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AFRIKA/1111: Simbabwe - Düstere Aussichten für demokratische Reformen (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2012

Düstere Aussichten für demokratische Reformen
Mit Mugabe kaum Aussichten auf Veränderung

von Christian von Soest und Maxi Domke



Auf ihrem Parteitag vom 6.-10. Dezember 2011 bestätigte Simbabwes Regierungspartei Zanu-PF Robert Mugabe, der das Land seit 31 Jahren regiert, als Spitzenkandidaten für die kommenden Präsidentschaftswahlen. Wirksamen Druck auf rasche Veränderung könnte allein die Regionalgemeinschaft SADC ausüben.


Unter dem Druck von Simbabwes Nachbarn und der Regionalorganisation Southern African Development Community (SADC) einigten sich im September 2009 die langjährige Regierungspartei Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (Zanu-PF) und die Oppositionsbewegung Movement for Democratic Change (MDC) auf eine gemeinsame Regierungsvereinbarung, das "Global Political Agreement" (GPA).

In der Folge hat die neue Einheitsregierung die Wirtschaft und das öffentliche Leben in Simbabwe so weit stabilisiert, dass sich der Alltag vieler Simbabwer normalisiert hat. Mit der Einführung des US-Dollars als Zahlungsmittel ging die millionenfache Inflation auf einen einstelligen Wert zurück; Geschäfte mit Waren für den alltäglichen Bedarf sowie Schulen und Krankenhäuser öffneten wieder. Finanzminister Tendai Biti (MDC-T) prognostiziert für 2011 ein Wirtschaftswachstum von 9,3 Prozent.


Weitgehender politischer Stillstand

Während die Einheitsregierung die wirtschaftliche Krise - die dramatische Inflation, massive Neuverschuldung und Versorgungsengpässe - zumindest stoppen konnte, sind die politischen Reformen kaum vorangekommen. Mugabe kann noch immer auf die Loyalität großer Teile der Bevölkerung zählen und hält sich durch Kooptation wichtiger Persönlichkeiten, vor allem aber durch Repression an der Macht. Er zehrt bis heute von seinem Nimbus als Held des Befreiungskampfs, der Simbabwe im Jahr 1980 von der weißen Minderheitsherrschaft befreite und in die Unabhängigkeit führte. Geschickt versteht er es, seine Partei Zanu-PF mit dem Staat gleichzusetzen und die beiden MDC-Gruppierungen(1) als Vertreter westlicher Interessen zu brandmarken. Die Möglichkeit, Freunde und Gegner durch Posten oder andere Wohltaten zu belohnen, ist durch die selbstverursachte Wirtschaftskrise stark zurückgegangen, zudem kontrolliert die vormalige Opposition durch Finanzminister Biti heute weitgehend die Finanz- und Wirtschaftspolitik Simbabwes. Jedoch bieten die kaum kontrollierten Einnahmen aus dem Diamantenabbau in den Marange-Feldern offensichtlich neue Möglichkeiten, die politische Elite mit Pfründen zu versorgen. Zwar können heute in Simbabwe Menschenrechte und Meinungsfreiheit - auch öffentlich - eingefordert werden, der staatliche Schutz ist jedoch begrenzt.

Ein Minister der MDC-T, der 2011 selbst für kurze Zeit inhaftiert war, stellte in einem Interview fest: "Es gibt die Freiheit, die eigene Meinung zu äußern, aber keine Freiheit mehr nach Äußerung der eigenen Meinung." Kritische Stimmen müssen noch immer Repressionen durch die Sicherheitskräfte fürchten. Vor allem in ländlichen Gebieten nehmen gewaltsame Übergriffe von Unterstützern von Zanu-PF und staatlichen Stellen gegen Anhänger der beiden MDC-Gruppierungen zu.

Die "Regierung der Nationalen Einheit" hat wesentliche der im GPA vereinbarten politischen Ziele verfehlt, ist tief gespalten und von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Die Blockade der Regierung verschleppt die Umsetzung des im September 2008 unterzeichneten GPA - entlang des Fahrplans sollte innerhalb von zwei Jahren ein demokratisches System in Simbabwe etabliert werden.


