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BUNDESTAG/5983: Heute im Bundestag Nr. 497 - 06.09.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 497
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 06. September 2016, Redaktionsschluss: 10.01 Uhr

1. Debatte um EU-Standards bei Ceta
2. Neue Cybersicherheitsstrategie 2016
3. Auslandseinsätze von Polizei und Zoll
4. Situation minderjähriger Flüchtlinge
5. 3,3 Milliarden Euro für Vereinte Nationen
6. Akademische Gesundheitsausbildung
7. Bericht über IPU-Versammlung in Sambia


1. Debatte um EU-Standards bei Ceta

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/fla) Eingehende Abgeordneten-Nachfragen rund um die Wahrung von Standards und zu den geplanten Investitionsschiedsgerichten haben im Ausschuss für Wirtschaft und Energie die Expertenanhörung zu Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) geprägt. Zur Bundestagsbeteiligung bei der Ratifizierung des zwischen Europa und Kanada geplanten Freihandelsabkommens vertraten Juristen bei der von Peter Ramsauer (CSU) geleiteten Sitzung unterschiedliche Ansichten.

Sabine Weyand von der Europäischen Kommission strich heraus, dass Ceta "sehr ausführlich das Recht auf Regulierungen" stütze. Das gelte für Umweltstandards bis hin zu Arbeitnehmerrechten. Dabei gehe es nicht um Sondervorgaben, sondern um jeweils gleiche Regelungen wie für Inländer. Sie zollte dem Abkommen ein dickes Lob: "Das Gesamtpaket stellt ein ausgezeichnetes Ergebnis von erheblichem wirtschaftlichem Wert für europäische Unternehmen, Verbraucher und Haushalte dar."

Markus Kerber (Bundesverband der Deutschen Industrie - BDI) unterstrich die Bedeutung des Abkommens. Schätzungen gingen davon aus, dass der Warenaustausch um bis zu 25 Prozent steigen werde. Das mache ein Volumen von bis zu 17 Milliarden Euro aus. Wobei man pro Milliarde mit zusätzlichen 14.000 bis 15.000 Jobs in Europa rechnen können. Indes: "Im Bereich der regulatorischen Zusammenarbeit muss das Abkommen erst noch mit Leben erfüllt werden."

Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag meinte, Ceta könne "ein Wegbereiter für moderne Freihandelsabkommen" sein. Wobei auch für den DIHK feststehe, "dass europäische Schutzniveaus erhalten bleiben müssen". Wie der Investitionsschutz geregelt werden solle, könne "Vorbildcharakter auch für andere Abkommen"haben. Gerade Mittelständler könnten private Schiedsgerichte, wie sie in Freihandelsabkommen bisher meist vorgesehen seien, kaum anrufen - wegen des Risikos, bei einer Niederlage "exorbitante Anwaltskosten übernehmen zu müssen".

Stefan Körzell (Deutscher Gewerkschaftsbund) rief die "ablehnende Position" des DGB von Ende 2014 in Erinnerung. Zwar habe es in der Zwischen Zeit Verbesserungen gegeben. Doch insgesamt entspreche der Text "noch nicht den gewerkschaftliche Anforderungen an ein zustimmungsfähiges Abkommen". So sei "noch nicht konkret genug" formuliert, dass Tarifbindung oder Mindestlohn nicht als Wettbewerbshindernisse gewertet werden dürften. Die DGB-Demonstrationen am 17. September gegen Ceta und das TTIP-Abkommen mit den USA verteidigte er. Es gehe um "gerechten Welthandel". Solange ein Vertrag nicht endgültig ratifiziert sei, könne man "für das eigene Anliegen werben".

Prof. Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) kritisierte, dass das europäische Vorsorgeprinzip nicht den gebotenen Stellenwert bekommen solle. Stattdessen setze sich der "nordamerikanische Ansatz" durch, die Zulassung etwa von Gentechnik ausschließlich "wissenschaftsbasiert" zu betrachten. Sein Fazit: "Kein Fortschritt, sondern massiver Rückschritt."

Jürgen Maier, Forum Umwelt & Entwicklung, meinte, Ceta werde allein schon "durch Veränderung der Marktlage Auswirkungen auf Umweltschutzstandards und Verbraucherschutzstandards" haben. Er verwies auf die Landwirtschaft: "Es wird 14-fache Quoten für Fleischimporte aus Kanada geben" - produziert "ohne nennenswerte Naturschutz- und Tierschutzauflagen". Für ihn steht fest: "Erklärte Absicht des Abkommens ist damit die Senkung der Erzeugerpreise in Europa. Dies ist das Letzte, was die Landwirtschaft gebrauchen kann."

