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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2163: Was war los im "Friesenhof"? (Der Landtag)


Der Landtag - Nr. 01 / April 2017
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Bilanz
Was war los im "Friesenhof"?


Regierungslager und Opposition bewerten die Vorfälle in den "Friesenhof"-Mädchenheimen weiterhin unterschiedlich. Das wurde in der März-Tagung deutlich, als der Landtag über den Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zu diesem Thema debattierte.


Der Hintergrund: Im Sommer 2015 berichtet die Presse über die Zustände in den mittlerweile geschlossenen Einrichtungen in Dithmarschen. Demnach seien die Einwohnerinnen mit Nacktkontrollen, Essensentzug, Fixierungen, Isolierungen und Ausgangssperren drangsaliert worden. Die Opposition wirft der zuständigen Ministerin Kristin Alheit (SPD) und der Heimaufsicht des Sozialministeriums vor, zu spät und nur unzureichend reagiert zu haben. Mit Blick auf die Vorwürfe stockt das Ministerium die Heimaufsicht von vier auf zwölf Stellen auf und richtet eine Ombudsstelle als Anlaufpunkt für Beschwerden ein.

Der Ausschuss: Der Landtag setzt im September 2015 auf Initiative von CDU, FDP und Piraten den PUA ein. Der Untersuchungsausschuss tagt 62 Mal. Dabei werden 36 Zeugen und drei Betroffene gehört, darunter auch ehemalige Heimbewohnerinnen. Die Ausschussmitglieder werten zudem 220 Akten mit insgesamt mehr als 40.000 Seiten aus.

Der Bericht: Nun liegt der 1.200 Seiten starke Abschlussbericht des Ausschusses vor. Aus der "verantwortungsvollen und teilweise minutiösen Aufarbeitung", so die Ausschussvorsitzende Barbara Ostmeier (CDU), ergebe sich eine Reihe von Anregungen. Beispielsweise müssten die Jugendämter besonders auf Jugendliche aus anderen Bundesländern aufpassen und dürften den Kontakt zu den "entsendenden" Behörden nicht abreißen lassen. Die Ämter müssten auch "genau hingucken", ob und wo die Jugendlichen zur Schule gehen.

Die Koalition: SPD, Grüne und SSW sehen die Vorwürfe gegen Sozialministerin Alheit und die Heimaufsicht als widerlegt an. Die Heimaufsicht habe "engagiert und rechtmäßig" gehandelt, bemerkt die SPD-Abgeordnete Beate Raudies. An den Vorwürfen, die Ministeriumsspitze habe schon vor Ende Mai 2015 von der Situation gewusst, sei "nichts, aber auch gar nichts dran". Flemming Meyer (SSW) wirft der Opposition "mediale Vorverurteilungen, Schnellschüsse und Verunglimpfungen" vor.

Den "Friesenhof" bezeichnet die Koalition als "sehr restriktive" Einrichtung. Strafsport und "14 Tage lang Grünkohl" habe sie in einem schleswig-holsteinischen Heim "nicht für möglich gehalten", bekennt Marret Bohn (Grüne). Die konfrontative Pädagogik stellt aber nach Auffassung der Koalitionsfraktionen keine generelle Kindeswohlgefährdung dar. "Trotz der umfänglichen Beweisaufnahme" sei die Lebenssituation der Mädchen und jungen Frauen "insgesamt recht diffus geblieben", heißt es im Abschlussbericht.

Die Opposition: Zu anderen Bewertungen kommen CDU, FDP und Piraten. "Leider hat das Ministerium im Fall 'Friesenhof' zu zaghaft und zögerlich gehandelt", findet Katja Rathje-Hoffmann (CDU). Nach Ansicht von FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki gibt es zwar keine Anhaltspunkte, dass Alheit und ihre Staatssekretärin Anette Langner vor Ende Mai 2015 Kenntnis von den Vorfällen hatten. Eine frühere Information wäre aber "geboten gewesen". Diese sei jedoch "unterblieben, weil die Meldekette im Ministerium mehrfach versagt hat". Wolfgang Dudda (Piraten) macht eine "Kultur des Wegschauens" aus. Die Heimaufsicht hätte "früher und konsequenter" handeln müssen.

Auch beim Thema Kindeswohl kommt die Opposition zu anderen Schlüssen. Nacktkontrollen und Essensentzug seien sehr wohl als Kindeswohlgefährdung zu bewerten, unterstreicht Rathje-Hoffmann. Die Koalitionäre würden das Leid der Mädchen herunterspielen, "nur um den politischen Schaden zu minimieren".

Der "Runde Tisch": Neben dem PUA tagt im vergangenen Jahr auch ein "Runder Tisch Heimerziehung" - insgesamt sechs Mal. Qualitätsdialoge, Ausbau des Beschwerdemanagements, Strategien gegen den Fachkräftemangel und ein besserer Umgang mit schwierigen Kindern - das sind einige der Empfehlungen. Der Sozialausschuss lädt rund 100 Vertreter aus Politik, Verwaltung, Familiengerichten und Jugendpflege ein. Ein weiteres Ergebnis: Die Zustände im "Friesenhof" seien untypisch für die Gesamtsituation im Lande.

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 01 / April 2017, S. 12
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2017

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