Stockende Verfassungsreform

Ungeachtet der Vorgaben im GPA, das eine neue Verfassung als zwingende Voraussetzung für Neuwahlen festsetzt, fordert Präsident Mugabe Wahlen schon in den ersten Monaten des Jahres 2012. Doch für die MDC und Simbabwes Nachbarn gilt: ohne neue Verfassung keine Wahlen.

Zur Ausarbeitung und Abstimmung der neuen Verfassung setzte die Regierung im April 2009 das Constitution Select Committee (COPAC) ein. Es setzt sich aus 25 Parlamentsmitgliedern aller drei Parteien zusammen. Insgesamt müssen 17 Themenschwerpunkte bearbeitet und anschließend der simbabwischen Bevölkerung und dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden.

Am brisantesten ist die Reform des Sicherheitsapparats - aufgrund der Einmischung von Polizei, Militär und Geheimdiensten in die politischen Auseinandersetzungen eine zentrale Forderung der MDC. Noch immer sitzen die Sicherheitschefs im mächtigen Joint Operations Command zusammen, das längst aufgelöst sein sollte. Die zweite entscheidende Frage ist, welche Regelungen die Verfassung zu den äußerst umstrittenen Landfragen trifft.

Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Parteien sowie mangelnde personelle Ausstattung und finanzielle Mittel verzögern die Arbeit des COPAC. Zudem kritisieren Beobachter in Simbabwe, die Kommission bestehe nur aus Berufspolitikern und nicht aus unabhängigen Fachleuten und besitze damit keine Legitimität.

Da ein Referendum selbst nach diesem ambitionierten Zeitplan erst für Ende Mai 2012 vorgesehen ist, könnten Wahlen im Falle einer positiven Abstimmung frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2012 stattfinden. Dies muss als Rückschlag für Mugabe und seine Partei gewertet werden, die schon lange auf möglichst frühe Wahlen drängen, um die erzwungene Einheitsregierung mit der verhassten Opposition zu beenden. Erst im Dezember 2011 bezeichnete er auf dem Zanu-PF-Parteitag die gemeinsame Regierung als ein "Monster", das "beerdigt" werden müsse.


Ungeklärte Nachfolge

Im personalisierten politischen System Simbabwes ist die Stabilität des ganzen Landes eng mit dem Gesundheitszustand des mittlerweile 87-jährigen Mugabe verknüpft.

Der Gesundheitszustand eines Präsidenten wäre für sich noch kein Sicherheitsrisiko; problematisch ist jedoch, dass die Regierungspartei Zanu-PF beziehungsweise Mugabe selbst keine klare Nachfolgeregelung getroffen haben. Einzelne Gruppierungen in der Partei sind rein personenbezogen und instabil. Somit droht ein Machtvakuum oder die Machtübernahme des Militärs, sollte Mugabe sterben oder amtsunfähig werden. Laut Verfassung würde in diesem Fall für 90 Tage der Vizepräsident oder die Vizepräsidentin das Amt ausfüllen, bevor es Neuwahlen gibt. Die entscheidenden Verfassungsregelungen sind jedoch widersprüchlich.

Gegenwärtig sind John Nkomo und Joice Mujuru die Vizepräsidenten. Mujuru gilt als eine der Favoriten für die Nachfolge Mugabes. Ihre tatsächliche politische Einstellung ist schwer einzuschätzen, da die Führungsmitglieder der Zanu-PF öffentlich kaum von der offiziellen Parteilinie abweichen. Jedoch gilt sie den meisten Beobachtern als moderate Vertreterin ihrer Partei. Sie baute ihre politische Karriere auf dem Einfluss ihres Ehemanns, General Solomon Mujuru, auf. Als einer der prominentesten Unabhängigkeitskämpfer Simbabwes, ehemaliger Armeechef und respektiertes Mitglied des Politbüros verfügte er über eine zentrale Position in der Zanu-PF. Der jüngste Parteitag deutete darauf hin, dass sein mysteriöser Tod im August 2011 die Machtbalance innerhalb der Partei zugunsten der "Sekurokraten" verschoben und Joice Mujurus Lager geschwächt hat. (vgl. H. Orbon, "Tod eines Königsmachers", in afrika süd Nr. 5, 2011)

