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RHEINLAND-PFALZ/2762: Schüler vor sexuellen Übergriffen besser schützen (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 05/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 25. Februar 2013

Schüler vor sexuellen Übergriffen besser schützen



In zweiter Beratung befasste der Landtag sich mit Änderungen des Schulgesetzes. Parallel zu den strafrechtlichen Bemühungen im Bunde soll so auch auf schulgesetztlicher Ebene auf den Freispruch eines Lehrers reagiert werden, der eine Beziehung mit einer Schülerin hatte, vor Gericht aber einen Freispruch erzielte. Das Gesetz wurde einstimmig verabschiedet.

Ein Ergebnis der Diskussionen um den Fall des frei gesprochenen Lehrers sei der vorliegende Gesetzentwurf, sagte der Abgeordnete Dr. Axel Wilke (CDU). Er werde als einer der Gesetzentwürfe in die Statistik eingehen, den die CDU mittrage. Die Frage sei allerdings, welchen Mehrwert der Gesetzentwurf mit sich bringe, "warum das Gesetz so geändert werden muss". Die Antwort auf diese Frage sei bisher "nicht richtig greifbar". Ein wirklicher Fortschritt im Sinne der Schließung einer Gesetzeslücke ergebe sich aus dem Entwurf nicht, meinte Wilke. "Aber auch symbolische Handlungen können wichtig sein", betonte er. Würde sich das Handeln der Landesregierung alleine auf diesen Aktionismus beschränken, könnte seine Fraktion nicht zustimmen.

Der vom Landtag auf Initiative der CDU festgestellte gesetzgeberische Handlungsbedarf sei inzwischen auf Bundesebene in Gang gekommen. Nun zeige sich auch der Landesjustizminister bereit eine Gesetzgebung anzugehen, die das Obhutsverhältnis neu bestimme. "Einen solchen Freispruch wie in Koblenz darf es nicht noch einmal geben", betonte Wilke.

Sie freue sich, dass diese wichtige Schulgesetzänderung über die Fraktionen hinweg einvernehmlich verabschiedet werde, sagte Bettina Brück (SPD). "Das Thema eignet sich ja auch nicht für Polemik." Das Gesetz sei ein gutes Signal an Eltern, Schüler und Schulen. "Wir machen damit deutlich, dass es uns ein großes Anliegen ist, Schülerinnen und Schüler wirksam vor sexuellem Missbrauch zu schützen", betonte sie. Deshalb sei dies auch nicht als Aktionismus anzusehen, "wir müssen alle Maßnahmen ergreifen, um die Schülerinnen und Schüler noch wirksamer zu schützen". Bei sexuellen Kontakten in der Schule dürfe es keine Toleranz geben. Das Gesetz werde in präventiver Form das Bewusstsein aller Beteiligten in der Schule noch einmal auf besondere Weise schärfen, zeigte Brück sich überzeugt. Dass sexuelle Kontakte zwischen Lehrern und Schülern mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag unvereinbar seien, "stellen wir jetzt noch einmal klar". Auch in der Vergangenheit sei schon alles getan worden um Schülerinnen und Schüler vor Übergriffen zu schützen. Die Schulaufsicht habe solche Vorfälle als Verletzung der Dienstpflichten behandelt und disziplinarrechtlich geahndet. "In der Regel führte das zur Entfernung aus dem Dienst." Im Privatschulrecht werde die persönliche Eignung der Lehrkräfte noch einmal explizit in das Gesetz hineingeschrieben.

Das Schulrecht stecke heute bereits den Rahmen für einen verantwortungsvollen Umgang von Lehrerinnen und Lehrern mit Schülerinnen und Schülern ab, sagte Ruth Ratter (Bündnis 90/Die Grünen). "Allerdings kann nicht über den Entscheid des BGH hinweggesehen werden". Dort werde das Obhutsverhältnis deutlich enger ausgelegt als nur im Sinne eines respektvollen Umgangs. Daher sei es den Grünen ein Anliegen, die Formulierungen des Obhutsverhältnisses in den Schulen zu präzisieren. "Übergriffe verbieten sich in jedem Fall und nicht nur dort, wo eine direkte Zuweisung als Fachlehrer vorliegt", sagte die Abgeordnete. Sexuelle Gewalt an Schulen sei ein in Deutschland weitgehend unerforschtes Feld. "Dies gilt nicht nur für rechtswidrige Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern." Befragungen von Schülerinnen aus den Jahren 2009 und 2012 zeigten, dass Handlungsbedarf bestehe. Insgesamt dürfe die Bedeutung einer Prävention nicht unterschätzt werden. "Ich bin überzeugt, dass ein Klima der Achtsamkeit, klare Regeln zum Umgang miteinander und das offene Gespräch mit Schülerinnen und Lehrerinnen mehr bewirken als jede Änderung des Schulrechtes", betonte Ratter. Dennoch begrüße sie besonders die Hinzufügung in Paragraf 1, zum Umgang mit Nähe und Distanz, an hervorgehobener Stelle. "Diese Formulierung zeigt den richtigen Weg, deshalb unterstützen wir auch den Gesetzentwurf", schloss die Abgeordnete.

Die bisherigen Beratungen zeigten eine große Übereinstimmung zwischen den Fraktionen, sagte Staatssekretär Hans Beckmann (SPD). Er danke für die Unterstützung des Gesetzentwurfes, "ich bin mir sicher, dass das in der Öffentlichkeit positiv angenommen wird". Er erläuterte die Eckpunkte des Gesetzes. Die gesetzliche Normierung des Obhutsverhältnisses werde dazu beitragen der Schulgemeinschaft das Verhältnis, das zwischen allen Beteiligten bestehe, sehr deutlich zu machen. "Der Gesetzentwurf zeigt, wie ein solches, ideales Verhältnis auszusehen hat." Es sei geprägt von Vertrauen, Respekt, Achtung und einem verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz. Es stelle eindeutig klar, dass sexuelle Handlungen zwischen pädagogischem Personal und Schülerinnen oder Schülern mit dem staatlichen Erziehungsauftrag unvereinbar und damit unzulässig seien. Dienstrechtlich bestünden allerdings auch ohne diese schulrechtliche Regelung ausreichend Handlungsoptionen, da sexuelle Handlungen zwischen Lehrpersonal und Schülerinnen und Schülern den Kernbereich der Dienstpflichten so gravierend verletzten, dass es in aller Regel zur Entfernung aus dem Dienst komme. Das Ministerium werde die Schulen über die Hintergründe des Gesetzes hinweisen und erklären, in welchen Fällen sie bei einer Gefährdung des Kindswohls das Jugendamt einschalten müssten.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 05/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2013