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RHEINLAND-PFALZ/2843: Aussprache zur Regierungserklärung Wirtschaft (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 31/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 2. September 2013

Aussprache zur Regierungserklärung Wirtschaft



Nach über zwei Jahren im Amt sei es in der Tat Zeit zu erfahren, "wohin Sie wirtschaftspolitisch in Rheinland-Pfalz wollen", sagte Julia Klöckner (CDU) zur Wirtschaftsministerin. Sie erwecke den Eindruck, "dass Sie mehr Energie- denn Wirtschaftsministerin sein wollen", schilderte Klöckner. Freiwillig haben Sie bei dem Zuschnitt ihres Ministeriums auf wichtige Teilbereiche verzichtet, die ein ernst zu nehmendes Wirtschaftsressort ausmachten, so den Infrastrukturbereich. Es sei schon sehr bezeichnend, dass dieser im Jahr 2010 noch rund 1,5 Milliarden Euro umfasste, im Jahr 2012 lediglich noch 0,2 Milliarden Euro. "Es wurde also höchste Zeit, dass Sie einmal für die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz erläutern, wohin Sie wollen, weil die Kritik bei der Wirtschaft immer lauter wird an Ihrer Art Wirtschaftspolitik", sagte die CDU-Fraktionschefin an Lemke adressiert. Sie bezweifle, "dass Sie heute die Wirtschaft beruhigt haben". Die einzig große Herausforderung der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz "ist Rot-Grün". Lemke spreche sehr häufig von Nachhaltigkeit. Dies sei aber ein sehr unbestimmter Begriff. "Das reine Postulat der Nachhaltigkeit sagt noch überhaupt nichts über die Güte einer Wirtschaftspolitik aus", betonte Klöckner. Politik könne auch nachhaltig Innovationen hemmen und ausbremsen, "genau das machen Sie nachhaltig". So unterstütze Lemke die Substanzbesteuerung von Betrieben, die Rot-Grün in Berlin vorhabe. Eine gut durchdachte Wirtschaftspolitik müsse aus Sicht der CDU-Fraktion Innovation und Unternehmergeist, sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze sowie Betriebsgewinne und verlässliche Steuereinnahmen sichern. Die Wirtschaftsministerin und die Landesregierung legten ihre Schwerpunkte auf zunehmende staatliche Regulierung und Verbote, wie bei der grünen Gentechnik, der Nanotechnologie, dem Tariftreuegesetz und einer zunehmenden finanziellen Belastung der Unternehmen. Die Praxis sei allerdings etwas anderes. So wolle die Wirtschaftsministerin eine Energieagentur mit 40 neuen Mitarbeitern einrichten, "die die Unternehmen in Dingen beraten sollen, die sie selbst bereits besser können". Lemke habe zudem die Absicht, das Osteuropazentrum vom Hahn ins Wirtschaftsministerium zu verlegen. Lemke stehe hinter einem grünen Antrag für ein Nachtflugverbot am Flughafen Hahn, zählte Klöckner weiter auf. Die Ministerin sehe zu, wie eine Firma nach der anderen am Hahn das Licht ausmache. Die Regierung leistet sich schließlich eine Wirtschaftspolitik, "die Politik gegen die Wirtschaft macht". Die Ministerin nenne es einen Erfolg, wenn 150 hochqualifizierte BASF-Forscher Limburgerhof den Rücken kehren müssten. Die Wirtschaftsministerin verzögere und verhindere ferner wichtige Straßen- und Brückenbauprojekte, "die nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Pendlerinnen und Pendler in unserem Land dringend benötigen". Lemke werde mit einer Unterschriftenaktion gegen energieintensive Unternehmen aktiv, die eine EEG-Ermäßigung erhalten. An über 40 Standorten, an denen die Betriebe von der moderaten Ermäßigung profitieren, gefährde sie damit diese Standorte. "Die Liste der wirtschaftspolitischen Missverständnisse ist beliebig erweiterbar", sagte Klöckner. Politik heiße heute nicht mehr Ausübung von Herrschaft und Belehrung des Volkes von oben, "sondern Dienst an den Bürgern, Frau Ministerin", stellte sie klar. Die Konzentration auf die sogenannte grüne Wirtschaft halte ihre Fraktion für absurd. "Rot-Grün lebt von der Substanz. Dies geht leider aber auch an die Substanz unserer Unternehmerinnen und Unternehmer", schloss die CDU-Fraktionschefin.

