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BUNDESTAG/7261: Heute im Bundestag Nr. 411 - 13.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 411
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 13. Juni 2018, Redaktionsschluss: 17.45 Uhr

1. Viel Kritik an Prospekt-Vorschriften
2. Wasserparadiese im einstigen Tagebau
3. Keine Funde biologischer Waffen
4. Linksextremistisch genutzte Immobilien
5. Unterschiede bei Anerkennungsquoten


1. Viel Kritik an Prospekt-Vorschriften

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch haben die Sachverständigen Planungen der Bundesregierung zur Verbesserung des Anlegerschutzes zum Teil heftig kritisiert. Laut deutscher Kreditwirtschaft droht sogar eine "Entmündigung der Anleger".

Grundlage der von der Finanzausschussvorsitzenden Sabine Stark-Watzinger (FDP) geleiteten Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze (19/2435). Der Entwurf sieht vor, dass nicht für alle öffentlichen Angebote von Wertpapieren ein Prospekt vorgelegt werden muss. Bei öffentlichen Angeboten mit einem Gesamtgegenwert von 100.000 Euro, aber weniger als acht Millionen Euro, soll statt eines Prospekts ein dreiseitiges Wertpapier-Informationsblatt vorgelegt werden müssen. Für nicht qualifizierte Anleger sollen Höchstschwellen für die Geldanlage gelten: "Sofern von einem nicht qualifizierten Anleger ein Betrag von über 1.000 Euro investiert werden soll, ist dies nur dann zulässig, wenn der nicht qualifizierte Anleger entweder über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumente von mindestens 100.000 Euro verfügt oder er maximal den zweifachen Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens investiert. In jedem Fall ist die Einzelanlage auf 10.000 Euro begrenzt", sieht die Neuregelung vor, was von Professorin Dörte Poelzig (Universität Leipzig) als überflüssig angesehen wurde. Auf Anlageschwellen könne verzichtet werden. Wichtig seien vor allem Informationen für die Anleger.

Für Banken beträgt die Emissionsobergrenze statt acht nur fünf Millionen Euro, was die Kreditwirtschaft als "nicht sachgerecht" bezeichnete: Die Regelung konterkariere nicht zuletzt das Ziel der Kapitalmarktunion, insbesondere auch kleinen Instituten den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern. Auch der Fondsverband BVI konnte keinen sachlichen Grund erkennen, um Emissionen von Banken und börsennotierten Emittenten gegenüber anderen - unregulierten - Emittenten zu benachteiligen.

Bereits heute müssten Emittenten von Wertpapieren bei Kleinemissionen "Beipackzettel" für Kleinanleger erstellen. "Worin der Mehrwert eines neuen Informationsblatts besteht ist nicht ersichtlich", kritisierte die Kreditwirtschaft. Die geplanten Einschränkungen für nicht qualifizierte Anleger würde Anleger entmündigen, da sie nicht mehr die Investitionshöhe selbst bestimmen könnten. Die Überprüfungen der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Kunden würden zudem einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten. Auch der BVI sah keine Notwendigkeit für das neue Informationsblatt.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz vertrat die Ansicht, "dass jeder Anleger selbstbestimmt entscheiden können soll, welche Investitionen er tätigen möchte oder eben nicht". Die Entscheidungshoheit solle ihm nicht vom Gesetzgeber genommen werden. An dem Verzicht auf die Prospekterstellung bis zu Emissionen von acht Millionen Euro übte die Schutzvereinigung auch Kritik und verlangte zum Ausgleich, Aufbau und Inhalt des Wertpapier-Informationsblattes an bereits bestehende Informationsblätter anzugleichen. Es müssten auch Angaben zu den Kosten gemacht werden. Die Gruppe Deutsche Börse sprach sich gegen das geplante Informationsblatt aus, weil der Aufwand angesichts der kleinen Emissionen nicht angemessen und für Zwecke des Anlegerschutzes nicht zielführend sei. "Vielmehr errichtet die Pflicht zur Erstellung und Genehmigung eines Wertpapier-Informationsblattes zusätzliche neue administrative Hürden für kleine und mittlere Unternehmen", so die Börse. Die Kapitalmarktfinanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen sei in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern ohnehin schon unterdurchschnittlich.

