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NORDRHEIN-WESTFALEN/2338: Zurück zum Abi nach neun Jahren (Li)


Landtag intern 5/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Zurück zum Abi nach neun Jahren
Sachverständige äußerten sich in Anhörung zu G9

von Thomas Becker und Michael Zabka


2. Mai 2018 - Es war eine Mammut-Anhörung: Im Mittelpunkt stand die geplante Rückkehr zum neunjährigen Bildungsgang an Gymnasien (G9); rund 40 Sachverständige äußerten sich dazu. Zwei Durchgänge waren erforderlich - der erste von 10 bis 13 Uhr, der zweite ab 14 Uhr. Weitere 27 Sachverständige waren ausschließlich um schriftliche Stellungnahmen gebeten worden.


Grundlagen der gemeinsamen Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung sowie für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen im Plenarsaal waren das "Gesetz zur Neuregelung der Dauer der Bildungsgänge im Gymnasium" (17/2115), ein Gesetzentwurf der Landesregierung, sowie der Antrag der SPD-Fraktion "Abitur nach 9 Jahren - (Oberstufen-)Reform richtig angehen" (17/1818).

Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind, so die Landesregierung, "die Leitentscheidung der grundsätzlichen Umstellung auf den neunjährigen Bildungsgang an den öffentlichen Gymnasien, die Regelung einer einmaligen gemeinsamen Entscheidung von Schulkonferenz und Schulträger über die Beibehaltung von G8 sowie die Ermöglichung der individuellen Verkürzung des neuen neunjährigen Bildungsgangs am Gymnasium auch in Gruppen". Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag u. a. eine einheitliche Gestaltung der Reform. Den Bildungsgang G9 müsse es an allen Gymnasien geben. Zugleich müsse die Oberstufe so reformiert werden, "dass der Regelfall das Abitur nach neun Jahren ist, die Absolvierung nach acht Jahren schulrechtlich aber möglich bleibt".

Leitentscheidung

Der NRW-Städtetag begrüßte in der Anhörung die Leitentscheidung zu G9 und auch die "vorgesehene einmalige Möglichkeit, ein G8-Gymnasium auf der Grundlage eines qualifizierten Beschlusses der Schulkonferenz und der Zustimmung des Schulträgers fortzuführen". Der Verband deutscher Privatschulen in NRW sprach sich ebenfalls für eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Verbleib in G8 und der Rückkehr zu G9 aus.

Die Wahlmöglichkeit entspreche den Zusagen der Landesregierung, die sie in ihrem Koalitionsvertrag gemacht habe, teilte der Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen in seiner Stellungnahme mit. Die in Aussicht gestellte Stärkung von G8-Gymnasien müsse zeitnah konkretisiert werden.

Das Katholische Büro NRW sowie das Evangelische Büro NRW erachten die Beibehaltung des achtjährigen Bildungsganges auch "pädagogisch" für "richtig". Kirchliche Schulen, die zu G9 zurückkehren wollten, benötigten die finanzielle Unterstützung des Landes und zudem Planungssicherheit.

Gegen das Nebeneinander von G8 und G9 sprachen sich bei der Anhörung mehrere Verbände aus: Der Verband Bildung und Erziehung NRW etwa forderte in seiner Stellungnahme eine "konsequente Rückkehr zu G9". Das Nebeneinander zweier Schulformen könne zu Komplikationen führen, u. a. bei einem Schulwechsel, da Lehrpläne nicht kompatibel seien.

Die Landeselternschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Beibehaltung der achtjährigen Gymnasialzeit zu "zwei unterschiedlichen Qualitätsstandards" führe. "Dies halten wir für nicht akzeptabel." Wollten leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler ihre Schulzeit verkürzen, könnten sie z. B. eine Klasse überspringen.

Auch die Landeselternkonferenz NRW sieht "keine Vorteile in der Schaffung paralleler Strukturen". Ob Eltern ein G8- oder G9-Gymnasium befürworteten, könne vor Ort "sehr emotional geführte Diskussionen" nach sich ziehen. Es bestehe zudem die Gefahr, dass Schulen aus Kosten- und Realisierungsgründen bei G8 blieben.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund NRW und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW wiesen darauf hin, dass "zwei gymnasiale schulische Subtypen" eine "grundsätzlich falsche schulpolitische Weichenstellung" darstellten. Dieser Ansicht waren auch die rheinische sowie die westfälisch-lippische Direktorenvereinigung. Sie regten in ihren Stellungnahmen an, alle Gymnasien ausnahmslos als G9-Gymnasien zu führen.

Ähnlich äußerten sich der NRW-Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der Anteil der Schulen, die an G8 festhalten wollten, sei "deutlich kleiner als von den Koalitionsparteien offenbar angenommen".

In der Stellungnahme der Landesschüler*innenvertretung NRW hieß es: "Das gleichzeitige Bestehen von G8- und G9-Gymnasien würde ein weiteres Mal unnötige Unruhe in unser Bildungssystem bringen." Stattdessen forderten die Schülerinnen und Schüler eine "flexible Oberstufe, die zwei bis vier Jahre dauern kann".

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Quelle:
Landtag intern 5 - 49. Jahrgang, 23.05.2018, S. 7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2018

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