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AFRIKA/1262: Mali - Hoffnungsvoller Süden, verzweifelter Norden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Februar 2014

Mali: Hoffnungsvoller Süden, verzweifelter Norden

von Marc-André Boisvert


Bild: © Marc-André Boisvert/IPS

Malier, die am Ufer des Niger in der malischen Hauptstadt Bamako Wäsche waschen
Bild: © Marc-André Boisvert/IPS

Bamako, 7. Februar (IPS) - Daouda Dicko steht bis zu den Knöcheln im Wasser des Niger, der sich auch durch Malis Hauptstadt Bamako schlängelt. In sengender Hitze schrubbt er die Wäsche seiner Kunden. "Damit habe ich vor zwei Jahren angefangen. Jetzt bin ich daran gewöhnt und möchte das kleine Zubrot nicht missen", sagt er.

Dicko, ein Gärtner, hatte nach Ausbruch der politischen Krise im März 2012 große Probleme, die Familie durchzubringen. Damals übernahmen erst Tuareg-Rebellen und später Islamisten die Kontrolle über den Norden des Landes, der fast zwei Drittel des Staatsgebiets ausmacht. Doch mit Hilfe französischer Truppen konnte das Gebiet im Januar 2013 zurückerobert werden. Ein halbes Jahr später fanden die Wahlen statt.

Der Konflikt hatte die Wirtschaft im Lande zum Erliegen gebracht, und für die Haushalte brachen schwierige Zeiten an. Doch inzwischen stehen die Zeichen auf Besserung, wie Binetou Diarra versichert, die hinter ihrem Verkaufsstand auf dem Markt Quartier du Fleuve in Bamako ihre Tomaten ordnet. "Nachdem die Preise vor einem Jahr kräftig angezogen waren, haben sie sich jetzt wieder auf Normalniveau eingependelt."

Auch dem Hotelgewerbe geht es besser. Viele Häuser mussten aufgrund fehlender Gäste zwischen 2012 und 2013 schließen. Nach Angaben des Malischen Fremdenverkehrsamt hatten 2009 250.000 Touristen das Land besucht.

Das Hotel de l'Amitié gehört zu den größten Gebäuden der Hauptstadt. Inzwischen hat dort die Friedensmission der Vereinten Nationen Stellung bezogen. In anderen Hotels sind die Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und anderer Institutionen untergebracht, die dabei helfen sollen, das Land wieder hoch zu bringen. Und die Restaurants and Lebensmittelhändler freuen sich über das Geschäft mit den Heimkehrern.


Süden: "Das Schlimmste liegt hinter uns"

"Mittlerweile ist wieder mehr Geld in Umlauf", erläutert die Gemüsehändlerin Fatoumata Coulibaly. "Zugegeben, die Lage ist noch immer schwierig. Doch wir wissen, dass wir das Schlimmste hinter uns haben", sagt sie und fügt noch schnell ein "Inshallah" hinzu.

Im Januar prognostizierte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, dem Land für das laufende Jahr einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 6,6 Prozent. Gegenüber der Presse erklärte sie damals, dass Mali auf dem besten Weg sei, die Wirtschaftskrise zu überwinden. "Wir müssen nur noch das wirtschaftliche Fundament stärken, um Wachstum und Arbeitsplätze zu ermöglichen und die Armut zu verringern."

Doch noch immer steht das Land vor immensen Herausforderungen. Als Mali nach dem Putsch 2012 mit Sanktionen belegt wurde, büßte es 30 Prozent seines geberabhängigen Haushalts in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar ein. Die Cité Administrative, Sitz der zentralisierten Verwaltung an Ufer des Niger, war über ein Jahr lang eine Geisterstadt.

"Die Krise hat uns völlig gelähmt. Ich bekam zwar ein Gehalt, allerdings sehr spät. Und wir hatten aufgrund der finanziellen Engpässe keinen Handlungsspielraum mehr", berichtet Fofana Daouda, die im Familienministerium arbeitet. "Doch allmählich kehrt hier wieder Normalität ein. Wir werden regulär bezahlt und verfügen über die erforderlichen Arbeitsgeräte."


Norden: Vor dem Nichts

Doch während sich die Lage in der Hauptstadt allmählich normalisiert, sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten im Norden beschränkt. Viele Menschen leben dort in extremer Armut, wie Dedeou Traoré, ein Abgeordneter der Nordregion Niafunké, berichtet. Die Menschen, die dort zuvor als Subsistenzbauern über die Runden kamen, hätten alles verloren. "Zwar ist der Präfekt nach Niafunké zurückgekehrt, doch Justiz und andere staatlichen Institutionen sind immer noch abwesend. Die Menschen fühlen sich verlassen", berichtet Traoré.

Im Mai 2013 hatten die internationalen Geber dem Land fast 3,5 Milliarden Dollar Wiederaufbauhilfe in Aussicht gestellt. Doch erhalten hat Mali bisher erst die Hälfte.

Die Hilfsorganisation 'Oxfam International' hat in einem neuen Bericht Verbesserungen bei der Regierungsführung angemahnt. Die staatlichen Gelder müssten fairer verteilt werden. "Das Zusammenspiel von geringer Dezentralisierung, Korruption und fehlender Transparenz bei der Verwendung und Verteilung der Hilfe hat bei den Bürgern zu der weit verbreiteten Ansicht geführt, von der Regierung um ihren fairen Anteil geprellt zu werden."

Die Situation im Norden Malis sei weiterhin fragil, betonte Mohamed L. Coulibaly, der Leiter des Mali-Büros von Oxfam International. "Die Geber sollten nicht vergessen, dass mehr als 800.000 Menschen infolge des Konflikts, spärlicher Ernten und dürftiger Niederschläge auf Nothilfe angewiesen sind. Mali braucht eine umfassende Antwort auf die vielen Herausforderungen, mit denen es konfrontiert ist."

Aicha Belco Maiga gehört der Versammlung für Mali an, der Partei von Präsident Ibrahim Boubacar Keita, die im malischen Parlament die Mehrheit hält. Sie vertritt die Region Tessalit, eine der abgelegensten und trockensten Gebiete nahe der Grenze zu Algerien.

"In Tessalit sind alle wirtschaftlichen Aktivitäten zum Erliegen gekommen. Die Stadt ist leer. Die Menschen, die geblieben sind, mussten ihr Hab und Gut gegen Nahrungsmittel eintauschen. Doch jetzt gibt es nichts mehr zu essen. Es gibt keine funktionsfähige Verwaltung", sagt sie gegenüber IPS. "Diese Menschen brauchen unsere Hilfe. Die Wirtschaft ist nicht nur ein Scherbenhaufen. Sie ist tot." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/02/economic-crisis-malis-north-south-recovers/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2014