Dagegen bezeichnete Professor Lars Kühn (Humboldt Universität Berlin) den Entwurf als einen "gut abgewogenen Kompromiss, gegen den aus wissenschaftlicher Sicht keine durchgreifenden Bedenken bestehen". Allerdings warnte Klöhn, dass der Entwurf unseriösen Anbietern von Graumarktprodukten die Tür zum Wertpapiermarkt zu weit öffnen könne. Es bestehe die Gefahr, dass unseriöse Anbieter klassischer Graumarktprodukte die Ausnahmen von der Prospektpflicht nutzen würden, um unter Einschaltung ebenso unseriöser Anlageberater oder Anlagevermittler ("Drückerkolonnen") Wertpapiere im Gegenwert von bis zu acht Millionen Euro zu vertreiben.

Rechtsanwalt Peter Mattil sagte, die Beteiligungsschwellen von 1.000 beziehungsweise 10.000 Euro könnten geeignet sein, Privatanleger von einer unüberlegten Anlage abzuhalten. Wie schon die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz schilderte auch Mattil Vorzüge eines Prospekts: Mit einem Umfang von oft mehreren hundert Seiten werde dieser zwar selten aufmerksam gelesen, könne aber "hinterher" als Informationsquelle für strukturelle Fehler eines Anlagemodells dienen, wenn eine Krise oder Insolvenz eingetreten sei. Mattil wies auf den Zusammenbruch der P&R-Gruppe (Container-Vermietung) hin, in die 55.000 Anleger 3,5 Milliarden Euro investiert hätten. Die Gruppe habe einen Prospekt von 160 Seiten veröffentlicht, der "alle erdenkliche Informationen enthält - bis auf die wichtigste: Die P&R hat entgegen allen Behauptungen offenbar ein reines Geldkarussell betrieben, ohne jegliche ernsthafte Investitionen für die Anleger." Mattil sprach sich gegen eine Klausel in dem Entwurf aus, die es Emittenten erlaubt, ihre Prospekte in englischer Sprache herauszugeben. Die Anleger müssten wenigstens ein Recht auf Übersetzungen haben.

Auch für Stefan Loipfinger (investmentcheck.de) zeigt der "Skandalfall P&R", wie wichtig weitere Erhöhungen es Anlegerschutzes seien. Die Regeln des Vermögensanlagengesetzes hätten diesen Skandal nicht verhindern können. Vermutlich seien von den investierten 3,5 Milliarden 2,5 Milliarden verschwunden. Er nannte den Rahmen von acht Millionen Euro in einem Jahr, bis zu dem keine Prospektpflicht vorgesehen ist, zu hoch. Ein Emittent könne auf diese Weise binnen zehn Jahren 80 Millionen Euro Anlegerkapital ohne Prospekt einsammeln. Mehr Anlegerschutz sah Loipfinger in dem Gesetzentwurf nur sehr bedingt.

Nach Angaben des Bundesverbandes Crowdfunding werden die meisten kleinen und mittleren Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH betreiben. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft würden typischerweise größere Unternehmen wählen, da die Kosten hoch seien. Um die Finanzierungsbedingungen kleinerer Unternehmen zu verbessern sollten die Ausnahmen von der Prospektpflicht auf GmbH-Anteile erweitert werden. Sonst werde das von der Prospektverordnung angestrebte Ziel, den Zugang von jungen und mittelständischen Unternehmen zu Kapital zu verbessern, nicht erreicht. Zur Verbesserung der Situation der Crowdfunding-Plattformen sollte es eine vereinfachte Vermittler-Lizenz geben, forderte Karsten Wenzlaff für den Bundesverband Crowdfunding.

