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BUNDESTAG/6416: Heute im Bundestag Nr. 168 - 20.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 168
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 20. März 2017, Redaktionsschluss: 13.28 Uhr

1. Debatte um neues Verpackungsgesetz
2. Experten zweifeln an Maut-Prognose


1. Debatte um neues Verpackungsgesetz

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/SUK) Wirtschaft und Kommunen sind unterschiedlicher Auffassung bei der Bewertung des Gesetzentwurfes der Regierung zu einem neuen Verpackungsgesetz (18/11274). Während sich die Vertreter der Industrie in der Anhörung zu dem Entwurf am Montag, 20. März 2017, zufrieden zeigten, forderten die Sachverständigen der Städte, Kommunen und Landkreise deutliche Nachbesserungen.

Ziel des ist es unter anderem, Anreize zum einen für "Investitionen in technische Innovationen und neue Anlagen zu fördern". Dazu ist geplant, die "bestehenden Verwertungsanforderungen für Verpackungsabfälle spürbar" anzuheben. Die bisherigen Vorgaben zur Recyclingquote würden "in aller Regel deutlich übererfüllt", schreibt die Bundesregierung zur Begründung.

Zum anderen will die Regierung auch Anreize in der Verpackungsproduktion setzen. Künftig sollen sich die Beteiligungsentgelte an den jeweiligen Systemen nicht mehr überwiegend an der Masse orientieren, sondern an der späteren Verwertbarkeit. Festgehalten wird weiterhin an der grundsätzlich getrennten Erfassung von Verpackungsabfällen durch die jeweiligen Systeme und stoffgleichen Nichtverpackungen, die in kommunaler Verantwortung liegen. Nach Darstellung der Regierung ist es nicht gelungen, diese Erfassung durch ein Wertstoffgesetz zusammenzuführen.

So sagte Detlef Raphael vom Deutschen Städtetag, man habe lange nach einem Weg gesucht, wie die Kommunen die volle Sammlungsverantwortung innehaben könnten. Da sich in Gesprächen mit der Wirtschaft abgezeichnet habe, dass es dafür keine Zustimmung geben würde, sei es tatsächlich nötig, das Verpackungsrecht anzupacken. Allerdings seien in dem Entwurf die Vorschläge aus dem Verbändepapier nicht enthalten - er sei daher "so nicht zustimmungsfähig". Bisher sei etwa nicht hinreichend verankert, dass die kommunale Seite über den Abholrhythmus bestimmen könne. Gleichzeitig könnten die bisherigen Festlegungen zu den Informationspflichten dazu führen, dass es "doppelte Informationsrechte und -pflichten" geben könnte.

Für den Handelsverband Deutschland (HDE) sagte Kai Falk, man unterstütze den Entwurf und befinde sich dabei "im Boot" mit den anderen Inverkehrbringern. Der Entwurf schaffe die Voraussetzungen dafür, dass Deutschland seine "internationale Vorreiterrolle" halten und ausbauen könne. So werde das duale Wertstoffsystem zukunftsfähig gemacht. Die geplante Schaffung einer "Zentralen Stelle" für die Marktüberwachung und den Vollzug sei der richtige Schritt. Dass die Mehrwegquote nicht angehoben werden soll, sei angesichts des vorgesehenen dauerhaften Pflichtpfands folgerichtig.

Auch Peter Kurth vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft lobte den Entwurf. Sowohl die Erhöhung der Recyclingquote als auch die Einführung der "Zentralen Stelle" seien Schritte nach vorn. Er würde es begrüßen, wenn der Entwurf in seiner jetzigen Form verabschiedet würde. Die Vorschläge des Bundesrates etwa zu den Regelungen beim Altglas umzusetzen, wäre dagegen "ein schwerer Fehler". Hier gebe es bereits eine "etablierte und gute Sammelstruktur".

