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BUNDESTAG/5901: Heute im Bundestag Nr. 415 - 06.07.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 415
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 06. Juli 2016, Redaktionsschluss: 11.44 Uhr

1. »Nein heißt Nein« im Sexualstrafrecht
2. Ausschuss billigt Transplantationsregister


1. »Nein heißt Nein« im Sexualstrafrecht

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Der Grundsatz "Nein heißt Nein" soll im Sexualstrafrecht verankert werden. Die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz stimmten bei ihrer Sitzung am Mittwochmorgen mit Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD für den Entwurf der Bundesregierung (18/8210, 18/8626) in geänderter Fassung. Auch eine eigene Norm zur sexuellen Belästigung soll eingeführt werden. Zudem sieht der Gesetzentwurf Änderungen im Hinblick auf die Ausweisungsvoraussetzungen im Aufenthaltsgesetz vor, die im Zusammenhang mit den neu gefassten Strafnormen stehen.

Grundsätzlicher Konsens bestand zwischen den Koalitionsfraktionen sowie den Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen über den reformierten Paragraphen 177 Strafgesetzbuch (StGB). Oppositionsvertreter kritisierten hingegen die Änderungen im Aufenthaltsrecht als unverhältnismäßig sowie insbesondere den ebenfalls neu zu schaffenden Tatbestand der "Straftat aus Gruppen" als möglicherweise verfassungswidrig. Grüne und Linke enthielten sich daher bei der Abstimmung zum geänderten Gesetzentwurf. Vertreter der Union verteidigten die Gruppen-Norm hingegen. Diese ziele auf Phänomene, etwa die Vorkommnisse auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht, die bisher nicht ausreichend strafrechtlich erfasst seien. Gesetzentwürfe der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5384) und Die Linke (18/7719) scheiterten an der Koalitionsmehrheit im Ausschuss.

Die geänderte Fassung weicht erheblich vom ursprünglichen Regierungsentwurf ab. Der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, vermutete Schutzlücken etwa in Hinblick auf Überraschungstaten im bestehenden Paragraphen 179 StGB zu regeln. Die geänderte Fassung des Gesetzentwurfes sieht hingegen nun vor, den Paragraphen 177 neu zu fassen ("Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung") und dort auch die Missbrauchstatbestände des 179 StGB aufgehen zu lassen. Die wesentliche Änderung dabei ist, dass alle sexuelle Handlungen gegen den "erkennbaren Willen" einer anderen Person unter Strafe fallen sollen ("Nein heißt Nein"). Für diese Taten sieht der Entwurf im Absatz 1 eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vor. Der "erkennbare Wille" muss dabei laut Begründung entweder ausdrücklich verbal oder konkludent, beispielsweise durch Weinen oder Abwehrhandlungen, ausgedrückt werden. Das gleiche Strafmaß ist im Absatz 2 für Taten vorgesehen, bei denen ein Täter etwa ausnutzt, dass das Opfer nicht in der Lage dazu ist, einen solchen Willen zu bilden oder zu äußern. Ebenfalls umfasst davon sind Taten, bei denen ein Überraschungsmoment ausgenutzt wird. Zudem sollen Fälle, in denen das Opfer ein "empfindliches Übel" im Sinne des Paragraph 240 StGB droht beziehungsweise wenn es durch Drohung damit genötigt wird, künftig so bestraft werden. Bei Taten nach Absatz 1 und 2 soll auch der Versuch strafbar sein.

Mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr sollen nach Absatz 3 Fälle bestraft werden, in denen die Unfähigkeit zur Bildung oder Äußerung eines Willens auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht. Die Nötigungstatbestände - Anwendung von oder Drohung mit Gewalt sowie das Ausnutzen einer schutzlosen Lage - bleiben als Absatz 4 erhalten. Der besonders schwere Fall (Vergewaltigung), bei dem der Täter den Beischlaf vollzieht oder beispielsweise das Opfer anderweitig penetriert und der eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren vorsieht, soll sich laut dem Entwurf nicht nur auf die sexuelle Nötigung beziehen, sondern auf alle sexuellen Übergriffe der neu gefassten Strafvorschriften.

Als neuer Straftatbestand soll im 184i StGB die sexuelle Belästigung normiert werden. Damit sollen Taten erfasst werden, die nicht die Erheblichkeitsschwelle für "sexuelle Handlungen" des 184h StGB überschreiten. Laut Begründung handelt demnach strafbar, "wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt", etwa durch Begrapschen des Gesäßes. Vorgesehen ist eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. In schweren Fällen, insbesondere wenn die Tat gemeinschaftlich begangen wird, ist ein Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen. Grundsätzlich soll es sich um ein Antragsdelikt handeln.

Mit dem neu zu schaffenden 184j StGB will die Koalition zudem ermöglichen, Menschen zu bestrafen, die sich an einer Gruppe beteiligen, um andere Personen zu bedrängen und Straftaten, etwa Raub oder Diebstahl, zu begehen, und aus der heraus es zu Übergriffen im Sinne des 177 beziehungsweise 184j StGB-E kommt. Gedacht ist hier etwa an das Phänomen der "Antänzerei". Vorgesehen ist eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Die Strafbarkeit richtet sich laut Begründung hierbei danach, ob es zu Übergriffen kommt, und nicht danach, ob diese vom Vorsatz des einzelnen Gruppenbeteiligten umfasst waren.

Der neu gefasste Paragraph 177 StGB soll auch Folgen für Ausweisungsbestimmungen im Aufenthaltsgesetz haben. Demnach soll eine Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe nach dem neu gefassten 177 StGB, je nach Höhe der Strafe, dazu führen, dass das Ausweisungsinteresse gemäß Paragraph 54 AufenthG "besonders schwer" beziehungsweise "schwer" wiegt. Zudem kann laut Entwurf von dem generellen Abschiebeverbot nach Paragraph 60 AufenthG abgewichen werden, wenn ein Ausländer nach Paragraph 177 StGB zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Dies war bislang in all diesen Fällen nur dann möglich, wenn die Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung "mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List" begangen wurde.

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2. Ausschuss billigt Transplantationsregister

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Der Gesundheitsausschuss hat das von der Bundesregierung geplante zentrale Transplantationsregister gebilligt. Für den in den Beratungen noch leicht veränderten Gesetzentwurf (18/8209) votierten am Mittwoch im Bundestag die Fraktionen von Union und SPD. Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme. Die Opposition begrüßt im Grundsatz die Errichtung des Zentralregisters, kritisiert aber einige Detailregelungen.

Mit der Errichtung des bundesweiten Transplantationsregisters soll die Organspendenpraxis transparenter werden und nach Skandalen mit manipulierten Wartelisten neues Vertrauen geschaffen werden.

Derzeit werden die Daten zur Transplantationsmedizin dezentral gespeichert. Während des Verfahrens werden nach unterschiedlichen Vorgaben Daten zum Organspender, zum Spenderorgan, zum Organempfänger, zum Vermittlungsverfahren sowie zur Transplantation, Behandlung und Nachsorge des Empfängers und des lebenden Spenders gespeichert. Mit dem neuen Gesetz sollen diese Daten nun an einer Stelle zusammengeführt und überprüft werden.

Im Gesetz ist vorgesehen, dass die Daten der Organempfänger und der lebenden Organspender nur dann an das zentrale Register übermittelt und dort dauerhaft gespeichert werden dürfen, wenn Spender und Empfänger vorher eingewilligt haben. Bei dieser umstrittenen Einwilligungslösung soll es auch bleiben, obgleich Experten in einer Anhörung darauf gedrungen hatten, von dieser Regelung abzusehen, weil befürchtet wird, dass die ohnehin kleinen Datensätze zu große Lücken aufweisen könnten und damit für die Weiterentwicklung der Organspendenpraxis nutzlos wären.

Hingegen soll, anders als ursprünglich geplant, auch auf bereits bestehende Datensätze, sogenannte Altdaten, zurückgegriffen werden, um möglichst rasch verwertbare Aussagen zu bekommen und nicht erst in vielen Jahren. So sollen transplantationsmedizinische Daten, die seit dem 1. Januar 2006 erhoben worden sind, nun auch an das Register übermittelt werden.

Sprecher aller Fraktionen machten im Ausschuss deutlich, dass die Datensicherheit und Datenqualität für das Register eine herausgehobene Bedeutung haben würden und die jetzt getroffenen Regelungen in ihren Auswirkungen genau beobachtet werden müssten.

Über den Gesetzentwurf soll am kommenden Donnerstag im Bundestag abschließend beraten werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 415 - 6. Juli 2016 - 11.44 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2016

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