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BUNDESTAG/5007: Heute im Bundestag Nr. 208 - 22.04.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 208
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 22. April 2015, Redaktionsschluss: 14.50 Uhr

1. Anlegerschutzgesetz mit Änderungen
2. Steuervorteil für die Landwirte abgelehnt
3. Experten: Prävention breiter verankern


1. Anlegerschutzgesetz mit Änderungen

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes (18/3994) in seiner Sitzung am Mittwoch gebilligt. Zuvor hatten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD insgesamt 16 Änderungsanträge beschlossen. Während die Koalition zustimmte, lehnten die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf ab.

Anleger sollen in Zukunft besser informiert werden als bisher, indem Anlageprospekte nicht mehr unbegrenzt gültig sein sollen, sondern aktualisiert werden müssen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird mehr Kompetenzen erhalten und kann sogar Angebote in gewissen Fällen untersagen. Anbieter von Nachrangdarlehen und ähnlichen Produkten sollen ebenfalls verpflichtet werden, einen Prospekt zu erstellen. Da solche Darlehen aber auch beim Crowdinvestment sowie bei sozialen und gemeinnützigen Projekten zur Finanzierung eingesetzt werden, soll es hier Ausnahmen von der Prospektpflicht geben.

Zu den vom Ausschuss vorgenommenen Änderungen gehört, dass Ausnahmen von den Pflichten nach dem Vermögensanlagegesetz nur für Genossenschaftsanteile gelten sollen, für die im Rahmen des Vertriebs keine Provisionen gezahlt werden. Schwarmfinanzierungen (Crowdinvestments) werden erleichtert, indem die Emissionsgrenze für die Befreiungsmöglichkeiten von Vorschriften für Wertpapierhandelsunternehmen von einer Million Euro auf 2,5 Millionen erhöht wird. Befreiungen gibt es auch für soziale und gemeinnützige Projekte, zum Beispiel im Wohnungsbau.

Gegenüber dem Regierungsentwurf verändert wurden die geplanten Einschränkungen für die Werbung für Kapitalanlagen. So war etwa ein Verbot von Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln vorgesehen. Die Werbung bleibt jetzt erlaubt, muss aber in Zukunft folgenden Hinweis enthalten: "Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum Verlust des eingesetzten Vermögens führen." Bei variablen Renditen muss zudem gewarnt werden: "Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen."

Die CDU/CSU-Fraktion lobte das Kleinanlegerschutzgesetz als wichtiges Projekt der Koalition. Bei neuen Finanzierungsformen wie dem Crowdfunding würden die Risiken für die Kunden begrenzt, und dennoch würden diese Finanzierungsformen möglich bleiben. Mit dem Entwurf sei man beim Schutz der Kleinanleger in Deutschland einen guten Schritt weitergekommen. Auch die SPD-Fraktion sprach von einem ganz wichtigen Schritt zur Regulierung des grauen Kapitalmarkts in Deutschland. Gemeinnützige und soziale Projekte sowie Crowdfunding würden möglich bleiben.

Unzufrieden zeigten sich die Oppositionsfraktionen. Die Linksfraktion erkannte zwar an, dass mit dem Entwurf ein Schritt zur Stärkung des Verbraucherschutzes unternommen werde. Die Regulierung des grauen Kapitalmarktes werde aber nur zaghaft angegangen. Die Fraktion bedauerte, dass es keine Registrierungspflicht für Crowdfunding-Plattformen gebe. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte, mit der neuen Möglichkeit für die BaFin, Angebote untersagen zu können, werde eine langjährige Forderung der Grünen erfüllt. Die Anhebung des Schwellenwertes für nichtkommerzielle Projekte auf 2,5 Millionen Euro sei aber nicht ausreichend. Besser wären vier Millionen Euro gewesen. Wie die Linksfraktion sprach sich auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für eine Beaufsichtigung des Crowdfunding aus.

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2. Steuervorteil für die Landwirte abgelehnt

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat am Mittwoch einen Vorstoß der Fraktion die Linke abgelehnt, die sich für einen besseren Schutz landwirtschaftlicher Betriebe durch Vorsorge vor ökonomischen Risiken ausgesprochen hatte. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmten gegen einen Antrag (18/3415) der Linksfraktion, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, im Entwurf für das Jahressteuergesetz 2016 für Agrarbetriebe die Bildung einer steuerfreien betrieblichen Risikoausgleichsrücklage zu ermöglichen. Die Höhe der Rücklage soll sich aus den betrieblichen Umsätzen der vorangegangenen drei Wirtschaftsjahre errechnen und bis zu 20 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen.