Verteidigungsminister Emmerson Mnangagwa wiederum gilt als starker Mann der Hardliner. Sein tatsächlicher Stellenwert in der Partei ist aber nur schwer zu beurteilen: Auf dem Zanu-PF-Kongress im Dezember 2009‍ ‍erlitt er eine herbe Niederlage, als er versuchte, die Wahl von Joice Mujuru als Vizepräsidentin zu verhindern. Zudem scheint Mnangagwa auch unter den Sekurokraten aus Polizei, Militär und Geheimdiensten keineswegs unangefochten.

Einig sind sich die Vertreter der Sicherheitskräfte - zumindest nach außen - in der Ablehnung der MDC: Brigadegeneral Douglas Nyikayaramba hatte Ministerpräsident Tsvangirai als nationale "Sicherheitsbedrohung" bezeichnet und verkündet, dass das Militär niemanden als Präsidenten anerkennen würde, der nicht am Unabhängigkeitskampf teilgenommen hat. Noch immer wirkt die Zanu-PF von außen relativ geschlossen. Die Hülle der Einigkeit brach jedoch im September 2011 auf, als WikiLeaks vertrauliche Berichte der amerikanischen Botschaft in Harare über Unterredungen mit hohen Zanu-PF-Politikern veröffentlichte. Bereits vor 2008 hatten demnach hohe Zanu-PF-Politiker, die eigentlich zu Mugabes Gefolgsleuten zählen, erklärt, dass es Zeit für Mugabe sei abzutreten. Darunter waren offensichtlich auch Verteidigungsminister Mnangagwa, Vizepräsidentin Joice Mujuru und der einflussreiche Mugabe-Berater Jonathan Moyo. Zudem wurde über die Gründung einer eigenen Partei spekuliert. Prominente Parteivertreter denken folglich intern über Post-Mugabe-Szenarien nach.

Es bleibt jedoch völlig offen, wer dem Big Man Mugabe nachfolgen könnte und wie sich die Kräfteverhältnisse in Simbabwes Regierungspartei entwickeln werden. Mangels Alternativen wurde Mugabe auf dem Parteitag in Bulawayo erneut auf den Schild gehoben. Allerdings kann hier eine Fehlkalkulation vorliegen: Mugabe mag zwar noch immer von seinem Nimbus als Befreiungskämpfer zehren, doch sind heute über 60 Prozent der Simbabwer erst nach der Unabhängigkeit 1980 geboren. Sie interessieren sich weniger für die Verdienste der alten Garde als für ihre gegenwärtige wirtschaftliche und soziale Lage. Die antiimperiale Rhetorik Mugabes verfängt bei ihnen vermutlich kaum mehr. Mugabe wäre damit ein schwächeres Zugpferd für die Wahlen als gedacht.


Gemischte Signale der SADC

Die Regionalorganisation SADC und Simbabwes Nachbarn zwangen als treibende Kräfte MDC und Zanu-PF in eine Einheitsregierung. Anders als erhofft ist Simbabwe damit aber keineswegs von der regionalen Agenda verschwunden, sondern stetiges Krisenthema geblieben. Deutlich zeichnet sich ein Wandel im Umgang mit der Krise im Nachbarland ab: Bisher gab es nur vereinzelte Stimmen, zum Beispiel von Präsident Ian Khama aus Botswana und dem damaligen Präsidenten Sambias, Levy Mwanawasa, die Mugabes Regierung bereits 2008 öffentlich kritisierten. Diese Zurückhaltung ist nunmehr deutlich vernehmbarer Ungeduld der Nachbarn gewichen. Außerdem hat die Krise direkte Auswirkungen auf die Nachbarländer: Schätzungsweise vier Millionen Simbabwer haben ihr Heimatland verlassen, größtenteils in Richtung Südafrika.

