuft wurden. Jenssen, ehemaliger studentischer Mitarbeiter Michael Hartmanns, Kommunalpolitiker und Bundestagskandidat auf einem erfolglosen Listenplatz, stand bis vor kurzem in engem persönlichen Kontakt zu Edathy. Jenssen berichtete Ausschussmitgliedern zufolge, dass Hartmann ihn am Abend des 15. November 2013, noch vor dessen Gespräch mit Edathy, am Rande des SPD-Parteitags von den Vorwürfen gegen diesen in Kenntnis gesetzt habe. Dabei habe er ihm auch gesagt, dass die SPD-Spitze bereits informiert sei.

Vertreter aller Fraktionen waren sich einig, dass diese Aussage im Widerspruch zur Aussage Hartmanns vor dem Ausschuss stand. Die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) kam allerdings zu dem Schluss, dass "weder Hartmann noch Edathy hier die Wahrheit gesagt haben". So habe Jenssen gesagt, dass in keinem seiner Gespräche mit Edathy der Name Ziercke gefallen sei, wohingegen Edathy dem Ausschuss gesagt hatte, Hartmann habe ihm mehrfach Ziercke als seinen Informanten genannt. Högls Fraktionskollege Grötsch ergänzte, Jenssen habe "die Geschichte Edathys an mehreren Stellen erschüttert".

Sowohl die Vertreter der Oppositionsfraktionen als auch der CDU/CSU sehen es nun als wichtigste Frage, woher Hartmann seine Kenntnisse gehabt habe. Nach Einschätzung von Unions-Obmann Schuster konnten die Informationen "nur von Ziercke oder Oppermann" kommen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende gerät damit zunehmend ins Visier der anderen Fraktionen. Nach Ansicht von Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) gerät nicht nur Hartmann, sondern "auch die SPD-Spitze in gravierende Erklärungsnot".

Für die nächste Ausschusssitzung am 5. Februar ist Michael Hartmann als Zeuge geladen und wird auf die Widersprüche zwischen seiner letzten Aussage am 15. Januar und den Zeugenaussagen in dieser Sitzung angesprochen werden. Weiterer Zeuge ist Edathys Rechtsanwalt Christian Noll, an den Edathy alle von Hartmann erhaltenen Informationen unverzüglich weitergegeben haben will. Darunter wären auch solche, die von den letzten Zeugen nicht bestätigt wurden.

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2. Linke fordert Wandel in Asylpolitik

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke dringt auf einen "grundlegenden Wandel in der Asylpolitik". In einem Antrag (18/3839) fordert sie die Bundesregierung auf, die notwendigen Schritte für einen solchen "Wandel in der Aufnahmepolitik gegenüber Asylsuchenden einzuleiten und hierzu einen Entwurf für ein neu zu schaffendes Flüchtlingsaufnahmegesetz vorzulegen".

Darin soll nach dem Willen der Fraktion unter anderem geregelt werden, dass der Bund vorrangig die Kosten der Flüchtlingsaufnahme übernimmt, "der Grundsatz einer Integration von Beginn an gelten" muss und eine private, dezentrale Unterbringung Vorrang hat. Auch wollen die Abgeordnete bundesweit verpflichtende Mindeststandards bei der Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden. Ferner fordern sie eine Personalaufstockung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), mit der die Zielvorgabe von maximal dreimonatigen Asylprüfungen erreicht werden kann. Zudem spricht sich die Fraktion dafür aus, das Asylbewerberleistungsgesetz als "diskriminierendes Sondergesetz" ebenso abzuschaffen wie sämtliche Beschränkungen beim Arbeitsmarktzugang, und verlangt eine "konsequente Aufhebung der sogenannten Residenzpflicht", eine verbesserte Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen sowie Zugang zu Integrationskursen für Asylsuchende und Geduldete.

In der Vorlage verweist die Fraktion darauf, "dass kriegerische Auseinandersetzungen, Vertreibungen, politische Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen und existenzbedrohliche Notlagen in vielen Ländern der Welt immer mehr Menschen zur Flucht zwingen". "Auch in Deutschland steigt die Zahl der Asylsuchenden, im Jahr 2014 auf etwa 173.000", heißt es in dem Antrag weiter. Dies sei jedoch nur ein Bruchteil der mehr als 50 Millionen Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befinden. Trotz der zuletzt gestiegenen Zahl von Asylsuchenden habe sich die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge und Asylsuchenden in den vergangenen 15 Jahren mehr als halbiert und betrage etwa 500.000 Menschen.

Zugleich pochen die Abgeordneten auf ein Ende der "bisherigen Politik der Abschreckung gegenüber Flüchtlingen". Als eine der reichsten Industrienationen der Welt müsse Deutschland für Flüchtlinge offen sein und auch die Aufnahme einer größeren Zahl von Asylsuchenden menschenwürdig gestalten.

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3. Verpflichtendes Lobbyistenregister

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung soll nach dem Willen der Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf zur Einführung eines verpflichtenden Lobbyistenregisters vorlegen.

Wie die Fraktion in einem Antrag (18/3842) schreibt, sollen die Lobbyisten danach die sanktionsbewehrte Pflicht haben, sich in das Register einzutragen. Als Lobbyisten sollen laut Vorlage alle natürlichen oder juristischen Personen gelten, die auf die Entscheidungen im Bereich der Bundesregierung und des Bundestages unmittelbar Einfluss ausüben wollen und zu diesem Zweck Kontakte beispielsweise mit Parlaments- oder Regierungsmitgliedern oder ihren Mitarbeitern "vorbereiten, anbahnen, durchführen oder nachbereiten". Um sicherzustellen, dass Betroffene sich weiterhin ohne Verwaltungsaufwand jederzeit politisch zu Wort melden können, sollen Ausnahmen vorgesehen werden können, "soweit die Lobbyarbeit geringe Finanz- oder Zeit-Schwellenwerte nicht überschreitet".

In dem "öffentlich und kostenfrei zugänglichen" Register sollen die Lobbyisten nach den Vorstellungen der Fraktion die Aufwendungen für die jeweilige Lobbyarbeit unter Angabe des Themas und deren Nutznießer offenlegen müssen. Soweit sie nicht im eigenen Interesse handeln, sollen sie dem Antrag zufolge ihre Auftraggeber einschließlich der finanziellen Aufwendungen unter Angabe des jeweiligen Lobby-Themas für die Veröffentlichung anzuzeigen haben. Ferner soll das Lobbyistenregister laut Vorlage die Angabe enthalten, ob und für welche Zeit sowie für welche Personen ein Hausausweis für den Bundestag ausgestellt worden ist.

Ferner fordert die Fraktion, das Register mit den Angaben über die Aufwendungen der Lobbyisten im Internet übersichtlich öffentlich zu machen, damit die Bürger und auch die Entscheidungsträger in der Politik "nachvollziehen können, welche Personen, Verbände, Unternehmen und Interessengruppen auf welche Regelungen, behördlichen Maßnahmen und Informationen auf welchen Wegen

Einfluss nehmen woll(t)en". Zudem soll die Bundesregierung den Abgeordneten zufolge unter anderem ausschließen, "dass Lobbyisten und externe Personen Gesetzentwürfe oder Entwürfe von Rechtsetzungsakten der Bundesregierung (mit-)formulieren oder sonst direkten Einfluss nehmen können".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 053 - 30. Januar 2015 - 10.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2015


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