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SCHLESWIG-HOLSTEIN/1980: Tariftreue - gerecht oder ideologisch? (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 05 - Mai 2013

Aus dem Plenum
Tariftreue: gerecht oder ideologisch?



Was die einen als Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit feiern, ist für die anderen bürokratischer Murks. Bevor die Nord-Ampel ihr Tariftreue- und Vergabegesetz durch den Landtag brachte, musste sie sich heftige Kritik von Union, Liberalen und Piraten anhören. CDU und FDP haben zudem angekündigt, eine Normenkontrollklage vor dem Landesverfassungsgericht prüfen zu wollen. Ihrer Auffassung nach verstößt das Gesetz möglicherweise gegen die Landesverfassung und das Europarecht.


Worum geht es? Wer sich um Aufträge des Landes, der Kommunen oder von öffentlichen Unternehmen bewirbt, muss seine Mitarbeiter künftig nach einem allgemeingültigen Tarifvertrag entlohnen. Gibt es eine solche Vereinbarung nicht, wird ein Mindestlohn von 9,18 Euro pro Stunde fällig. Das Gesetz bezieht sich besonders auf die Bereiche Bau, Transport, Dienstleistungen und Nahverkehr. Die Regelung gilt ab August.

Die Oppositionsfraktionen warnten vor allem vor überbordenden bürokratischen Vorgaben für die heimische Wirtschaft. Insbesondere die ökologischen und sozialen Auflagen, etwa zur Frauenförderung, seien für kleine Unternehmen schlicht nicht zu erfüllen. Das Gesetz strotze nur so vor "pseudolinker Ideologie und Gutmenschentum" und sei "von einem tiefen Misstrauen gegenüber allen mittelständischen Betrieben" geprägt, schimpfte CDU-Fraktionschef Johannes Callsen. Verstößt eine Firma gegen die Vorgaben, droht ein Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen für drei Jahre. Andreas Tietze (Grüne) erwiderte, durch das Gesetz werde eine Gerechtigkeitslücke geschlossen: "Flächendeckendes Lohndumping" und Billiglöhne werde es bei öffentlichen Aufträgen nicht mehr geben.

Heftige Kritik musste die Koalition auch dafür einstecken, dass sie im Zuge der Ausschussberatungen auch die Kommunen in das Gesetz aufgenommen hatte. Im ursprünglichen Entwurf sollten die Regelungen nur für Aufträge des Landes gelten.

Die Opposition hatte deswegen vergeblich gefordert, die Abstimmung zu verschieben und die Betroffenen noch einmal im Ausschuss anzuhören. Es bleibe völlig im Dunkeln, wer den Kommunen die Extra-Kosten ersetze, hieß es bei der Opposition. Das Gesetz ist vom Grundansatz her richtig, sagte Patrick Breyer (Piraten): "Doch wie sollen sich die Kommunen daran halten, wenn die Frage der Kosten nicht geregelt ist?" Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) kündigte an, über eine schlanke Umsetzung des Gesetzes mit Wirtschaft und Kommunen zu sprechen. Wie sich das Gesetz bewährt, soll in drei Jahren überprüft werden.

Änderungsvorschläge der Piraten sowie die Forderung der CDU, die Kommunen anzuhören und später eine Dritte Lesung vorzunehmen, lehnten SPD, Grüne und SSW ab.

Ein Antrag der Koalitionsfraktionen, der bessere Kontrollen zur Einhaltung der EU-Entsenderichtlinie sowie die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns fordert, wurde an den Europaausschuss sowie mitberatend an den Wirtschaftsausschuss überwiesen.

(Drucksachen 18/187, /720, /775, /779)

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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 05 im Mai 2013, S. 7-8
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2013