Am 31. März 2011 kritisierte das SADC Organ on Politics, Defence and Security Cooperation erstmals umfassend die Blockadehaltung der Zanu-PF und forderte deutliche Fortschritte bei der Implementierung des GPA. Als konkrete Schritte nannte das Livingstone Communiqué die Erstellung der Verfassung, die Reform des Sicherheitssektors sowie die sofortige Beendigung aufflammender politischer Gewalt. Auf den Gipfeltreffen in Sandton/Südafrika (Juni 2011) und in Angola (August 2011)‍ ‍bestätigen die SADC-Regierungschefs diese Haltung. Selbst die traditionellen Fürsprecher Mugabes, Angola und Namibia, halten sich mit öffentlicher Unterstützung zurück.

Südafrikas Staatschef Jacob Zuma nimmt als SADC-Vermittler in der Simbabwe-Krise eine zentrale Rolle ein. Er hat mit der von seinem Vorgänger Mbeki verfolgten "stillen Diplomatie" zur Lösung des Konflikts gebrochen, äußert deutliche Kritik am Kollegen und schickt regelmäßig ein dreiköpfiges Vermittlerteam, das von seiner außenpolitischen Beraterin Lindiwe Zulu geführt wird, in Simbabwes Hauptstadt Harare. Zulu wurde vom Propagandachef der Zanu-PF, Jonathan Moyo, denn auch bereits als "Feind" der Partei bezeichnet. Wiederholt griff Mugabe auch Präsident Zuma an und kritisierte seine mangelnde Kompetenz und fehlende Neutralität.

Die SADC-Regierungschefs bestätigten jedoch Zuma als Vermittler. Zudem sollte ein zusätzliches Team entsandt werden, dass das Joint Monitoring and Implementation Committee (JOMIC) in Simbabwe bei der Implementierung des GPA unterstützen soll. Den Worten sind jedoch keine Taten gefolgt, bislang wurden keine SADC-Berater für das JOMIC abgestellt. Überraschend offerierte hingegen der Generalsekretär von Südafrikas Regierungspartei ANC, Gwede Mantashe, Wahlhilfe für Mugabes Partei: "Wir sind bereit zu helfen: mit Wahlslogans und -strategien, die [Euch] den Sieg sichern", erklärte er in seiner Rede auf dem Parteitag. Das Engagement der Nachbarn in Simbabwes Krise wirkt noch immer halbherzig.


Unwirksame Sanktionen

Die internationale Gemeinschaft hat nur eingeschränkte Möglichkeiten, auf die Politik in Simbabwe einzuwirken. Zielgerichte Sanktionen haben bislang nicht zu einer Verhaltensänderung von Präsident Mugabe und seiner Zanu-PF geführt, im Gegenteil. Seit 2003 (USA) und 2004 (EU) halten die Vereinigten Staaten und die EU Konten von bis zu 230 Führungsmitgliedern der Partei gesperrt und verwehren ihnen die Einreise. Mit einigen staatlichen, von Zanu-PF-Gefolgsleuten kontrollierten Unternehmen ist geschäftlicher Austausch untersagt. Waffenexporte waren schon zuvor verboten worden.

Zumindest implizit umfassen diese Sanktionen jedoch auch die Tatsache, dass westliche Geber sowie Weltbank und IWF dem hochverschuldeten Land keine direkten Entwicklungsgelder mehr zahlen. Die internationale Gemeinschaft leistet lediglich humanitäre Hilfe, um die simbabwische Bevölkerung zu unterstützen. Für das Jahr 2011 sind insgesamt 154,3 Mio. EUR Unterstützung zugesagt worden, davon der weitaus größte Teil für Nahrungsmittel. Ungefähr 26 Prozent der Summe kommen von den USA, 13‍ ‍Prozent von der Europäischen Kommission und drei Prozent von Deutschland. Schließlich wurde ein Multi Donor Trust Fund eingerichtet, der seit März 2011 von der Afrikanischen Entwicklungsbank geführt wird; bis Ende August 2011 wurden nach Angaben der Entwicklungsbank ungefähr 45 Mio. EUR für den "Zim-Fund" freigegeben. Mit den Mitteln soll vor allem die Wasser- und Energieversorgung verbessert werden.