Ein Vertreter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sagte in der Anhörung: "Egal was Sie tun, Sie können einen Anleger nie zu 100 Prozent vor Betrug schützen."

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2. Wasserparadiese im einstigen Tagebau

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Die Umwandlung der früheren Braunkohletagebaue in Mitteldeutschland und der Lausitz in eine touristisch attraktive Seenlandschaft ist in fast drei Jahrzehnten deutscher Einheit weit vorangeschritten. Von 51 gefluteten Restlöchern, sogenannten "Bergbaufolgeseen", seien mittlerweile 25 öffentlich nutzbar, zehn in der Lausitz und 15 im einstigen mitteldeutschen Revier, sagte Grit Uhlig, Leiterin des Sanierungsbereichs Mitteldeutschland der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) am Mittwoch dem Tourtismusausschuss.

Nach ihren Worten wurden seit 1991 in die Sanierung der früheren Tagebaue der neuen Länder 10,6 Milliarden Euro investiert. Weitere 1,2 Milliarden Euro seien bis 2022 zugesagt. In die Finanzierung teilten sich Bund und Länder im Verhältnis von drei Vierteln zu einem Viertel. Die LMBV mit Hauptsitz in Senftenberg und Niederlassungen in Leipzig und im thüringischen Sondershausen betreut seit 1995 die Sicherung und Renaturierung der einstigen Bergbauflächen. Die Gesellschaft zählt derzeit 665 Mitarbeiter. Beabsichtigt sei selbstverständlich, im Endergebnis alle 51 Seen für Tourismus und Naturschutz verfügbar zu machen, betonte Uhlig.

Im Jahr 1990 förderten in der damaligen DDR noch 135.000 Beschäftigte 300.000 Kilotonnen Braunkohle. Vier Jahr später sei die Zahl der Mitarbeiter auf 12.000 und die Produktionsmenge auf 80.000 Kilotonnen geschrumpft. Ein wesentlicher Aspekt des Strukturwandels sei es gewesen, den vom Bergbau verwüsteten Landschaften eine neue Zukunft zu schaffen. Die LMBV habe bei Beginn ihrer Tätigkeit 32 völlig unsanierte Tagebaubereiche mit 224 Restlöchern und 1200 Kilometern ungesicherter Böschungen auf 97.000 Hektar übernommen. Infolge der Absenkung des Grundwassers im Zuge des Braunkohleabbaus habe auf einer Fläche von 200 Quadratkilometern ein Wasserdefizit von 13 Milliarden Kubikmetern bestanden.

Durch den allmählichen Wiederanstieg des Grundwasserspiegels, aber auch durch Zuleitung aus Flüssen seien ausgekohlte Restlöcher geflutet wurden. So seien bislang 51 große Bergbaufolgeseen mit einer Gesamtfläche von 25.000 Hektar entstanden. Soweit es aus bergrechtlichen Gründen geboten gewesen sei, zwischen diesen Seen hydraulische Verbindungen zu schaffen, sei darauf geachtet worden, die so entstehenden Kanäle mit Blick auf eine touristische Nutzung von vornherein schiffbar auszugestalten, sagte Uhlig. Mittlerweile sei der Zielwasserstand in den Bergbaufolgeseen zu 88 Prozent erreicht.

Ein Fallbeispiel für die touristische Nutzung der einstigen Tagebaue schilderte die Geschäftsführerin des Tourismusvereins Leipziger Neuseenland, Sandra Brandt, dem Aussschuss. Das Neuseenland ist ein ausgedehntes ehemaliges Tagebaugebiet im Süden der Pleißestadt, dessen Umgestaltung im Zuge der "Expo 2000" in Hannover begonnen habe. Mittlerweise seien die Altlasten beseitigt, das Landschaftsbild von Floßgräben und Auenwäldern geprägt. Auf jedem der neu entstandenen Seen sei heute ein Fahrgastschiff unterwegs. Vom "Landschaftspark Cospudener See" führe ein Kanal zum Leipziger Stadthafen, dessen Mole 2010 fertiggestellt wurde; das Hafenbecken werde derzeit noch ausgebaut.