In der Sitzung wies die Linksfraktion darauf hin, dass Agrarbetriebe zunehmend Risiken ausgesetzt seien, die sie kaum beeinflussen könnten. Das reiche von den Folgen des Klimawandels über Handelshemmnisse bis hin zu den Auswirkungen von eingeschleppten Seuchen. Mit der Schaffung der steuerfreien betrieblichen Risikoausgleichsrücklage werde etwas zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung getan.

Die CDU/CSU-Fraktion lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine steuerliche Privilegierung sei nicht angebracht. Es gebe keine Notwendigkeit, einen neuen Subventionstatbestand einzuführen. Für die SPD-Fraktion machte die Einführung einer steuerfreien betrieblichen Risikoausgleichsrücklage keinen Sinn, da es in der Landwirtschaft immer schon Ergebnisschwankungen gegeben habe. Bei der Forderung handele es sich um den "Aufguss alter Ideen". Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete die Einführung einer steuerfreien betrieblichen Risikoausgleichsrücklage als ordnungspolitisch falsches Instrument. Die Landwirtschaft könne besser an anderen Stellen gefördert werden.

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3. Experten: Prävention breiter verankern

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/PK) Das von der Bundesregierung vorgelegte Präventionsgesetz (18/4282) wird von Gesundheits- und Sozialexperten im Grundsatz begrüßt, allerdings als nicht weitreichend genug bewertet. Gesundheitsförderung und Vorbeugung müssten als Querschnittsaufgabe verstanden und in allen Gesellschaftsbereichen gezielt verankert werden, gaben Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch im Bundestag sowie in ihren schriftlichen Stellungnahmen zu bedenken. Scharf kritisiert werden auch die aus Expertensicht unzureichende Einbindung der Privaten Krankenversicherung (PKV) in das Gesetzesvorhaben sowie die herausgehobene Rolle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die Reform ist an sogenannten Lebenswelten orientiert, Gesundheitsförderung und Prävention sollen auf jedes Lebensalter und in alle Lebensbereiche ausgedehnt werden. Die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung werden ab 2016 mehr als verdoppelt auf sieben Euro je Versicherten pro Jahr. Zusammen mit dem Beitrag der Pflegekassen stehen künftig rund 511 Millionen Euro im Jahr für präventive und gesundheitsfördernde Leistungen bereit.

Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen weiterentwickelt werden. Zur Beratung gehört die Klärung des Impfstatus. Im Rahmen einer Nationalen Präventionskonferenz sollen sich die Sozialversicherungsträger unter Beteiligung des Bundes, der Länder, Kommunen und Sozialpartner auf ein Vorgehen verständigen. Die Prävention soll dazu beitragen, "Volkskrankheiten" wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Schwächen oder Adipositas einzudämmen und die Menschen zu einem gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung zu bringen.

Nach Ansicht der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG) muss der Leitgedanke der Gesundheitsförderung in alle Politikfelder eingebracht werden. Nur so könne die Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe für das politische Handeln gleichberechtigt neben andere solche Aufgaben treten. Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) argumentierte, weil das Gesetz nicht gesamtgesellschaftlich ausgestaltet sei, werde viel Potenzial verschenkt. Die geplanten 35 Millionen Euro pro Jahr für Beratungs- und Unterstützungsleistungen der BZgA seien überdimensioniert. Problematisch sei zudem, wenn ein Vertragspartner vorgeschrieben werde, bei dem es sich um eine nachgeordnete Behörde des Bundesgesundheitsministeriums handele.

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin wäre es optimal, wenn die Gesundheitsförderung in den Alltag der Kitas und in die Rahmenpläne der Schulen eingebunden würde, darunter auch in Fragen der Ernährung, Bewegung, Unfallprävention sowie Schutz vor Lärm und Schadstoffen. Auf die vielen psychischen Erkrankungen verwies der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp). Kinder verdienten dabei wegen der Langzeitfolgen besondere Aufmerksamkeit. Die Gesundheitsuntersuchungen für Kinder sollten entsprechend ausgeweitet werden.