Der Kritik des Städtetags schloss sich dagegen Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag an. Er hätte "lieber ein Wertstoffgesetz" diskutiert, sagte der Experte und bedauerte, dass dies nicht zustande gekommen sei. Er erwarte, dass die Kritik des Bundesrats aufgegriffen werde. Bisher sorge die Frage der Abstimmung zwischen dem dualen System und den Kommunen in der Praxis immer wieder für Streit.

Für die Remondis Assets & Services GmbH sagte Herwart Wilms, auch er habe eigentlich für ein Wertstoffgesetz gekämpft, sei nun aber "dankbar" für die höhere Quote, die das Verpackungsgesetz vorsehe. Bisher habe ihm noch niemand erklären können, warum es von der Flüssigkeit in einer Flasche abhängig sei, ob darauf Pfand erhoben werde oder nicht. Grundsätzlich seien die Einwände des Bunderates "nicht geeignet", das Gesetz aufzuhalten.

Für eine grundsätzlich andere Diskussion plädierte Tanja Wielgoß von der Berliner Stadtreinigung. Zahlen zeigten, dass inzwischen 25 Prozent der Deutschen nicht mehr an die Abfalltrennung glaubten - und das "aus gutem Grund". Die bisherigen Probleme seien im System "nicht kurierbar".

Für die Deutsche Umwelthilfe sagte Jürgen Resch, der Entwurf für ein Verpackungsgesetz müsse in wesentlichen Punkten nachgebessert werden. So solle etwa die Pfandpflicht auf Säfte und Nektare ausgeweitet werden, außerdem müsse es eine Kennzeichnung auf den Produkten geben.

Aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion hieß es, man wolle ambitionierte und gleichzeitig machbare Recyclingquoten und freue sich über die grundsätzliche Zustimmung der Experten - auch wenn man wie viele von ihnen eigentlich ein Wertstoffgesetz begrüßt hätte. Dass es dies nicht gebe, sei nicht die Schuld der Union.

Das Gesetz bringe Planungssicherheit für die Branche und die Kommunen, stellten Abgeordnete der SPD-Fraktion fest. Man werde aber das Thema Mehrwegquote "nochmal aufnehmen".

Kritik äußerte dagegen Die Fraktion Die Linke: Man habe hinsichtlich der Informationspflichten den Eindruck, es gehe darum, Kosten zu reduzieren und Nutzungsentgelte zu senken.

Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hieß es, es sei fraglich, woher Mehrheiten für ein Wertstoffgesetz kommen sollten, wenn nicht von den Mehrheitsfraktionen.

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2. Experten zweifeln an Maut-Prognose

Haushalt/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Vor dem Haushaltsausschuss haben am Montagmorgen mehrere Experten Zweifel an den Einnahmeprognosen der Bundesregierung durch die Pkw-Maut geäußert. Während das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bei der Infrastrukturabgabe von Mauteinnahmen durch ausländische Pkw in Höhe von 834 Millionen Euro, die nach Abzug der Systemkosten von 211 Millionen Euro sowie der geplanten Kosten für die zusätzliche Steuerentlastung in Höhe von 100 Millionen Euro zu einer Nettoeinnahme von 524 Millionen Euro führen, ausgeht, sagte der Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger, "im besten Fall" könne es zu einem Nullsummenspiel im ersten Jahr nach der Einführung kommen. In den folgenden Jahren sei in jedem Fall mit einem Verlust zu rechnen.

Seine Schätzungen, so Ratzenberger vor dem Ausschuss, beliefen sich auf ein Minus von 71 Millionen Euro im ersten Jahr. Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der schadstoffarmen und damit von der Kfz-Steuerentlastung betroffenen Fahrzeuge steigen werde, sei in den folgenden Jahren mit einer Erhöhung des Verlustbetrages zu rechnen. Unabhängig von der Einnahmeseite sind nach Ansicht des Verkehrswissenschaftlers aber auch die Systemkosten und die mit der Steuerentlastung verbundenen Kosten zu niedrig angesetzt.

