Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/6143: Heute im Bundestag Nr. 657 - 09.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 657
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 09. November 2016, Redaktionsschluss: 12.59 Uhr

1. DGB für Kurswechsel in Europapolitik
2. Lkw-Maut auf allen Bundestraßen
3. Die Zusagen von London werden erfüllt


1. DGB für Kurswechsel in Europapolitik

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/fla) Einen "Kurswechsel in der Europapolitik" hat der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, gefordert - hin zu mehr Wachstums, zu einem stabilen Arbeitsmarkt und zur "Schließung der Schere bei der Verteilung des Reichtums". Damit hob er ausdrücklich auch auf den Wahlausgang in den USA ab - mit offenbar vielen Trump-Stimmen von weißen Männern in prekären Situationen. Das Ergebnis mache "extrem nachdenklich" und lasse "die Gewerkschaften nicht kalt", sagte er in einem Gespräch mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie unter der Leitung von Peter Ramsauer (CSU).

Hoffmann stellte zudem den Zusammenhang mit dem Brexit und dem Erstarken der AfD in Deutschland her und warf einen besorgten Blick auf die bevorstehenden Wahlen in Frankreich und die Präsidentenwahl in Österreich. Es müsse die Aufgabe angegangen werden, die "riesigen Investitionslücken" in Europa zu schließen. Mit einer Austeritätspolitik werde dies nicht gelingen. Die die Krise des EU-Finanzmarkts sei eben "nicht überwunden". Er verwies zudem auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa mit bis zu 50 Prozent.

Zwar sei Deutschland eine "Insel mit einer stabilen Wirtschaft und einem robusten Arbeitsmarkt". Doch wenn es vielen Arbeitnehmern in Europa schlecht gehe, "geht es uns auf Dauer nicht gut", meinte der DGB-Chef. Er lobte, dass EU-Kommissionspräsident Juncker nun eine Wirtschaftspolitik betreibe, die auf Wachstum setzt. Allerdings sei die deutsche Regierung dabei als Bremser aufgetreten.

In der Energiepolitik bekannte sich Hoffmann zwar zum nationalen Klimaplan. Doch wenn die Umsetzung zugleich eine "Gefahr für die Industrie" darstelle, "läuft etwas falsch". Die Energiepolitik dürfe nicht darauf hinauslaufen, die Wirtschaft zu schwächen. Deutschland dürfe sich nicht beteiligen an einem internationalen "Wettbewerb, wer am schnellsten aus der Braunkohle aussteigt". "Natürlich" brauche es "gesetzliche Rahmenbedingungen, die Industrie zu Innovationen im Energiebereich zu treiben". Doch mit einem sozialverträglichen Kohleausstieg könne es durchaus 2050 werden. Es dürfe "nicht zu sozialen Verwerfungen kommen".

Mit der Betrachtung des deutschen Arbeitsmarkts verknüpfte er den Hinweis auf den enorm großen Niedriglohnsektor: "Der Mindestlohn ist ein wichtiger politischer Erfolg, reicht aber nicht." So lehnten die Gewerkschaften Leiharbeit und Werkverträge zwar nicht ab. Allerdings hätten sie etwa in der Fleischindustrie bisweilen einen "Charakter nahe an Ausbeutung", sagte der DGB-Vorsitzende. Er kritisierte gesetzliche "Scheinlösungen" bei der Leiharbeit. So beziehe sich das 18-Monate-Limit auf den Arbeitnehmer, aber nicht auf den Arbeitsplatz. Dann werde eine neue Kraft eingestellt und somit eine "Drehtür geöffnet".

Hoffmann befürchtet, dass der Wahlerfolg Trumps zu einer "Kleinstaaterei" führen werde, die einen funktionierenden Welthandel untergraben könnte. Die Handelspolitik müsse in Richtung größere Fairness gehen. Die Gewerkschaften seien keineswegs gegen internationale Handelsabkommen, nicht gegen TTIP (mit den USA) und Ceta (mit Kanada). Doch müssten die Rahmenbedingungen stimmen. Bei Ceta sei es immerhin gelungen, von den umstrittenen Schiedsgerichten abzugehen.

In der Rentenpolitik lehnte er jegliche Debatten über eine Erhöhung des Eintrittsalters strikt ab. Schon jetzt seien 40 Prozent der über 60-jährigen Rentner. Steigende Beiträge und sinkendes Niveau würden eine "Gefahr für die Legitimierung der sozialen Sicherheitssysteme" bedeuten. Er nannte es einen Fehler, dass mit der Reform 2001 die Arbeitsgeber "aus der Parität verabschiedet" worden seien. Zwar zahlten sie und die Arbeitnehmer je die Hälfte des Beitragssatzes von 18,7 Prozent. Doch "Riesterer" kämen auf 13.35 Prozent. Das Beitragsaufkommen könne erhöht werden, wenn die immer mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht im Schnitt 22 Prozent weniger als die Männer verdienten und sie nicht so zahlreich in Teilzeit beschäftigt wären, befand der DGB-Chef.