Prof. Peter-Tobias Stoll, Institut für Völkerrecht und Europarecht, Georg-August-Universität Göttingen, kritisierte, mit dem vorgesehenen Investitionsschutz würden "ohne Not" wesentliche Grundsätze der europäischen und deutschen Rechts- und Wettbewerbsordnung in Frage gestellt. Als richtig stufte die Haltung der Bundesregierung ein, weg von den privaten Schiedsgerichten zu kommen.

Detlef Raphael vom Deutschen Städtetag sah Unsicherheiten bei der Absicherung nicht zuletzt der deutschen Vorgaben für öffentliche Dienstleistungen. Er bedauerte, dass es nicht zu einer Positivliste von solchen Dienstleistungen gekommen sei, die vom Wettbewerb ausgeschlossen werden können. Geprüft werden müsse, ob das stattdessen gewählte Negativlistenprinzip nicht Lücken enthalte, die womöglich zu einer zwingenden Privatisierung führen würden.

Bei der Behandlung verfassungs- und europarechtlicher Fragen gingen die Expertenmeinungen auseinander: nur die EU als Kanadas Vertragspartner oder teilweise auch die Mitgliedsstaaten? Ein "gemischtes Abkommen" schwebe der EU vor. Dann müssten die einzelnen Staaten zumindest ihren Part ratifizieren, hieß es. Sollte sich der EU-Rat für eine vorläufige Ceta-Anwendung entscheiden, werde er sich wohl auf den Teil beschränken, für den er eindeutig zuständig ist - ohnehin der weitaus größere Bereich, wie betont wurde.

Die Anhörung fußte auf den EU-Ratsdokumenten 10970/16, 10968/16 und 10696/16. Zudem ging es um Anträge aus dem Bundestag: Die Linke fordert, die vorläufige Anwendung des Ceta-Abkommens zu verweigern (18/8391) und Bundestag und Bundesrat an der Abstimmung über Ceta zu beteiligen (18/9030). Bündnis 90/Die Grünen wollen, dass dem Ceta-Abkommen so nicht zugestimmt (18/6201) und der Bundestag im Vorfeld der Genehmigung der vorläufigen Ceta-Anwendung beteiligt wird (18/9038).

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2. Neue Cybersicherheitsstrategie 2016

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Um eine neue Cyber-Sicherheitsstrategie geht es in der Antwort der Bundesregierung (18/9445) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/9334). Wie die Regierung darin ausführt, soll die neue Cyber-Sicherheitsstrategie 2016 nach derzeitigem Planungsstand im Herbst dieses Jahres durch das Bundeskabinett beschlossen werden. Eine parlamentarische Beratung der Cyber-Sicherheitsstrategie 2016 als Strategiepapier der Bundesregierung sei nicht vorgesehen.

In der Vorlage verweist die Regierung ferner darauf, dass mit der derzeit gültigen "Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland" bereits im Jahr 2011 wesentliche Festlegungen mit dem Ziel einer Erhöhung der Cyber-Sicherheit in Deutschland getroffen worden seien. Auch das im vergangenen Jahr in Kraft getretene IT-Sicherheitsgesetz habe seine Grundlage in der Cyber-Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2011. Im Wesentlichen hätten die strategischen Ansätze und Ziele der Cyber-Sicherheitsstrategie 2011 auch heute noch Bestand.

Die sich stetig ändernden Rahmenbedingungen machten es aber erforderlich, sie zu ergänzen und in einer neuen Strategie zu bündeln, schreibt die Bundesregierung weiter. Sie plane daher, die Cyber-Sicherheitsstrategie weiter zu entwickeln und fortzuschreiben. Derzeit liefen hierzu die regierungsinternen Abstimmungen.

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3. Auslandseinsätze von Polizei und Zoll

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Insgesamt 114 Beamte von Bundespolizei und Bundeskriminalamt sowie Zoll und Länderpolizeien sind mit Stand vom 31. Juli dieses Jahres an insgesamt 16 Auslandsmissionen beteiligt gewesen. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/9450) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/9343) mit dem Titel "Polizei- und Zolleinsätze im Ausland" hervor.

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4. Situation minderjähriger Flüchtlinge

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will von der Bundesregierung wissen, wie viele minderjährige und heranwachsende Flüchtlinge sich Mitte dieses Jahres mit welchem Aufenthaltstitel in Deutschland aufgehalten haben. Ferner erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (18/9483) danach, welche Kenntnisse die Bundesregierung darüber hat, wie viele begleitete Kinder, Jugendliche und junge Volljährige in Notunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen leben. Zudem fragt sie unter anderem danach, wie lange diese bereits dort leben.

