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RHEINLAND-PFALZ/2656: Praxisgebühr abschaffen (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 13/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 23. April 2012

Praxisgebühr abschaffen



In der von der SPD beantragten Aktuellen Stunde diskutierte der Landtag über die finanzielle Situation der Krankenversicherungen und eine mögliche Abschaffung der Praxisgebühr. Die regierungstragenden Fraktionen forderten eine solche Abschaffung der Gebühr, die Grünen brachten die Bürgerversicherung in die Debatte ein.

Die erwirtschafteten Überschüsse der Krankenversicherungen seien ein wichtiges Thema, erklärte Kathrin Anklam-Trapp (SPD). Daran hätten vor allem die Beschäftigten einen hohen Anteil. Die Folgerung für ihre Fraktion bestehe darin, die Praxisgebühr zurückzunehmen. "Wir brauchen Beitragssicherheit", so die Abgeordnete, "keine Steuergeschenke". Die Praxisgebühr sei sozial ungerecht, unabhängig vom Einkommen und nur vom Arbeitnehmer zu entrichten, kritisierte Anklam-Trapp. Außerdem führe die Gebühr zu einem Anstieg der Bürokratie. Die Gebühr sei als Steuerungsinstrument gescheitert. Anklam-Trapp übte Kritik daran, dass die CDU im Bund die Abschaffung der Praxisgebühr ablehne.

Die Kassen der Versicherungen seien voll, weil die aktuelle Bundesregierung eine "gute Gesundheitspolitik" mache, so Dr. Peter Enders (CDU). Er könne sich nicht vorstellen, dass die damalige Opposition die rot-grüne Bundesregierung zur Einführung der Praxisgebühr gezwungen habe. Die Äußerungen von Ministerin Dreyer zum Thema seien "unverantwortlich", schließlich sei die Praxisgebühr im Hartz-IV-Regelsatz bereits eingerechnet, so der Abgeordnete. Die Praxisgebühr sei ein Steuerungselement, um überflüssige Arztbesuche zu vermeiden. Außerdem erfülle sie eine "Lotsenfunktion", damit Patienten zuerst den Hausarzt konsultierten. Die Mehreinnahmen aus der Praxisgebühr würden von den Versicherungen gebraucht. Es handele sich bei der Diskussion um einen "Sturm im Wasserglas", betonte Enders. Die Abschaffung der privaten Krankenkassen würde zu Einnahmeausfällen von neun Milliarden Euro führen.

Man müsse auch nach den Ursachen für die wenigen Arztbesuche fragen, widersprach Dr. Rahim Schmidt (Bündnis 90/DIE GRÜNEN). Viele Ärzte hätten keine Zeit für Patienten, diese "Ökonomisierung des Gesundheitssystem" sei ungerecht. Die Praxisgebühr habe nichts Nachhaltiges bewirkt, außer mehr Bürokratie zu schaffen und chronisch Kranke stärker zu belasten. Dies führe auch zu Altersarmut, da im Alter Krankheiten zunehmen. Die Bundesregierung habe eine ungerechte Gesundheitsstrategie, die "von den Kranken geschultert wird", so Schmidt, ein gerechteres Gegenmodell sei die Bürgerversicherung. Der Mensch müsse im Mittelpunkt der Politik stehen, erklärte der Abgeordnete und sprach sich gegen eine "Zwei-Klassen-Medizin" aus.

Die aktuelle Bundesregierung habe den Kassen nur Kosten verursacht, die finanzielle Situation sei also kein Verdienst der Bundesregierung, erklärte Gesundheits-Staatssekretärin Jacqueline Kraege (SPD). Die Überschüsse der gesetzlichen Krankenversicherungen müssten benutzt werden, um diese gegen Unwägbarkeiten abzusichern. Es gebe jetzt aber auch den Spielraum, die Praxisgebühr und die damit verbundene Bürokratie abzuschaffen. Die Praxisgebühr sei nur eingeführt worden, um den Unionsfraktionen entgegenzukommen, die eine zehnprozentige Behandlungsbeteiligung gefordert hatte, erklärte die Staatssekretärin. Die Steuerungsfunktion habe die Gebühr aber nicht erfüllt. Nur bei den sozial Schwachen seien die Arztbesuche zurückgegangen. Dies trage zur "Chronifizierung von Krankheiten" bei. Man müsse die Patienten dadurch entlasten, nicht nur durch eine Beitragssenkung. Der finanzielle Spielraum solle genutzt werden.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 13/2012, Seite 4
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2012