Den Vorwurf Klöckners, die Position von Lemke zur grünen Gentechnologie habe die BASF veranlasst, Arbeitsplätze am Standort Limburgerhof abzubauen seien falsch, antwortete SPD-Fraktionschef Hendrik Hering. "Die BASF hat mehrfach erklärt, aufgrund der politischen Entscheidungen in Europa und aufgrund der Akzeptanz grüner Gentechnologie in Europa sowie der Entscheidungen der Bundesregierung habe sie den Standort verlassen, nicht wegen der Entscheidung der Landesregierung." Man stelle sich die Frage, "warum man eine so wichtige Rede mit solchen Halbwahrheiten beginnt", kritisierte Hering die CDU-Fraktionschefin. "Das ist dann der Fall, wenn einem die Substanz fehlt, in der Sache Wesentliches zum Ausdruck zu bringen", glaubt Hering. Klöckner habe zur Bundespolitik, Steuerpolitik und Bildungspolitik gesprochen und eine Reihe Vorwürfe gemacht. "Sie haben aber nicht einmal im Ansatz über eine Konzeption der CDU zur Landeswirtschaftspolitik gesprochen", merkte Hering an. Frau Lemke habe in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht, dass die rot-grüne Koalition in Rheinland-Pfalz für eine Wirtschaftspolitik stehe, "die die richtigen Antworten auf die Herausforderung der Gegenwart und Zukunft gibt". Diese Wirtschaftspolitik stehe hinter den Unternehmen in Rheinland-Pfalz, "damit diese den Herausforderungen gerecht werden können". Die rot-grüne Wirtschaftspolitik setze besondere Schwerpunkte auf ökologische Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaverträglichkeit, "ohne dabei andere Forderungen zu vernachlässigen". Den Wohlstand und die mit ihm verbundene Lebensqualität zu sichern und allen Menschen in Rheinland-Pfalz gerecht zugutekommen zu lassen, sei Kern rheinland-pfälzischer Wirtschaftspolitik. Die Unternehmen und die Beschäftigung hätten sich in Rheinland-Pfalz besser entwickelt als im Durchschnitt der anderen Bundesländer. Die Wirtschaft sei auch im Jahr 2012 stärker gewachsen als in anderen Bundesländern. Rheinland-Pfalz habe seit Jahren die drittniedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland, noch nie seien so viele Menschen in Rheinland-Pfalz sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen wie heute. Natürlich sei Rheinland-Pfalz stolz auf die Großunternehmen in Ludwigshafen, in Ingelheim und in Wörth. Ganz wichtig sei jedoch "der innovative Mittelstand". Viele mittelständischen Unternehmen seien auf internationalen Märkten erfolgreich und in ihren Branchen zum Teil Weltmarktführer. 250 000 Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer fänden dort einen Arbeitsplatz und erwirtschafteten einen Umsatz von über 25 Milliarden Euro pro Jahr, "das sind über 30 Prozent der Bruttowertschöpfung". Es gehöre beim Thema Straßenbau zur Redlichkeit zu beachten, wie es bisher bei der Finanzierung des Bundesverkehrswegeplans aussah. Der jüngste Bundesverkehrswegeplan, in dem die Anzahl der Maßnahmen bereits deutlich reduziert gewesen sei, beinhaltete für Rheinland-Pfalz 160 Vorhaben. "Umgesetzt wurden gerade einmal 40 Maßnahmen." Nun würden 80 Maßnahmen mit einem Volumen von über drei Milliarden Euro angemeldet. "Selbst, wenn der Bundeshaushalt pro Jahr eine Milliarde Euro mehr pro Jahr für Straßen ausweisen würde, könnte das Programm nicht in Gänze umgesetzt werden", schilderte Hering. Weil die Frachtverkehre dramatisch wüchsen, würden zusätzliche Schienen und Wasserstraßen gebraucht. Neben Straßenbaumaßnahmen werde die Landesregierung daher auch Maßnahmen anmelden, um die Schiene und die Wasserstraßen auszubauen. "Das ist verantwortliche, ehrliche Politik."

Es erfülle ihn ein Stück weit mit Stolz, nicht nur die erste Regierungserklärung einer grünen Ministerin in Rheinland-Pfalz, sondern "tatsächlich die erste wirtschaftspolitische Regierungserklärung einer grünen Ministerin bundesweit" gehört zu haben, sagte Daniel Köbler (Bündnis 90/Die Grünen). Es sei eine gute Gelegenheit, nach zwei Jahren in dieser Verantwortung zu schauen, wie die Bilanz aussehe. Rheinland-Pfalz "war, ist und bleibt ein attraktiver Wirtschaftsstandort", bilanzierte der Grünen-Fraktionschef. "Wir haben nach wie vor eine gute Mischung aus flexiblen und dynamischen kleinen und mittleren Unternehmen, wir haben einen starken Mittelstand und wir haben weltweit erfolgreich wirtschaftende Konzerne", zählte er auf. RheinlandPfalz sei im Wachstum besser als der Bundesschnitt. "Wir haben bundesweit nach wie vor die beste Infrastruktur eines Flächenlandes." Klöckners Rede habe kein wirtschaftspolitisches Konzept geboten. Rheinland-Pfalz sei auch in der Vergangenheit immer auf die zentralen Herausforderungen der Zeit und der Zukunft eingegangen und habe sie gemeistert. Dazu gehöre, dass sich die rot-grüne Koalition im Bereich der Wirtschaftspolitik auf den sozial-ökologischen Wandel begeben habe. "Die Wirtschaft kann nur langfristig erfolgreich sein, wenn sie die Situation der Menschen in unserem Land tatsächlich verbessert und unsere natürliche Lebensgrundlage hierbei nicht zerstört", betonte Köbler. Wachstum sei notwendig, "aber kein rein quantitatives Wachstum, das den Ressourcenverbrauch außen vor lässt, sondern ein qualitatives Wachstum, das Ressourceneffizienz gewährleistet und sozialinklusiv aufgestellt ist". Die nachhaltige Effizienzsteigerung von Energie- und Rohstoffnutzung habe erste Priorität. "Deswegen setzen wir auf ein nachhaltiges Wachstum und deswegen geht die rheinland-pfälzische Wirtschaftspolitik genau in diese Schnittstelle von Umwelt und Wirtschaft und löst den alten Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie auf", erläuterte Köbler. Die Boston Consulting Group habe im Auftrag des BDI errechnet, dass in Deutschland im Bereich der Effizienzsteigerung von Produkten im Bereich erneuerbare Energien sowie im Bereich der Gebäudeeffizienz Umsatzchancen bis 2020 von 60 Milliarden Euro lägen. Im Bereich der Umweltwirtschaft gehe es mittlerweile um ein Umsatzvolumen von 4,6 Milliarden Euro. "Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht nur eine ökologische Herausforderung, sondern auch ein unglaubliches Potenzial für wirtschaftliche Dynamik und Arbeitsplätze", schilderte der Fraktionschef.

Fortsetzung nächste Woche
LAD/STE/SCH

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 31/2013, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2013