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5. 3,3 Milliarden Euro für Vereinte Nationen

Auswärtiges/Unterrichtung

Berlin: (hib/AHE) Deutschland hat in den Jahren 2014 und 2015 mit rund 3,3 Milliarden Euro aus Pflichtbeiträgen und freiwilligen Leistungen das System der Vereinten Nationen (VN) mitfinanziert. Das geht aus dem als Unterrichtung (18/9482) vorliegendem "Bericht der Bundesregierung zu Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems" hervor. Bezogen auf die Pflichtbeiträge sei Deutschland nach derzeitiger Beitragsskala mit 7,1 Prozent drittgrößter Beitragszahler nach den USA (22 Prozent) und Japan (10,8 Prozent) - und noch vor den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern Frankreich (5,6 Prozent), Großbritannien (5,2 Prozent), China (5,2 Prozent) und Russland (2,4 Prozent).

Als größte Herausforderungen für das VN-System wertet die Bundesregierung im Berichtszeitraum den Bürgerkrieg in Syrien, die dadurch bewirkten Fluchtbewegungen, die russische Annexion der Krim "und die von Russland ausgelöste Krise in der Ukraine", erstarkende terroristische Bewegungen im Irak, in Syrien und Nigeria sowie die Ebola-Epidemie in Westafrika. Als wichtige und wegweisende Meilensteine bezeichnet die Bundesregierung andererseits eine Reihe wichtiger Großkonferenzen und VN-Beschlüsse, allen voran die im September 2015 in New York beschlossene "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" und die vorangegangene Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba sowie das Klima-Abkommen von Paris im Dezember 2015.

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6. Akademische Gesundheitsausbildung

Gesundheit/Unterrichtung

Berlin: (hib/PK) Wissenschaftler plädieren für eine systematische Aufwertung bestimmter Gesundheitsberufe durch eine universitäre Ausbildung. So sei es "wünschenswert und machbar", für die Berufsausbildung der Ergotherapeuten, Hebammen, Logopäden und Physiotherapeuten jeweils Studiengänge einzurichten, heißt es in einem Bericht über die Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der vier Gesundheitsfachrichtungen, wie aus einer Unterrichtung (18/9400) der Bundesregierung hervorgeht.

In Evaluierungen sprächen sich die beteiligten Hochschulen überwiegend für eine Teilakademisierung aus, bei Erhaltung der fachschulischen Ausbildung. Eine Minderheit befürworte die vollständige Verlagerung der vier Ausbildungen an die Hochschulen.

Eine akademische Erstausbildung in den vier Berufszweigen werde von allen teilnehmenden Hochschulen als großer Vorteil für das Gesundheitswesen angesehen, wobei es auch darum gehe, international nicht den Anschluss zu verlieren. Eine Hochschulausbildung befähige dazu, wissenschaftliches und fachliches Wissen besser anzuwenden sowie selbstständiger und reflektierter an die Aufgaben heranzugehen. Die Erprobung akademischer Erstausbildungen in den vier Bereichen werde als "essentiell notwendiger und zukunftsweisender Schritt" angesehen.

Allerdings würde bei einer Vollakademisierung den Schülern mit einem mittleren Schulabschluss der Zugang verwehrt. Ferner seien keine Daten über die finanziellen Auswirkungen einer vollständigen Verlagerung der Ausbildung auf die Hochschulen erhoben worden. Zudem seien Fragen zu den langfristigen Auswirkungen der Akademisierung in diesen Berufszweigen noch unbeantwortet.

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7. Bericht über IPU-Versammlung in Sambia

Europa/Unterrichtung

Berlin: (hib/JOH) Die Frage, wie junge Menschen stärker an politischen Entscheidungen beteiligt werden können, stand im Mittelpunkt der 134. Versammlung der Interparlamentarischen Union (IPU) vom 19. bis 23. März 2016 in Lusaka (Sambia). In der Generaldebatte sei festgestellt worden, dass zwar mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung jünger als 30 Jahre alt sei, dies allerdings weltweit nur auf 1,9 Prozent aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier zuträfe, heißt es in einer Unterrichtung (18/9498) durch die deutsche Delegation in der IPU.

Die siebenköpfige Delegation des Bundestages wurde von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) geleitet. Eine Mehrheit der Abgeordneten habe für den von Frankreich und Uruguay eingebrachten Vorschlag "Den 230 Millionen nicht standesamtlich registrierten Kindern eine Identität geben: Eine der größten Herausforderungen der humanitären Krise im 21. Jahrhundert" gestimmt, heißt es in ihrer Unterrichtung. Die geopolitische Gruppe der Zwölf Plus, der auch die deutsche Delegation angehört, habe zudem, wie bereits auf der 132. Versammlung der IPU in Hanoi, eine gleichlautende Deklaration zur Situation in der Ukraine verabschiedet. Darin fordern die Parlamentarier alle beteiligten Parteien auf, eine friedliche Lösung der Lage in der Ukraine durch internationale Vermittlungsbemühungen anzustreben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 497 - 6. September 2016 - 10.01 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2016

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