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RHEINLAND-PFALZ/2818: Grüne Gentechnik auf dem Prüfstand (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 20/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 17. Juni 2013

Grüne Gentechnik auf dem Prüfstand



Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diskutierte der Landtag im Rahmen einer Aktuellen Stunde den Beitritt von Rheinland-Pfalz zur Charta der gentechnikfreien Regionen. Die Grünen begrüßten den Beitritt, der helfe, die Ausbreitung des kommerziellen Gentechnikanbaus einzudämmen. Für die CDU ist die grüne Gentechnik eine wichtige Zukunftstechnologie, die Arbeitsplätze sichere und den Hunger in der Welt bekämpfen könne. Die SPD sah den Beitritt als ein freiwilliges Angebot an die Gentechnikverfechter, bedauerte jedoch, dass das Potential der Zukunftstechnologie in Rheinland-Pfalz nicht genutzt werde.

Dietmar Johnen (Bündnis 90/Die Grünen) warnte vor den Problemen, die grüne Gentechnik mit sich bringe. Der kommerzielle Gentechnikanbau ziehe eine Monopolisierung des Saatgutes und der Pflanzenschutzmittel auf einige wenige Konzerne nach sich. Dabei habe sich gezeigt, dass die gentechnisch veränderten Pflanzen nicht einhalten, was sie versprächen. Es werde weder weniger Pflanzenschutzmittel benötigt, noch seien die Erträge angestiegen oder der Schädlingsbefall zurückgegangen. Zudem würden die dringend benötigten robusten Sorten durch den kommerziellen Gentechnikanbau zurückgedrängt oder verschwänden ganz. Außerdem würden die Bauern in die Abhängigkeit von multinationalen Großkonzernen gedrängt, wodurch ihnen die Souveränität über eine ihrer wichtigsten Produktionsgrundlagen genommen werde, kritisierte Johnen. Deswegen begrüße er den Beitritt des Landes Rheinland-Pfalz zum europäischen Netzwerk der gentechnikfreien Regionen, dessen Mitglieder sich dafür einsetzen, dass Schäden, die durch gentechnisch veränderte Organismen auftreten, von ihren Verursachern bezahlt werden. In Rheinland-Pfalz gebe es schon neun privat organisierte gentechnikfreie Regionen und Initiativen, in denen fast 300 Landwirte und knapp 15 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche zusammengeschlossen seien.

Johnen sei einem Trugschluss aufgesessen, so Christine Schneider (CDU). "Rheinland-Pfalz ist nicht gentechnikfrei. Rheinland-Pfalz wird auch nicht gentechnikfrei werden, nur weil wir einem Netzwerk beigetreten sind", stellte Schneider klar. Das Netzwerk könne, wenn überhaupt, nur den Anbau regeln. Schneider warf den Grünen vor, die Gentechnik zu verteufeln. Dadurch würden nicht nur Arbeitsplätze in einer Zukunftstechnologie verloren gehen, sondern auch Chancen, den Hunger in der Welt zu beenden, vertan. "Wir müssen die grüne Gentechnik auch als Chance begreifen und dürfen sie nicht nur als Teufelszeug abtun", appellierte Schneider. Schneider wollte auch von der Landesregierung wissen, was aus landeseigenen Einrichtungen werden solle, wie denn beispielsweise die Zukunft der AgroScience in Neustadt aussähe. Es könne nicht sein, dass Einrichtungen geschlossen und Arbeitsplätze exportiert werden, während gentechnisch veränderte Produkte importiert würden, so Schneider.

Thorsten Wehner (SPD) betonte, dass sich seine Partei immer sehr differenziert mit diesem Thema auseinandergesetzt und den Einzelfall im Blick gehabt habe. Die grüne Gentechnik werde von allen deutschen Wissenschaftsorganisationen als eine Schlüsseltechnologie gesehen, die zumindest in Zukunft einen Beitrag dazu leisten könne, dass solche großen Herausforderungen wie die Weltnahrungsmittelversorgung oder der Klimawandel bewältigt werden können. Auch Wehner bedauerte, dass Rheinland-Pfalz die Chancen dieser Zukunftstechnologie nicht nutzen wolle und dadurch in Kauf nehme, dass hochqualifizierte Arbeitsplätze ins Ausland abwandern. "Eines sollte uns allen bewusst sein: Der sofortige Verzicht auf GVO-Produkte in der Lebensmittel- oder Landwirtschaft wäre überhaupt nicht möglich, und wenn, dann nur unter drastischen Preiserhöhungen", gab Wehner zu bedenken. Die Verbraucher jedoch seien grüner Gentechnik gegenüber skeptisch eingestellt. Deshalb sei der Beitritt Rheinland-Pfalz zum Netzwerk "Gentechnikfreie Regionen" ein freiwilliges Angebot an diejenigen, die die Gentechnikfreiheit als Marktchance nutzen wollen. Es sei ein Angebot, aber nicht verpflichtend und rechtlich nicht bindend.

Umweltministerin Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) stellte zunächst klar, dass das Ziel der gentechnikfreien Regionen Europas sei, die bäuerliche Landwirtschaft zu schützen und gute Lebensmittel zu erzeugen. Zukunftstechnologien wie die Gentechnik und die Biotechnologie seien nach einer Technikfolgenabschätzung zu bewerten, um zu sehen, welche Möglichkeiten es für die Anwendung einzelner Technikbereiche oder Biotechnologiebereiche gebe und welche nicht. Dabei sei die Landesregierung zu dem Ergebnis gekommen, dass im Bereich der AgroGentechnik diese Technologie nicht dazu taugt, tatsächlich in die Anwendung zu gehen. Höfken warnte, dass der GV-Anbau keine Wahlfreiheit lasse. "Es ist eine Bedrohung für die Sicherheit unserer Lebensmittel. Denn durchaus können dabei ungewollte und auch gesundheitsschädigende Ergebnisse bei den Pflanzen herauskommen", gab Höfken zu bedenken. Auch sei die Patentierung in der AgroGentechnik ein großes Problem. Außerdem sei durch Studien belegt, dass genmanipulierter Mais keinen höheren Ertrag bringe, sondern sogar weniger.

Dorothea Schäfer (CDU) warf Johnen bloße Stimmungsmache vor, die die Leute in der Region verunsichere. Seine Fraktion schüre Angst vor grüner Gentechnik in der Bevölkerung. Die rote und die weiße Gentechnik hingegen hätten eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung, weil dies die Gesundheit der Menschen betreffe. Schäfer stimmte Johnen zu, dass eine verbesserte Kennzeichnung notwendig sei, damit die Menschen selbst wählen könnten.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 20/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2013