Der beschränkte Umfang der zielgerichteten Sanktionen gegen Führungsmitglieder von Zanu-PF und einige staatliche Unternehmen steht in krassem Widerspruch zu ihrer symbolischen Bedeutung vor Ort. Mugabe macht sie in fast jedem seiner öffentlichen Auftritte für den massiven wirtschaftlichen Abschwung im Land verantwortlich und bezeichnet sie als Instrumente des Imperialismus, hinter denen die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien stecke. Völlig im Gegensatz zur intendierten Wirkung nutzt er damit die Sanktionen als Ressource zum Machterhalt. Zudem ist die faktische Wirkung der Beschränkungen begrenzt - die sanktionierten Zanu-PF-Mitglieder können problemlos in Länder wie Südafrika, Singapur oder China ausweichen.

Für die Tatsache, dass offiziell keine Entwicklungshilfe geleistet wird und die zielgerichteten Sanktionen jährlich verlängert werden, macht Präsident Mugabe Ministerpräsident Tsvangirai verantwortlich. Er bezichtigt ihn, eine wesentliche Vereinbarung des GPA nicht umzusetzen: die Aufhebung der Sanktionen zu erwirken.


Unklare Aussichten für Demokratie

Simbabwe steht vor der Entscheidung, ob das autokratische System durch eine demokratische Transition überwunden wird oder nicht. Weder die langjährige Regierungspartei noch die vormalige Opposition sind im Augenblick stark genug sich durchzusetzen. Die von Präsident Mugabe geführte Zanu-PF ist noch immer eine entscheidende politische Kraft.

Vordergründig hat die langjährige Regierungspartei, die sich bis heute als Befreiungsbewegung versteht, auf ihrem Parteitag ein klares Zeichen gesetzt: Weiter mit Mugabe. Mit ihm will die Partei schnellstmöglich in eine Wahl ziehen, um die Einheitsregierung mit der MDC zu beenden. Trotz der abnehmenden Begeisterung für Ministerpräsident Tsvangirai und seine Partei erscheint es jedoch unmöglich, dass die Zanu-PF in freien und fairen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gewinnt. Im Augenblick ist die Stabilität des Landes vor allem von Mugabes Gesundheitszustand abhängig. Eine Machtübernahme durch das Militär erscheint allerdings, auch im Moment einer Krise, eher unwahrscheinlich: Offensichtlich gibt es auch innerhalb des Militärs verschiedene Gruppierungen. Wahrscheinlich würde Vizepräsidentin Mujuru für eine Übergangsphase die Macht übernehmen und dann einen Parteikongress einberufen.

Die vorherrschende Taktik der Zanu-PF - einerseits den Schein der Kompromissbereitschaft wahren, andererseits signifikante demokratische Reformen blockieren - resultiert auch aus der Angst führender Parteimitglieder. Die alte Garde hat viel zu verlieren: Werden begangene Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen nach einer politischen Transition verfolgt? Was passiert mit dem teilweise unter dubiosen Umständen erworbenen Besitz? Vor diesem Hintergrund sind die Anreize, sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten, hoch. Die Arbeit des nach der Bildung der Einheitsregierung eingerichteten und mit unklarem Mandat ausgestatteten Organ for National Healing, Reconciliation and Integration sowie der nur auf dem Papier existierenden Human Rights Commission allein wird nicht genügen. Vielmehr stehen - wie in Südafrika zum Ende der Apartheid - Fragen nach einer Amnestie für bestimmte Verbrechen an. Entsprechende Garantien könnten die Blockadehaltung und Verzögerungstaktik zumindest einiger Führungsmitglieder der Zanu-PF lockern. Abseits der grundlegenden Reform des Sicherheitssektors und der Klärung von Landfragen wird aber eine beschränkte Amnestie in Simbabwe erstaunlicherweise wenig diskutiert.