Als weitere Attraktionen nannte Brandt den 2003 eröffneten Freizeitpark Belantis mit jährlich 600.000 Besuchern und den Kanupark Markkleeberg mit 450.000 Gästen. Die Zahl der Übernachtungen in der Region sei zwischen 2003 und 2017 von 400.000 auf über 700.000 im Jahr gestiegen.

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3. Keine Funde biologischer Waffen

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Das Bundeskriminalamt (BKA) hat seit dem Jahr 2007 in Deutschland "keine Funde oder Sicherstellungen von biologischen Waffen/Bomben oder gesundheitsschädlichen biologischen Agenzien" registriert, die zur Herstellung von Waffen oder Bomben geeignet gewesen wären. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (19/2458) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/2208) hervor. Danach erstellt das BKA seit 2007 nationale Lagebilder für den unerlaubten Umgang mit gesundheitsgefährlichen biologischen Agenzien und chemischen Stoffen.

Zur Frage, wie viele chemische Waffen beziehungsweise Ingredienzen für deren Herstellung sichergestellt wurden, schreibt die Bundesregierung, dass das BKA seit 2007 "keine Funde oder Sicherstellungen von chemischen Waffen/Bomben" in Deutschland registriert habe, "die Bezüge im Sinne der Fragestellung aufweisen". Ingredienzien von Bomben "wie chemische Kampfstoffe wie zum Beispiel Chlor" würden aber zum Teil auch als weit verbreitete Grundstoffe in der chemischen Industrie eingesetzt. Eine Abgrenzung zwischen den chemischen Gefahrstoffen, den toxischen Industriechemikalien (TIC) und chemischen Kampfstoffen sei daher nur bedingt möglich.

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4. Linksextremistisch genutzte Immobilien

Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Um "Immobilien der linksextremen Szene in der Bundesrepublik" geht es in einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion (19/2462). Wie die Abgeordneten darin ausführen, teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/2057) auf eine vorherige Kleine Anfrage der Fraktion mit, dass "bundesweit 51 Objekte als linksextremistisch genutzte Immobilien einzustufen" seien, "zu denen offene Informationen vorliegen".

Ferner heiße es in der Antwort, dass bei der Erfassung nur Immobilien Berücksichtigung gefunden hätten, "bei denen Linksextremisten über eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit verfügen, etwa in Form von Eigentum, Miete, Pacht oder durch ein Kenn- und Vertrauensverhältnis zum Objektverantwortlichen". Weitere Erfassungskriterien seien "die politisch ziel- und zweckgerichtete sowie die wiederkehrende Nutzung durch Linksextremisten", zitiert die Fraktion aus der Antwort weiter.

Wissen will sie unter anderem, welche sonstigen Einrichtungen, die Linksextremisten regelmäßig als Treffpunkt und Veranstaltungsort nutzen, es in Deutschland über die in der Antwort der Bundesregierung genannten hinaus gibt.

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5. Unterschiede bei Anerkennungsquoten

Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die AfD-Fraktion will wissen, ob es in den Jahren 2016 und 2017 im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eine Stelle gab, "die dafür zuständig war, auffällige Unterschiede zwischen den einzelnen Außenstellen und Ankunftszentren bei den Anerkennungsquoten der Asylanträge zu identifizieren und nach den Gründen zu suchen". Ferner erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (19/2464) danach, welche Stelle dies gegebenenfalls war. Auch fragt sie unter anderem, bei welchen Außenstellen und Ankunftszentren gegebenenfalls auffällige Abweichungen festgestellt wurden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 411 - 13. Juni 2018 - 17.45 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2018

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