Die Ärzteverbände verlangten, an der Präventionskonferenz beteiligt zu werden. Die Zahnärzte forderten eine deutlich bessere Kariesvorbeugung im Kleinkindalter. Auf die Notwendigkeit des Zahnarztbesuches werde bei den Vorsorgeuntersuchungen (U) kaum eingegangen. Dies müsse verbindlich geregelt werden, da die Karieswerte bei kleinen Kindern seit Jahren auf hohem Niveau stabil blieben. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) bezweifelt den Sinn von Bonusprogrammen der Krankenkassen für gesundheitsbewusstes Verhalten. Die Erfahrung zeige, dass bildungsferne Familien und solche mit Migrationshintergrund von Bonusangeboten nicht erreicht würden. Die Gelder sollten daher besser direkt in die Prävention fließen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schlug vor, den Bonus nicht in bar, sondern als Sachleistung zu gewähren oder in einem "Gesundheitssparkonto" gutzuschreiben, um eine Zweckbindung zu erreichen. Der DIHK befürchtet im Übrigen mehr Bürokratie und Mehrausgaben, die zu höheren Beitragssätzen führen könnten. Das sieht der AOK-Bundesverband auch so und beklagt, die Lasten würden letztlich allein den gesetzlich Krankenversicherten über den Zusatzbeitrag auferlegt. Die Krankenkassen, die keinerlei Zuständigkeit für die Gestaltung der Lebensverhältnisse hätten, müssten nun mit einem hohen bürokratischen Aufwand eine Präventionsstrategie entwickeln.

Auf die Benachteiligung sozial schwacher Bevölkerungsteile wies die Caritas hin. Gesundheitliche Belastungen, Krankheitsrisiken und Ressourcen seien "höchst ungleich verteilt". Gesundheitsförderung müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, wobei Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträger gemeinsam eine Strategie entwickeln, finanzieren und umsetzen sollten. Zu den Gesundheitszielen sollte die Eindämmung des Alkoholkonsums zählen. Ferner seien "präventive Hausbesuche" sinnvoll, um ältere Menschen vor Depression, Vereinsamung oder Mangelernährung zu bewahren.

Der Sozialverband Deutschland forderte eine stärkere Einbindung der PKV. Problematisch sei ferner, dass die Gesundheitsförderung von den Krankenkassen als Satzungsleistungen angeboten werden solle. Damit werde sie zum Wettbewerbsinstrument. Sinnvoll wäre es, die Prävention in den Regelleistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzunehmen.

Der Arbeitgeberverband BDA sieht in dem Reformprojekt lediglich ein begrenztes Wirkungspotenzial, da jene Menschen nicht erreicht würden, die am meisten von den Angeboten profitieren könnten. Inakzeptabel sei, dass die Krankenkassen mit einer "Zwangsabgabe" Maßnahmen der BZgA finanzieren müssten. Die pauschale Anhebung der Präventionsausgaben sei zudem ein massiver Eingriff in die Entscheidungs- und Finanzautonomie der Kassen.

Auch der GKV-Spitzenverband kritisierte die "unnötige" Einschränkung der Selbstverwaltungskompetenzen der Krankenkassen. Zudem bestehe eine "erhebliche Ungleichbehandlung von GKV und PKV". Der verpflichtende Auftrag an die BZgA werde strikt abgelehnt. Wenn der Bund diese Bundesbehörde stärken wolle, müsse er das selbst finanzieren. Die Betriebskrankenkassen (BKK) lehnen eine "Quersubventionierung" der BZgA mit Beitragsmitteln ebenfalls kategorisch ab.

Der Einzelsachverständige Ulf Fink merkte an, dass nun schon seit vielen Jahren um ein Präventionsgesetz gerungen werde. Vier Versuche seien gescheitert. Die Zeit sei nunmehr "überreif" für ein Gesetz, das einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen bringen müsse. Er nannte in dem Zusammenhang auch die Themen Alkohol und Zigaretten. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf könne nur ein Anfang sein.

Die Opposition hat eigene Anträge eingebracht. Der Antrag der Fraktion Die Linke (18/4322) zielt auf die "Verminderung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit" ab, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag (18/4327) "Gerechtigkeit und Teilhabe durch ein modernes Gesundheitsförderungsgesetz".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 208 - 22. April 2015 - 14.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2015

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