Die Nachbarn und die Regionalorganisation halten einen Schlüssel für die Lösung der Krise in Simbabwe in der Hand. Die Tatsache, dass die SADC die von Mugabe schon für 2011 vehement geforderten Wahlen verhinderte, zeigt deren möglichen Einfluss. Mugabe kann eine einheitliche Front der Nachbarn nicht einfach als imperialistisch brandmarken und ignorieren. Die SADC ist deswegen als einflussreicher Akteur gefragt, nachdem der öffentliche Druck bereits stärker geworden ist. Vermittler Zuma und sein Verhandlungsteam können dafür sorgen, dass die Verpflichtungen aus dem GPA, und hier vor allem die Verfassungsreform, umgesetzt werden. Ein erster Schritt wäre, die vorgesehenen SADC-Berater an das JOMIC abzuordnen.

Angesichts ihrer geringen Wirkungen könnten westliche Regierungen ihre Beschränkungen stufenweise zurücknehmen. Das Ende der Sanktionen würde so nicht de facto vom Abtreten oder Ableben Mugabes abhängig gemacht, sondern von einem Fahrplan, der das abgestufte Aussetzen der Sanktionen und die Erhöhung der Unterstützung bei der Erfüllung bestimmter Reformschritte, zum Beispiel der Verabschiedung einer neuen Verfassung, vorsieht. Dies wäre ohne große Kosten möglich, würde Mugabe Propagandamöglichkeiten nehmen und neue Reformanreize schaffen. Dieser Vorschlag wird offensichtlich bereits in zahlreichen europäischen Hauptstädten unterstützt.

Insgesamt sind die Einflussmöglichkeiten europäischer Staaten, auch Deutschlands, beschränkt. Es bleiben vor allem drei Möglichkeiten:
1.‍ ‍Die Nachbarländer der SADC zu ermutigen, den Druck auf die politischen Akteure in Simbabwe weiter aufrechtzuerhalten,
2.‍ ‍weiter humanitäre Hilfe zu leisten und zunehmende Unterstützung bei demokratischen Fortschritten in Aussicht zu stellen und
3.‍ ‍nichtstaatliche Organisationen und demokratische Institutionen zu fördern.

Die Reise der SADC-Parlamentariergruppe des Bundestages im April 2011 nach Simbabwe geht in diese Richtung. Eine fortgesetzte Unterstützung der simbabwischen Parlamentarier - möglich wäre ein weiterer Austausch oder eine regelrechte Partnerschaft des Bundestages mit dem simbabwischen Parlament - könnte, wenn auch in bescheidenem Maße, die Legislative stützen.


Anmerkung:

(1)‍ ‍Im Jahr 2005 spaltete sich die 1999 gegründete Oppositionsbewegung Movement for Democratic Change (MDC) in die größere MDC-T (Vorsitzender bis heute: Morgan Tsvangirai) und die kleinere MDC-M (damaliger Vorsitzender: Arthur Mutambara). Beide Gruppierungen sind an der Regierung beteiligt.


Den hier leicht gekürzten Beitrag entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem GIGA Focus Afrika Nr. 10/2011. Der vollständige Beitrag steht unter [1] (siehe unten) zum Herunterladen bereit.


Christian von Soest ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am GIGA Institut für Afrika-Studien und Mitarbeiter des GIGA Berlin-Büros. Er leitet das GIGA-Forschungsteam "Pariastaaten und Sanktionen" im GIGA-Forschungsschwerpunkt "Gewalt und Sicherheit".

Maxi Domke ist Absolventin der Kommunikations- und Politikwissenschaft an der Universität Hamburg, arbeitet seit 2011 als Projektleiterin bei einer simbabwischen Nichtregierungsorganisation im Bereich Bildungsförderung und Reintegration von Waisen.

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[1] http://www.giga-hamburg.de/giga-focus/afrika

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
41.‍ ‍Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2012, S. 13 - 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012