Die erheblichen Unterschiede bei den Einnahmeschätzungen durch ausländische Pkw-Fahrer (BMVI: 834 Millionen Euro, Ratzenberger 276 Millionen Euro) erklärte Ratzenberger mit unterschiedlichen Prognosewerten in Bereichen, für die es keine empirischen Grundlagen gebe. Dies beträfe vor allem die Zahl an Ein- und Durchfahrten (EuD) von Ausländern ohne Übernachtung, die nicht erfasst würden, da es keine Grenzkontrollen gebe. Während die Gesamtzahl an EuD ausländischer Pkw in den Schätzungen kaum voneinander abwichen, gebe es erhebliche Unterschiede, was die Zahl der betroffenen Pkw angeht, sagte Ratzenberger.

Das BMVI gehe von 19,2 Millionen Fahrzeugen aus - die alle eine eigene Vignette kaufen müssten. Seiner Schätzung nach liege die Zahl aber bei 7,8 Millionen Fahrzeugen, da insbesondere im "kleinen Grenzverkehr" ein und dasselbe Fahrzeug mehrfach deutsche Straßen nutze. Zur Berechnung seiner Prognose, so erläuterte Ratzenberger, habe er unter anderem die Personenverkehrsmatrix genutzt, die auch Grundlage der Verkehrsplanung bis 2030 sei.

Professor Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin stellte sich hinter die Einschätzung Ratzenbergers. Dessen Studie sei "fundiert und seriös" befand er. Die Kalkulation des BMVI sei hingegen in vielen Bereichen "grob unplausibel". Die Einnahmen würden überschätzt, in dem die Anzahl der Fahrzeuge, die nach Deutschland kommen und eine Vignette erwerben müssen, zu hoch angesetzt sei. Beleg dafür sei unter anderem, dass pro Jahr nur sechs EuD ausländischer Fahrer im Segment "Tagesgeschäftsreisen ohne Übernachtung" und nur 13 EuD pro Jahr und Fahrzeug bei "Privatfahren ohne Übernachtung" angenommen würden. "Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich darüber liegen", sagte Beckers. Seiner Ansicht nach ist eine Bandbreite von 205 Millionen Euro bis 450 Millionen Euro bei den mit der Maut durch ausländische Fahrzeughalter zu erzielenden Einnahmen zu erwarten. "Es deutet alles darauf hin, dass die Maut ein Minusgeschäft wird", sagte er.

Den mit der Maut verbundenen Schritt zu einer Nutzerfinanzierung begrüßte Matthias Knobloch vom ACE Auto Club Europa. Eine Verknüpfung mit einer ökologischen Komponente, wie sie durch die Steuererleichterung für schadstoffarme Autos erfolge, habe in einer Maut zur Infrastrukturfinanzierung aber nichts zu suchen, sagte Knobloch. Seine Einschätzung: "In dieser Form ist die Maut schädlich." Kritik übte er auch an "unklaren empirischen Grundlagen". Eine empirische Sonderuntersuchung wäre nötig gewesen, so der ACE-Vertreter.

Professor Wolfgang H. Schulz von der Zeppelin Universität Friedrichshafen bewertete die Prognose des BMVI als plausibel. Sie sei konservativ gerechnet und enthalte einen Abschlag von 25 Prozent. Mögliche Mehreinnahmen in dieser Höhe seien dadurch aber nicht herleitbar, warnte er. Was die Tagesreisen ohne Übernachtung angeht, so könne niemand die genaue Zahl benennen. Das BMVI, so Schulz, habe seine Ansätze für die Tagesreisen ohne Übernachtung durch einen Analogieschluss aus den empirisch ermittelten Zahlen für Tagesreisen mit Übernachtung hergeleitet. Mit dem erwähnten Abschlag trage das Ministerium der Unsicherheit bei diesen Zahlen Rechnung.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 168 - 20. März 2017 - 13.28 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2017

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