*

2. Lkw-Maut auf allen Bundestraßen

Verkehr und digitale Infrastruktur/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Die Lkw-Maut wird auf alle Bundesstraßen ausgeweitet. Einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (18/9440) stimmte der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur am Mittwochvormittag in geänderter Fassung zu. Bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen votierten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD dafür.

Bisher erhebt der Bund danach die Lkw-Maut auf rund 12.800 Kilometer Bundesautobahnen sowie auf rund 2.300 Kilometer autobahnähnlichen Bundesstraßen. Der Großteil der rund 40.000 Kilometer Bundesstraßen ist jedoch nicht mautpflichtig. Um die Finanzierung der Bundesfernstraßen zu verbessern und damit eine moderne, sichere und leistungsstarke Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu gewährleisten, will die Regierung die Nutzerfinanzierung konsequent vorantreiben. Daher soll die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden. Die Bundesregierung will zudem spätestens bis Ende 2017 eine Ausweitung der Maut auf kleinere Lkw (3,5 bis 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht) und auf Fernbusse prüfen.

Auf Änderungsantrag der Koalition beschloss der Ausschuss, dass landschaftliche Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern von der Maut ausgeschlossen werden sollen. Daneben forderte der Ausschuss die Regierung auf, auf unterschiedliche Mautsätze zwischen Autobahn und Landstraßen zu verzichten. Zwei Änderungsanträge der Linksfraktion blieben erfolglos. Darin forderten die Abgeordneten unter anderem, die Maut auch auf Omnibusse auszuweiten.

*

3. Die Zusagen von London werden erfüllt

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) "Die Umsetzung der Beschlüsse der Syrien-Konferenz in London ist sehr gut vorangekommen." Das betonte der Beauftragte der Bundesregierung für die Stabilitätspartnerschaft Mittler Osten, Joachim Rücker, am Mittwochmorgen im Entwicklungsausschuss.

Auf der Konferenz hatte die Staatengemeinschaft im Februar 2016 12 Milliarden US-Dollar versprochen, um syrischen Flüchtlingen in Syrien und den Nachbarländern zu helfen. Davon sollte 2016 und 2017 jeweils die Hälfte in die betroffenen Regionen fließen.

Die Staaten hätten in diesem Jahr zwischen 5,4 und 6,3 Milliarden bereitgestellt, erklärte Rücker. Und auch die Bundesregierung habe 2016 insgesamt 1,3 Milliarden Euro gezahlt und ihre Zusagen damit vollständig erfüllt.

Dank der Hilfen könnten allein in Jordanien 80 Prozent aller Flüchtlingskinder im Schuljahr 2016/17 die Schule besuchen. Rund 200.000 Flüchtlinge sollen im Land die Möglichkeit bekommen, arbeiten zu gehen. Im Libanon könnten 50 bis 70 Prozent der Kinder beschult werden, in der Türkei rund 50 Prozent.

Mit dem Geld sowie weiteren Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sei in diesem Jahr einer Million Kindern in der Region der Schulbesuch ermöglicht worden, fügte die Beauftragte für Flüchtlingspolitik im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Elke Löbel, hinzu. Für 6,5 Millionen Menschen habe sich die Trinkwasser- und Sanitärversorgung verbessert. Außerdem verwies sie auf das "Cash for work"-Programm des BMZ, dessen Ziel es ist, bis Ende des Jahres 50.000 befristete Jobs für Flüchtlinge im Libanon, der Türkei und Jordanien zu schaffen.

Eine Vertreterin der Unionsfraktion betonte mit Verweis auf Berichte über Kinderarbeit, etwa in Textilfabriken in der Türkei, es müsse sichergestellt werden, dass die Flüchtlingskinder tatsächlich auch zur Schule gingen. Außerdem sei es wichtig, die strukturellen Fluchtursachen anzugehen.

Aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde der Vorwurf laut, die Bundesregierung betreibe mit ihren an sich guten Maßnahmen keine Fluchtursachenbekämpfung, sondern lediglich Fluchtbewältigung. Hier müsse aber genau unterschieden werden. Die Linksfraktion fügte hinzu, Fluchtursachen könnten mit Entwicklungszusammenarbeit allein nicht bekämpft werden. Hierfür brauche es mehr Kohärenz etwa in der Handelspolitik.

Eine Vertreterin der SPD-Fraktion lobte das "Cash for work"-Programm als guten Ansatz, fragte aber, wie es damit weitergehen solle angesichts der Tatsache, dass die Jobs nur befristet seien.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 657 - 9. November 2016 - 12.59 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang