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INNEN/2557: Rede von Ralf Stegner beim außerordentlichen SPD-Bundesparteitag am 26.1.2014 in Berlin


SPD-Pressemitteilung vom 26. Januar 2014

Rede des stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Ralf Stegner beim außerordentlichen SPD-Bundesparteitag am 26. Januar 2014 in Berlin



Der Vorschlag von Sigmar Gabriel und die Nominierung des Parteivorstandes für das Amt eines stellvertretenden Vorsitzenden der SPD ist eine große Aufgabe und Herausforderung. Es ist auch eine große Ehre, für ein solches Amt zu kandidieren. Ich gebe zu, ich bin ein bisschen aufgeregt nach der kurzen Rede von Martin Schulz. Es ist auch nicht so ganz leicht, hier nach einer so fulminanten Rede zu sprechen. Ich will es also kurz machen.

Ich bin 54, männlich, seit 32 Jahren in der SPD, seit 27 Jahren verheiratet, ich habe drei erwachsene Söhne und bin von Rheinland-Pfalz, wo ich geboren bin, nach Schleswig-Holstein gekommen. Dort bin ich Vorsitzender des Landesverbandes, der sich seit Jochen Steffen links, dickschädelig und frei nennt - das gilt auch für mich.

Ich will drei kurze Ziele nennen und ein paar wenige persönliche Anmerkungen machen.

Erstens glaube ich, wir sind durch ein enormes Vertrauensvotum unserer Mitglieder und mit einer phantastischen Beteiligung ausgestattet worden, um in dieser Bundesregierung etwas Gutes zu bewirken. Da ist deutlich mehr SPD drin als 25 Prozent. Die Mitglieder erwarten von uns, dass wir das auch abliefern, dass wir das schaffen, dass der Mindestlohn kommt, dass wir all die Verbesserungen bei Rente, bei Bildung, bei Kommunen, bei Pflege vornehmen. Ich finde, wir haben das alle miteinander gut verhandelt, und wir haben auch das Versprechen eingelöst, keinen Koalitionsvertrag einzugehen, der gegen das Selbstverständnis der SPD geht.

Das ist die erste Säule dessen, was wir tun müssen. Ich füge hinzu: Die Regierung ist gut gestartet. Allerdings kann man zu dem, was die CSU zur Flüchtlingspolitik gesagt hat, nur klar sagen: Rechtspopulismus kann niemals Politik einer Regierung werden, an der die SPD beteiligt ist.

Wie überhaupt wir uns hüten müssen, den Eindruck zu erwecken, dass wir zurückweichen, weil wir Angst vor bestimmten Themen hätten. Ich finde, Martin hat vieles dazu gesagt, dass in Europa gelten muss, dass Menschen, die zu uns kommen, so behandelt werden, wie Artikel 1 unseres Grundgesetzes dies verlangt. Die Würde des Menschen ist unantastbar - das muss für jeden überall und immer gelten, und für unsere Politik allemal.

Zweitens. Als Realisten wissen wir natürlich, dass das, was wir mit der Union jetzt machen, keine Liebesheirat ist, sondern eine Lebensabschnittspartnerschaft, die 2017 enden soll, und zwar damit, dass wir wieder die Regierung führen.

Das, glaube ich, wird nur gehen, wenn wir uns selbstbewusst als Partei darstellen und natürlich die Dinge bearbeiten, die offen bleiben. Auf Dauer kann es nicht so sein, dass die Einkommens- und Vermögensverteilung und die Steuern so bleiben, wie sie sind. Das werden wir ändern müssen.

Auf Dauer haben die Menschen andere Ansprüchen an eine moderne Gesellschaft, an ihre Lebensentwürfe in Familien, in Beziehungen, in der Arbeitswelt. Dem wollen wir gerecht werden, da wollen wir mehr als das, was jetzt schon zu schaffen ist.

Auf Dauer wollen wir auch mehr Liberalität, und zwar echte Liberalität, Integration und Inklusion von all denen, die in unserer Gesellschaft nach wie vor diskriminiert und ausgegrenzt werden. Da steht die SPD für eine andere Politik, die wir noch durchzusetzen haben.

Deshalb denken wir über den Tellerrand von Koalitionen hinaus. Und deshalb sind wir nicht Juniorpartner - schon gar nicht braver Juniorpartner - in der Regierung, sondern sind wir politisches Gegengewicht mit dem Ziel, die nächste Regierung wieder selbst zu führen.

Das tun wir, indem wir deutlich machen: Für die SPD ist Gerechtigkeit Maßstab und Kompass unserer Politik. Daran werden wir gemessen. Andere Parteien werden an anderen Dingen gemessen, wir werden daran gemessen.

In dem Zusammenhang, wenn die jetzt über Rente reden, muss man einmal sagen: Rente ist keine Sozialleistung nach Kassenlage. Rente ist Ertrag von Lebensleistung, ist Solidarität, Genossinnen und Genossen. Dafür haben wir einzustehen. Und mit guter Arbeit wird das auch finanzierbar.

Die dritte Säule, um die man sich kümmern muss, ist: Wir brauchen realistische Perspektiven, um künftig Regierungsmehrheiten links von der Union nutzen zu können. Die gibt es im Augenblick nicht. Bei der Bundestagswahl hatten die eine andere Mehrheit. Deswegen muss ich sagen - ich erinnere an das, was wir in Leipzig beschlossen haben: Leidenschaft gilt immer nur meiner eigenen Partei. Alle anderen Parteien sollten wir sehr nüchtern betrachten. Aber wir sollten uns in die Situation bringen, dass wir Mehrheiten dann auch nutzen können.

Das heißt in erster Linie, die Verhältnisse zu den Grünen immer gut zu halten, auch wenn die jetzt in Hessen schwarz-grün machen. Ich finde, Thorsten Schäfer-Gümbel hat damals eine tolle Arbeit gemacht. Das will ich an der Stelle einmal ausdrücklich sagen.

Es ist schade, dass wir dort in der Opposition sind.

Also gute Kontakte zu den Grünen!

Zweitens. Die Linkspartei muss mal herausgefordert werden. Das heißt, dass die sich ändern müssen, in Europa nicht rechts auftreten dürfen und eine vernünftige Außen- und Europapolitik, Steuer- und Finanzpolitik machen müssen. Aber wir sollten nicht sagen "Spielt nicht mit den Schmuddelkindern". Wir sollten sie nur an den Inhalten messen und dann Mehrheiten, wenn man sie nutzen kann, auch nutzen.

Drittens. Das gilt auch für die FDP. Die ist momentan komplett weit von uns entfernt. Die muss sich entscheiden, ob sie Egoistenpartei bleiben will oder das Wort "Gerechtigkeit" wieder buchstabieren kann. Wenn sie Letzteres tun, kann man auch mit denen wieder reden.

Aber wir sollten bestimmen - wir wollen eine größere Partei werden -, mit wem wir zusammen umgehen, um auch Machtperspektiven für uns zu entwickeln. Das wird nur gehen, wenn die SPD selbstbewusst auftritt.

Deswegen ein paar wenige Bemerkungen zu mir zum Schluss.

Ich habe in den vergangenen Jahren versucht, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass die Parteilinke sich nicht als innerparteiliche Opposition versteht, sondern dass wir die Inhalte der SPD wesentlich mitgestalten. Meine Loyalität gilt immer und zuerst der linken Volkspartei SPD und ihren Zielen und weniger vermeintlichen Strömungsinteressen. Wir haben ein tolles Regierungsprogramm. Da ist viel SPD drin. Das ist ein echt sozialdemokratisches Programm!

Ich bin ein Freund von Klartext und schätze eher ein Profil mit Ecken und Kanten. Ich weiß, dass das nicht jedem gefällt.

Aber ich bin auch dafür, dass wir das mit der Solidarität nicht als etwas betrachten, was wir als Grundwert in der Vitrine haben und ab und zu für die Sonntagsreden abstauben, sondern das ist für den innerparteilichen Gebrauch nötig, und zwar im Alltag.

Das heißt für mich: Die offensive Spielweise gehört immer dem Gegner. Ich bin ein alter Fußballer. Man schießt nur auf das gegnerische Tor. Aber man braucht einen linken und einen rechten Flügel, man braucht Mittelstürmer. Man braucht auch solche, die angreifen und Tore schießen.

Hier kandidiert jemand als Stellvertreter, dessen Politikverständnis darin besteht, Politik mit Leidenschaft und Verstand zu machen und beides zusammenzubringen. Und mit großem Temperament. Damit, dass die anderen mich nicht so gut leiden können, kann ich gut leben. Ich bitte aber sehr darum, dass das in der eigenen Partei nicht auch so ist.

Deswegen werbe ich herzlich um eure Stimme, um euer Vertrauen und versuche, mit den anderen Sigmar dabei zu unterstützen, dass wir eine gute und erfolgreiche Politik machen und das nächste Mal die Regierung wieder selbst führen.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 026/14 vom 26. Januar 2014
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2014